Ich habe diesen Thriller (!) aus der unmittelbaren Vorkriegszeit als Anfang 20-Jähriger (heute bin ich 63) zum ersten von vielen Malen gelesen. Er war es natürlich nicht allein, aber hat mit dazu beigetragen, mich zum lebenslangen Antikapitalisten und Antifaschisten zu machen. Es gibt sie, die Seite der "moralisch Guten", auch wenn zunehmend rechtes und rechtsradikales Denken (sich häufig als "Mitte" ausgebend) den gesellschaftlichen Diskurs zu beherrschen scheint. Die Geschichte ist in groben Umrissen schnell erzählt: Ein eigentlich gewiefter britischer Auslandskorrespondent im Hitlerdeutschland der mittleren 1930er Jahre (als er ins Bild kommt, ist er gerade auf dem Rückweg von einem Treffen hoher Nazi-Funktionäre in Nürnberg, über das er berichtet hatte), erweist sich doch als naiv, als er von einer Zugbekanntschaft den Auftrag annimmt, ein dickes Briefcouvert, das angeblich Wertpapiere enthält, ins Ausland zu schmuggeln. Das macht ihn schnell zum Gejagten und es ist letztlich ein sympathischer sowjetischer Geheimagent, der ihm dabei hilft, sein Leben zu retten. Die (Fast-) Erstickungsszene in einem Vulkanisierwerk wurde zum vielvariierten Vorbild so gut wie aller Spionageromane in der Nachfolge Amblers.Ich habe noch die Originalausgabe des Diogenes-Verlags, der die deutschsprachigen Übersetzungen Amblers über Jahrzehnte betreut hatte. Inzwischen sind sie im Atlantik-Imprint des Hoffmann und Campe Verlags erschienen. Bei den meisten dortigen Neuerscheinungen haben sie die Originalübersetzungen von Walter Hertenstein übernommen, hier nicht, und ich kann die Neuübersetzung nicht beurteilen, weil eine Leseprobe auf der Verlagswebseite nicht vorhanden ist.Ich denke aber, dass auch die Übersetzung dem Roman sein (zumindest für mich) wichtigstes Merkmal nicht hat nehmen können: das, der (Re-)Adjustierung des politisch-moralischen Kompass' jedes Einzelnen zu dienen. "Belehrend" ist der Roman dennoch nicht, was jeder durch eigene Lektüre leicht feststellen kann...15.03.2020 - Joachim Tiele