GELESEN: Keith Richards Life
Erstmals erschienen im Original 2010 bei Little, Brown and Company, New York
Aus dem Englischen von Willi Winkler, Wolfgang Müller und Ulrich Thiele
Wilhelm Heyne Verlag, München
723 Seiten mit Bildtafeln und Namensregister
Diese Autobiographie schrieb Keith Richards in Zusammenarbeit mit James Fox.
Gleich zu Anfang möchte ich erwähnen, dass es nicht nur eine Autobiographie ist. Es ist ein Stück Musikgeschichte. Viele Namen hat man noch nie gehört. Googelt man sie, kennt man die Stücke und darf oftmals bewundernd mit dem Kopf nicken. Darüber hinaus ist es ein Werk, welches jeder lesen sollte, der sich für das Gitarrenspiel interessiert. Will man es zur Perfektion treiben, ist es ein weiter Weg, der eigentlich nie endet. Außergewöhnliche Griffe, die ein anderer beherrscht, kann man kaum erlernen, auch wenn man es über Jahre immer wieder versucht. Irgendwann muss man einsehen, dass jeder seine ganz persönliche Art hat, mit seiner Gitarre umzugehen.
Keith Richards war und ist wohl auch heute noch ein Fleißiger. Wenn er für eine Sache brennt, betreibt er sie bis zum Exzess. Dass es der einst arme Bub aus einem Vorort von London zu Ansehen und Reichtum gebracht hat, darf man ihm von Herzen gönnen
Die Rolling Stones haben mich im Grunde nie interessiert. Ihre Musik ist, bis auf ein paar einzelne Stücke, auch nicht die meine. Die Autobiographie von Marianne Faithfull sowie ihr Folgewerk Memories, die ich kürzlich gelesen habe, machten mich neugierig, und zwar auf den Mann Keith Richards, den diese immer wieder besonders erwähnte.
Diese Autobiographie hat er bereits vor 15 Jahren geschrieben. Dies tut aber der Sache keinen Abbruch, denn die wichtigsten Lebensabschnitte sind hier beschrieben. Keith Richards wird im Dezember 82 Jahre alt. Dass dieser ob einiger Einschränkungen noch am Leben ist, grenzt bei seinem Lebenswandel an ein Wunder.
Der Mann, in einem Vorort von London aufgewachsen, beschreibt recht anschaulich, wie es damals nach dem Krieg dort noch recht ärmlich zuging. Erst im Alter von 15 Jahren hatte er seine jetzige Körpergröße erreicht. Bis dahin gehörte er immer zu den Kleinsten. Mit seinen abstehenden Ohren hat man ihn gehänselt und verprügelt, bis er endlich einen Kameraden fand, der ebenso ein Außenseiter wie er war, aber groß und kräftig. In seiner Begleitung ging es ihm besser. Der Vater war ein Fabrikarbeiter, die Mutter verkaufte Waschmaschinen. Der Großvater war es, der ihn zur Musik brachte. Gesungen und musiziert wurde allerdings im Elternhaus immer.
Da er eine gute Stimme hatte, durfte er im Chor mitsingen, aber nur bis zum Stimmbruch. Danach hat man ihn ausgeschlossen.
Dies war eine bittere Erfahrung und machte ihn wütend und rebellisch. Zum Glück gab es da noch die Pfadfinder. Diese Gruppe gab ihm Halt. Mit großer Begeisterung und recht ehrenvoll fand er hier wieder die Anerkennung, die er einst im Chor hatte.
Kurze Zeit ging er auch auf die Kunstakademie, da er besonders gut zeichnen konnte. Die Richtung, die von dieser eingeschlagen wurde, gefiel ihm nicht. Man wollte Werbeleute aus ihnen machen. So ging er und wandte sich nun der Sache zu, die ihn am meisten interessierte; das Spiel mit der Gitarre.
Sein erstes Instrument war eine Rosetti mit Darmseiten. Diese kostete 10 Pfund. Das war sehr viel Geld für die Familie. Seine erste selbst gekaufte Platte war Long Tall Sally von Little Richard. Danach entdeckte er Radio Luxemburg für sich. Diesen Sender, über sein kleines Kofferradio reinzubekommen, war eine Herausforderung. Als er zum ersten Mal Elvis Presley mit dem Song Heartbreak Hotel hörte, war dies für ihn wie eine Offenbarung.
Platten zu sammeln war überhaupt die Sache. Er und nun auch Mick Jagger, die sich als Kinder sahen, aber erst etwas später kennenlernten, kauften sich Schallplatten. Eine Platte wurde immer und immer wieder gehört. Sie war ihr Lerninstrument. Jeden Griff der Gitarre studierte Keith und versuchte ihn nachzuspielen. Später befragte er auch den einen oder anderen Musiker, aber diese gaben ihre Geheimnisse nicht preis.
Dies waren die Anfänge.
Wir erfahren, wie man die passenden Leute fand, die sich dann über eine längere Zeit hinweg zu der Gruppe, die Mick Jagger und Keith Richards ins Leben gerufen haben, gesellten: Brian Jones, Dick Taylor, Ian Stewart, Tony Chapman, Mick Avory, Ron Wood, Mick Taylor, Bill Wyman, Charlie Watts.
Übrig geblieben sind: Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts, der im Jahr 2021 starb.
Über all diese Leute, ihr Leben, ihren Stil, ihren Charakter darf man lesen und staunen.
Überaus spannend fand ich, wie es gelang, immer wieder neue Stücke zu schreiben, die unverkennbar waren.
Mich hat dieses Buch begeistert zurückgelassen.