Wie prägten osteuropäische Geflüchtete das Nachkriegs-München? Der Sammelband beleuchtet erstmals die vielfältigen Beiträge von Displaced Persons und Migrant:innen aus Osteuropa zur politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung der Stadt seit 1945. Historiker:innen und Zeitzeug:innen erzählen von Flucht, Integration und Erinnerungskultur in einer von Umbrüchen geprägten Metropole.
München wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Zentrum der ost- und südosteuropäischen Migration. Als sogenannte Displaced Persons lebten ehemalige Zwangsarbeiter:innen, befreite KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene, Überlebende der Schoa und Geflüchtete vor der Roten Armee in der stark zerstörten Stadt. Der vorliegende Sammelband zeigt, wie diese Menschen das wirtschaftliche, kulturelle und politische Leben Münchens mitgestalteten. In den Beiträgen werden Orte rekonstruiert, an denen Displaced Persons und Geflüchtete lebten, arbeiteten und neue Gemeinschaften aufbauten. Historische Quellen und Fallbeispiele beleuchten das Leben in Sammellagern, die Bewältigungsstrategien und Zukunftshoffnungen der Individuen, die Rolle internationaler Organisationen und lokaler Behörden. Die hier versammelten Perspektiven verdeutlichen, wie Osteuropa München geprägt hat - und München Osteuropa. Dieser Band wirft nicht nur Schlaglichter auf einen bislang wenig erforschten Teil der Münchner Stadtgeschichte. Er bietet auch historische Kontextualisierungen aktueller migrationspolitischer Debatten und thematisiert Herausforderungen und Chancen, die durch Migration entstehen.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Vorwort: Erforschung und Sichtbarmachung der Münchner DP-Geschichte
am Münchner Stadtmuseum, am Jüdischen Museum München und an
der Ludwig-Maximilians-Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Einleitung: Einführung, Forschungsstand, Konzeption des Buches . . . . . . . 16
Zeugnisse und Orte der (Zwangs-)Migration in München
Andreas Heusler: Nachkriegszeit und Displaced Persons in der
Münchner Stadtgeschichte und Erinnerungskultur . . . . . . . . . . . . . . 53
Gudrun Wirtz: Displaced-Persons-Drucke aus München und Umgebung
als historische Quellen (1945 1951) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Axel Doßmann: Zeugenschaft im Widerstreit. David P. Boders Interviews
mit Displaced Persons in München 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Piritta Kleiner: Vergessene Orte der Münchner Nachkriegsgeschichte.
Der KZ-Außenlagerkomplex Allach von 1945 bis 1953 . 124
Displaced Persons in der Münchner Stadtgesellschaft
Andre Scharf: »Bleib du hier. Arbeiten kannst du [ ]«. Nichtjüdische
Überlebende des KZ Dachau in der Münchener Stadtgesellschaft . . . . . . 157
Jutta Fleckenstein: Displaced Artists. Die »Ausstellung der Jüdischen
Künstler« in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus im Jahr 1948 . . . . . 200
Anna Holian: Existenzgründungen im Nachkriegsmünchen.
Polnisch-jüdische Erwerbstätigkeit zwischen Kontinuität und Bruch . 222
Vergemeinschaftung zwischen nation-building und transnationaler Solidarität
Katarzyna Person: Die Praxis der Ehrengerichte und das
Gemeinschaftsleben der jüdischen Displaced Persons im Raum München . 245
Kateryna Kobchenko: Die ukrainischen Displaced Persons.
Eine Emigrantengemeinde zwischen nationaler Konsolidierung
und politischer Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
Maria Kovalchuk: Frauensolidarität in den Displaced-Persons-Lagern.
Transnationales Engagement am Beispiel der Liga der Frauen im Exil . . . . 292
Aushandeln von Migration zwischen Nachkriegszeit und Kaltem Krieg
Vitalij Fastovskij: Erzählte Migration. Die »russische Sache«
der Alexandra Tolstoy . 323
Karolina Novinš ak Kölker: Displaced Persons Heimatlose
Gastarbeiter:innen. Migrantische Lebensrealitäten im Spannungsfeld
alliierter, deutscher und jugoslawischer Migrationspolitik
(1945 bis in die 1970er-Jahre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Christian Höschler: »Können wir dieser Mutter ihr Kind verweigern,
weil wir das Regime verurteilen, unter dem sie lebt? « Der Umgang mit
unbegleiteten DP-Kindern zwischen München und Bad Aibling,
1950 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
München als Standort der Osteuropaforschung
Tobias Weger: München und die deutsche Kultur und Geschichte
Südosteuropas in den späten 1940er- und 1950er-Jahren . . . . . . . . . . . . 435
Felix Jeschke, Magdalena Mihaljevi und Kira Rettinger:
Zwischen Volkstums- und Gegnerforschung. Die Münchner
Osteuropahistoriografie in der Nachkriegszeit . 457
Dank . 477
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478