In fünf Monaten wird der Wachmann einer Pariser Bank, der als einzigen Nutzen seiner Tätigkeit das Öffnen des Tores vor dem Direktionswagen erkannt hat, das Eigentum an seiner kleinen Mansarde endgültig erworben haben, wird ein weiterer Markstein seines Lebensplanes gesetzt sein. Doch dieser fatalistische Ablauf wird an einem heißen Freitagmorgen im August 1984 jäh vom Erscheinen einer Taube in Frage gestellt.
Patrick Süskind, geboren 1949 in Ambach am Starnberger See, studierte in München und in Aix-en-Provence mittlere und neuere Geschichte und verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst mit dem Schreiben von Drehbüchern. 1984 erschien sein Ein-Personen-Stück Der Kontrabaß , 1985 sein Roman Das Parfum , der 2005 von Tom Tykwer verfilmt wurde. 1987 folgte die Erzählung Die Taube und 1991 Die Geschichte von Herrn Sommer , mit Illustrationen von Jean-Jacques Sempé. Patrick Süskinds Werk ist in über fünfzig Sprachen übersetzt.
Pressestimmen
»Im Winter 1984 betrat ein Mann die literarische Szene, der seitdem zu den raffiniertesten und verblüffendsten Gestalten dieser an raffinierten und verblüffenden Gestalten nicht armen Epoche gehört. « Der Spiegel, Der Spiegel
»Mit seinem Roman Das Parfum stürmte Patrick Süskind alle Bestsellerlisten. Und brachte das Erzählen in die deutsche Literatur zurück. « Christine Lötscher / Tages-Anzeiger, Tages-Anzeiger
Eine raffinierte, psychologisch intensive Geschichte
"Er sei zu Tode erschrocken gewesen - so hätte er den Moment wohl im nachhinein beschrieben, aber es wäre nicht richtig gewesen, denn der Schreck kam erst später. Er war viel eher zu Tode erstaunt." (Zitat Seite 15)
Inhalt
Jonathan Noel ist über fünfzig Jahre alt. Er arbeitet als Wachmann in einer Bank in Paris. Seit vielen Jahren wohnt er zufrieden und zurückgezogen in einem kleinen Einzimmerappartement im sechsten Stock eines Hauses in der Nähe seines Arbeitsplatzes. Doch an diesem Freitag im August des Jahres 1984 wird die ruhige Routine seines Tagesablaufs empfindlich gestört. Eine Taube sitzt im Flur, nicht weit von seiner Türschwelle entfernt, und scheint ihn anzustarren. Dies versetzt ihn in Panik und seine geordnete Welt gerät völlig aus den Fugen.
Thema und Genre
In dieser Novelle geht es um einen Mann, dessen genau festgelegter Tagesablauf durch das zufällige Auftauchen einer Taube gestört wird.
Charaktere
Jonathan Noel verabscheut Überraschungen, denn es gab gravierende Ereignisse in seinem Leben, die er am liebsten vergessen möchte, die sich dennoch immer wieder in seine Erinnerung drängen. Pflichtbewusst, genügsam, manchmal in den Gedanken leicht überheblich gegenüber seinen Mitmenschen, ist Jonathan keine besonders sympathische Hauptfigur, dennoch empfindet man Mitleid mit ihm.
Handlung und Schreibstil
Die Geschichte spielt an einem einzigen Tag. Es ist ein heißer Freitag im August, der mit einem unvorhergesehenen Ereignis beginnt. Diese Taube im Hausflur versetzt Jonathan Noel in einen Schockzustand, mit spontanen Entscheidungen, die ihn im Laufe des Tages ins Chaos stürzen. Es sind nicht nur seine Erlebnisse, sondern vor allem seine Gedanken und Gefühle zwischen Panik und Pflichtbewusstsein, seine verzweifelten Versuche, an seinem korrekten, in seinen Augen untadeligen Verhalten festzuhalten, während seine Gedankenphantasien sich von genau diesen Zwängen zu lösen scheinen.
Fazit
Eine moderne Novelle, beklemmend und psychologisch vielseitig interpretierbar.
Auf knapp 100 Seiten begibt sich Patrick Süskind auf eine kleine Reise in die Gedankenwelt von Jonathan Noel. Einem Mann, der nach schwerer Vergangenheit zurückgezogen in seiner winzigen Pariser Ein-Zimmer-Wohnung haust und ein Leben in völliger Ereignislosigkeit gewählt hat. Diese friedliche Ruhe und rettende Monotonie finden jedoch in einem weiteren Schicksalsschlag plötzlich ein jähes Ende - auf dem Weg zur Etagentoilette sieht sich Noel mit einer Taube konfrontiert, die zum Fenster hereingeflogen im Flur vor seiner Wohnung sitzt und den Eingang zum rettenden Unterschlupf versperrt; mit unerhört blicklosen Augen das Chaos beschaut, das nun über den neurotischen Einzelgänger hereinbricht. Eine Verkettung des Unglücks folgt diesem Schockmoment, mit dessen Bewältigung Noel gänzlich überfordert ist, unfähig die kleinste Unebenheit in seiner sorgsam eintönig gewählten Existenz zu ertragen oder zu überwinden. Plötzlich heimatlos in der Stadt umherirrend verdichtet sich das große Durcheinander des folgenden Tages zu einem Psychogramm eines im Grunde sehr einsamen Mannes. Süskind zeigt seinem Leser in feinsinniger Beobachtung das fragile innere Gleichgewicht eines komplexen Seelenlebens und lässt es von einem einzigen grauen Flügelschlag aus den Fugen geraten. Genüsslich schildert er die wirren Gedankenspiele des völlig Verzweifelten und verschnürt darin eine sprachlich geniale, subtile Parabel über die Lächerlichkeit der kleinen Dinge, die sich zuweilen ehe wir es uns versehen gurrend aufplustern können und die noch so sicher geglaubten Verhältnisse gründlich ins Chaos stürzen.
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