Besprechung vom 11.07.2019
Ich fahr mit meinem Fahrrad
Leute, fahrt nach Köln. Nirgendwo sonst auf der Welt liegen Scheußliches und Schönes so nah beieinander! Und an kaum einem anderen Ort feiert die Selbstbesoffenheit über architektonische und städtebauliche Desaster fröhlichere Urständ. "Köln zum Abgewöhnen" heißt daher ein Kapitel in diesem ungewöhnlichen Stadtführer, das mit ebenso heiligem Ernst und wunderbarem Humor Deutschlands ältestes erhaltenes, vermutlich von Karl Friedrich Schinkel entworfenes Bahnhofsgebäude als im Nirwana der Bürokratie verloren präsentiert, wie im Kapitel "Köln zum Vorzeigen" das Hohelied auf die Sgrafitti der Wiederaufbaustadt angestimmt wird. Ja, Köln ist eine Stadt, die sich aus den von Verwaltung und Städtebau verschuldeten Niederungen zu wahrer Größe aufzuschwingen vermag. Wer wüsste es besser als die Architektin, Kunsthistorikern und Denkmalschützerin Barbara Schock-Werner, von 1999 bis 2012 Dombaumeisterin am Kölner Dom, in deren Wirkungszeit etwa das von Gerhard Richter gestaltete Fenster im Südquerhaus fällt? Beherzt legt sie den Finger in die Wunde, genannt seien das verkehrsplanerische Chaos am Heumarkt oder der durch lieblose Reparaturen im Steinbelag vermurkste Roncalliplatz. Humor, das wissen Kölner besser als die Menschen anderswo, hilft freilich auch noch beim größten städtebaulichen Desaster weiter. So kabbelt sich die Dombaumeistern a. D. mit ihrem Ko-Autor Joachim Frank darüber, wo das Fahrrad im städtischen Raum seinen Platz haben soll. Am nächstbesten Geländer - oder im Fahrrad-Parkhaus, das es nicht gibt?
ksi
"Köln auf den Punkt II. Mit der Dombaumeisterin a.D. durch die Stadt" von Barbara Schock-Werner und Joachim Frank. DuMont Buchverlag, Köln 2019. 176 Seiten, ca. 100 Fotos von Csaba Peter Rakoczy. Broschiert
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