Intermezzo erzählt die Geschichte zweier Brüder, die auf sehr unterschiedliche Weise durchs Leben gehen: der eine ein erfolgreicher Anwalt in seinen 30ern, der zwischen zwei Beziehungen schwankt; der andere ein sozial eher unbeholfener Schachspieler Anfang 20, der sich auf eine unerwartete Beziehung zu einer älteren Frau einlässt. Wir begleiten beide auf ihren individuellen Wegen, die sie zum Teil alleine bestreiten, sich teilweise aber auch überschneiden und die Beziehung dadurch eine besondere Dynamik entwickelt.
Besonders an Intermezzo finde ich, wie Sally Rooney es schafft, beiden Brüdern ganz eigene, aber trotzdem glaubwürdige Stimmen zu geben. Peters Kapitel sind sprachlich etwas speziell, dadurch fiel mir der Einstieg zunächst etwas schwer. Ivans Perspektive dagegen wirkte zugänglicher und emotional offener, was den Zugang zu seiner Gedankenwelt erleichtert hat. Diese Unterscheidung in der Erzählweise hat die Figuren für mich umso lebendiger gemacht. Auch die Perspektiven der love interests wurden in die POVs der Brüder perfekt eingewoben und haben dem Buch noch mehr Tiefe verliehen.
Intermezzo ist vermutlich das bisher komplexeste Buch von Sally Rooney. Wie auch in ihren anderen Büchern behandelt auch dieses wichtige (gesellschaftliche) Themen wie Beziehungen, Machtverhältnisse, prekäre Lebenssituationen, Klassenunterschiede, Privilegien oder soziale Gerechtigkeit. Es ist definitiv kein Buch, das man mal schnell liest; man muss sich darauf einlassen und wird dann aber mit einer umfangreichen und überzeugenden Charakterstudie belohnt.