Besprechung vom 27.08.2025
Hitler und sein Mordprogramm knapp zusammengefasst
Sybille Steinbacher veröffentlicht neue Biographie des Diktators
Über kaum eine Person der jüngeren Geschichte ist so viel geschrieben worden wie über Adolf Hitler, zwischen 1933 und 1945 der Diktator, der Deutschland und die Welt in den Zweiten Weltkrieg gestürzt sowie Millionen Menschen Tod und Verderben gebracht hat. Zu den bekanntesten Werken über Hitler zählen die vom früheren F.A.Z.-Herausgeber Joachim Fest verfasste und 1973 erschienene Biographie "Hitler", das 1998/2000 auf den Markt gekommene zweibändige Monumentalwerk "Hitler" des britischen Historikers Ian Kershaw und zuletzt die Biographie "Adolf Hitler" des deutschen Publizisten und Historikers Volker Ullrich mit dem 2013 erschienenen ersten Band "Die Jahre des Aufstiegs 1889 -1939" und dem 2018 veröffentlichten zweiten Band "Die Jahre des Untergangs".
Es scheint alles gesagt und geschrieben zu sein über den Österreicher Adolf Hitler, der am 20. April 1889 in Braunau am Inn zur Welt gekommen ist. Trotz alledem hat nun Sybille Steinbacher, die Direktorin des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts, beim C.H.-Beck-Verlag in der Reihe "Wissen" eine weitere Hitler-Biographie veröffentlicht. Sie trägt kurz und knapp den Titel "Hitler" und berichtet ebenso kurz und knapp auf 128 Seiten die "Geschichte eines Diktators". Man muss sich das vorstellen: Während Volker Ullrich in seinem ersten Band 1000 Seiten füllt und im zweiten immerhin noch 896, zeichnet Steinbacher Hitlers Leben auf 128 Seiten nach. Kann das gut gehen?
Ja, es geht gut. Denn Steinbacher folgt anderen Ansprüchen als die Großmeister der Hitlerforschung und sie schreibt auch für ein anderes Publikum als diese. Ihre Biographie erhebt nicht den Anspruch, das Hitler-Bild um neue Erkenntnisse und Facetten zu ergänzen und ein Bild des "Führers" zu zeichnen, das jeden einzelnen Aspekt seiner Persönlichkeit und seines Tuns unter die Lupe nimmt.
Vielmehr hat die Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts die Forschungsergebnisse der vielen Hitler-Biographien und der umfassenden Literatur über den Nationalsozialismus nüchtern zusammengefasst und in knapper Form präsentiert. Ihre Hitler-Biographie stellt eine Art Volksausgabe dar, die normalen Bürgern, die sich wenig auskennen in der Geschichte des "Tausendjährigen Reiches" und denen es nicht in den Sinn käme, einen Wälzer von 1000 Seiten darüber zu lesen, kurz und in einfacher Sprache die deutsche NS-Tragödie und ihres Hauptdarstellers nahebringt.
Genau das ist der Anspruch, den der Beck-Verlag an die Autoren seiner Reihe "Wissen" stellt. Sie sollen gesichertes Wissen und konzentrierte Informationen über die wichtigsten Themen der Kultur- und Naturwissenschaften einer breiten Leserschaft darbieten. Die Verfasser sollen anerkannte Wissenschaftler sein, die nicht nur ihr Fach beherrschen, sondern auch ihr Thema verständlich darstellen können.
Genau dies hat Steinbacher jetzt mit "Hitler. Geschichte eines Diktators" getan, genau so wie schon 2004 in ihrem Vorgänger-Buch "Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte". In ihrer Hitler-Biographie hat Steinbacher vieles verkürzt. Verkürzen müssen. Zum Beispiel den Krieg mit der Sowjetunion, dessen einzelne Phasen sie nur kursorisch darstellt, obwohl dieser Vernichtungs- und Eroberungskrieg ein Kernstück von Hitlers Wahnsystem war. Dafür hat sie aber jenem Thema, das im Mittelpunkt ihrer Arbeit als Professorin an der Frankfurter Goethe-Universität und Direktorin eines Forschungsinstituts steht, einen vergleichsweise breiten Raum eingeräumt: dem Holocaust.
Knapp 20 Seiten widmet sie im Kapitel "Hybris" unter der Überschrift "Gewalt als Programm" Hitlers Vernichtungspolitik gegen Polen, sowjetische Kriegsgefangene und Zivilisten, gegen Sinti und Roma sowie gegen Behinderte und psychisch Kranke im eigenen Volk. Vor allem aber gegen die Juden, die Hitler für alles Unglück der Welt verantwortlich machte.
Steinbacher stellt fest, dass Hitler in die Verwirklichung des Mordprogramms gegen die Juden nicht eingegriffen hat. Aber er habe Anstöße gegeben, habe eine vorwärtstreibende Rolle gespielt und radikalisierende Richtungsentscheidungen getroffen. Da Himmler, der Organisator des Massenmordes, sich viele Male im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" aufgehalten habe, sei Hitler vermutlich genau über das Mordgeschehen informiert gewesen. HANS RIEBSAMEN
Hitler - Geschichte eines Diktators, Sybille Steinbacher, Verlag C. H. Beck, München 2025, 128 Seiten
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