"Schon die Nato-Intervention im Kosovo 1999 ist in der Politik- und Völkerrechtswissenschaft als fragwürdiger Präzedenzfall angesehen worden, der das spätestens mit dem Westfälischen Frieden von 1648 endgültig verabschiedet geglaubte Konzept des gerechten Krieges hat wiederaufleben lassen. Und nun die 'Operation Iraqui Freedom'? Jan-Andres Schulze unternimmt den gedanklich reizvollen und trotz aller Unterschiede in der historisch-politischen Situation angesichts der Kriegsrhetorik des amerikanischen Präsidenten nicht völlig abwegigen Versuch, das Vorgehen der Vereinigten Staaten und der 'Koalition der Willigen' gegen den Irak 2003 mit der spanischen Conquista des 16. Jahrhunderts zu vergleichen und deren Legitimität am Maßstab der in der spanischen Spätscholastik, insbesondere durch Francisco de Vitoria, voll entfalteten Lehre vom gerechten Krieg zu prüfen. Er fragt daher in einem kontrastierenden Vergleich des spanischen Zeitalters mit der Ära der Vereinten Nationen nach der legitima auctoritas, der iusta causa und der recta intentio. Durften die Vereinigten Staaten ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates Krieg führen? Waren die von ihnen angeführten Gründe valid, und darf demokratisches Sendungsbewußtsein als rechte Absicht gelten?
Gerade die Überzeugung von der eigenen moralischen Überlegenheit birgt, wie Schulze zeigt, die Gefahr einer Illegalisierung der als hostes generi humani bekämpften Feinde: Die moralische Kriegsbegründung führt zur unmoralischen Kriegführung. Die scholastische Lehre vom gerechten Krieg wandte sich gerade gegen den kreuzzugartigen Charakter der Conquista. Auch im gerechten Krieg sollte der 'gerechten Seite' nicht jedes Mittel erlaubt sein. Mag 'auf den ersten Blick der Kampf um die Übertragung des christlichen Glaubens auf die Indianer mit der weltweiten Durchsetzung der individualistischen Konzeption der Menschenrechte vergleichbar' sein, so verbietet sich doch eine 'Umdeutung der Lehre Vitorias zu einem die Gegenwart spiegelnden
, formal-säkularen Rechtsordnungsentwurf universaler Menschenrechte'. Tatsächlich, dies ist das Fazit der anregenden, wenn auch etwas feuilletonistisch geratenen Studie, bedroht nicht die Theorie des gerechten Krieges den Weltfrieden, sondern die Wiederkehr derjenigen Determinanten von Krieg und Kriegführung, die eine solche Theorie erst nötig machten." Christian Hillgruber, in: FAZ, 21.2.2006