"Für alle Frauen, die überlebt haben."
ist der Satz, den Donatella di Pietrantonio ihrem neuen Meisterwerk vorangestellt hat. Und über Frauen schreibt sie auch, erzählt, was Frauen immer noch aushalten müssen, dem Schrecklichen, das es zu bewältigen gilt.
Wie Amanda, die aus dem Dorf in den Abruzzen nach Mailand zum Studieren ging und jetzt, mitten im Lockdown verstört und schweigsam wieder in die Wohnung ihrer Mutter Lucia zurückkehrt. Dieser gelingt es nicht das Schweigen der Tochter zu durchbrechen, die Tochter geht ihr aus dem Weg, kommt kaum aus ihrem Zimmer.
Gerade jetzt fällt es Lucias Vater ein, ihr ein Stück Land zu überschreiben, das der Familie gehört. Ein Grunstück, auf dem der Vater ihrer damals besten Freundin Doralice einen Campingplatz betrieb, dessen Überreste noch stehen und auf das jetzt ein Immobilienmakler ein Auge geworfen hat, um erneut ein Touristen anlockendes Projekt zu verwirklichen.
Lucia will dieses Land nicht, denn vor fast 30 Jahren war dieses Schauplatz eines Doppelmordes, der das ganze Dorf in kollektive Schuld gestürzt und zum Verstummen gebracht hat.
Doch da mischt sich plötzlich und unerwartet Amanda ein, deren Schweigen auch eine Gewalterfahrung zugrunde liegt
Mehr will ich jetzt gar nicht verraten, denn Donatella di Pietrantonio ist eine Meisterin der Charakterzeichnung. Ganz nah kommen wir ihren eigentlich nur mit wenigen Sätzen skizzierten Darstellern und stecken sofort mittendrin in einer Geschichte über Familienbeziehungen und Entfremdung, über Schuld, Schweigen und Verschweigen und Erinnern. Über das Patriarchat, Mysogonie und Emanzipation.
Er weiß nicht, dass meine Mutter krank werden musste, um sich auszuruhen. Vorher hat ihr Mann ihr keine Pause gegönnt, er wollte sie als Mann auf dem Feld und als Frau im Haus.
Sprachlich brillant, so klar und präzise - meisterhaft! Di Pietrantonio trifft mit jedem Satz. Unbedingt lesen!
"Ich verspreche, dass ich mich in Wort und Schrift für die Rechte einsetzen werde, für die meine Generation von Frauen so hart gekämpft hat und die ich heute nicht mehr für selbstverständlich halte." Donatella Di Pietrantonio bei der Verleihung des Premio Strega