Man kann sich nur so lange vor der Wahrheit verschließen, bis sie an die Tür klopft.
1961, in der niederländischen Provinz: Seit dem Tod ihrer Mutter lebt Isabel allein in dem großen, von der Zeit gezeichneten Familienhaus. Die Tage ziehen ruhig und geordnet dahin. Doch als ihr Bruder Louis seine ungehobelte Freundin Eva bei ihr einquartiert, geraten Isabels stille Routinen ins Wanken, und das Haus, das einst Schutz und Sicherheit bot, wird zum Schauplatz unheimlicher Veränderungen. Plötzlich verschwinden Dinge und Isabel wird immer misstrauischer gegenüber Eva, die nicht das zu sein scheint, was sie vorgibt.
In der flirrenden Sommerhitze entwickelt sich eine unerwartete Anziehung zwischen den beiden Frauen, die Isabels festgefügtes Weltbild erschüttert. Die Vergangenheit, die Isabel zu verdrängen versucht hat, holt sie endgültig ein und zwingt sie, sich ihren Vorurteilen und der dunklen Geschichte des Hauses zu stellen.
In sinnlich dichter Sprache und mit subtiler Spannung erzählt Yael van der Wouden von Begierde, verdrängten Geheimnissen, unerwarteter Rache und den Abgründen, die sich hinter den Fassaden scheinbar geordneter Leben verbergen.
»Außerordentlich bemerkenswert . . . Van der Woudens Schreibstil ist elegant und präzise. « The New York Times Book Review
»Ein beeindruckendes Debüt. « The Guardian
»Intensiv und brillant geschrieben. « The Observer
»In ihrem Haus ist ein außergewöhnliches Buch, das man beinahe körperlich miterlebt. « The Wall Street Journal
»Ein gelungenes Debüt. . . Van der Woudens sinnlicher Schreibstil und ihr Gespür für Dramatik machen dieses Buch zu einem Gewinner. « Publishers Weekly
»Ein scharfsinniger, perfekt geschriebener Debütroman. « The Sunday Times
»Bewegend, verstörend und zutiefst sexy. « - Tracy Chevalier, Autorin von "Das Mädchen mit dem Perlenohrring"
»Dies ist ein intimer Roman, sorgfältig und brillant erzählt. . . Ein gelungenes Debüt. « New York Journal of Books
»In ihrem Haus ist ein Traum von einem Roman . . . hypnotisierend und schockierend . . . ich war völlig hin und weg. « Miranda Cowley Heller, Bestsellerautorin von "Der Papierpalast"
»[. . .] hochspannend, schockierend und herzzerreißend zugleich . . . « Rachel Joyce, Bestsellerautorin von "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry"
»Eine Meisterleistung in dramatischer Spannung. « The Bookseller
Besprechung vom 12.08.2025
Müssen wir wirklich noch über die Auflaufform reden?
Was in Täter- und was in Opferfamilien vererbt wird: Yael van der Wouden gibt mit dem Roman "In ihrem Haus" subtile Antwort auf ein Generationendilemma.
Egal, wie sehr man die Augen davor verschließt, eines Tages kommt die Vergangenheit wieder ans Tageslicht. In Yael van der Woudens Roman "In ihrem Haus" taucht das Vergessene gleich zu Beginn in Form einer Porzellanscherbe in einem Gartenbeet auf. Isabel nimmt diese verwundert an sich, hat sie beim geerbten Service im Haus doch bislang kein fehlendes Stück feststellen können, obwohl die Scherbe das gleiche Hasenmuster trägt wie das Erbstück in der Wohnzimmervitrine. Der Fund markiert den Beginn, von dem an Isabels Welt ins Wanken gerät.
Zuvor war das Leben der jungen Frau von Routinen bestimmt. Nach dem Tod ihrer Mutter bewohnte sie das etwas abgelegene Haus mit dem großen Garten allein. Sie ging nicht gern aus, blieb lieber für sich. Nur wenn ihre Brüder zu Besuch kamen, ließ sie sich überreden, die schützenden vier Wände zu verlassen. Es ist das Jahr 1961, draußen drückt der Sommer, Isabels Generation verbringt ihn am Wasser und beim Tanz. Die Niederlande haben sich aus der grauen Nachkriegszeit herausgearbeitet; bei denen, die während der Kriegstage noch Kinder waren, verblassen die Erinnerungen an den Fliegeralarm und die Flucht aufs Land langsam. Isabel meint, zufrieden mit ihrem Leben zu sein.
Dann taucht eines Tages der älteste Bruder auf und will seine Freundin Eva im Haus einquartieren, weil er länger auf Dienstreise ins Ausland muss. Der Gedanke gefällt Isabel zunächst überhaupt nicht. Da das Haus ihr aber eigentlich nicht gehört und sie auf die Duldung durch den Bruder angewiesen ist, um ein Dach überm Kopf zu haben, kommt sie seinem Wunsch nach. Sobald die Gleichaltrige Quartier bezogen hat, beginnen Gegenstände zu verschwinden. Mal vermisst Isabel einen Löffel, mal ein Messer, auch eine Schale fehlt, als sie Inventur hält. Hat das Hausmädchen sie entwendet? Oder nimmt der Gast Dinge an sich?
Die junge niederländische Autorin Yael van der Wouden gliedert ihren Debütroman, der es nach Erscheinen direkt auf die Shortlist des Internationalen Booker-Preises geschafft hat, in drei Teile, wechselt dabei die Perspektiven, nähert sich erst langsam und ausführlich ihrer Protagonistin Isabel, um dann den Blickwinkel zu verschieben und das Geschehen noch einmal aus der Sicht des Gastes, aus Evas Blickwinkel also, zu schildern. Dafür nutzt sie die Form eines Tagebuchs - stilistisch eine kluge Wahl, auch um offene Fragen im Plot geschickt zu beantworten.
Der erste Teil widmet sich also Isabel und der fast symbiotischen Beziehung, die sie im Lauf der Jahre mit dem Haus eingegangen ist. In Isabels Kopf wird das Gebäude lebendig, die Gegenstände darin beginnen mit ihr zu reden, begrüßen sie, wenn sie zu lange weg war: "Da bist du ja, sagte das schummrige Küchenlicht, das sie extra angelassen hatte. Ich habe auf dich gewartet, klackte der Schlüssel in der Tür." Und etwas später beobachtet sie: "Drinnen brannte ein einzelnes schwaches Licht. Alles wirkte friedlich, reglos, als hätte das Haus sich schlafen gelegt und nur versehentlich die eine Lampe angelassen." Diese enge Beziehung zum Haus nutzt van der Wouden gleich als doppelte Metapher. Zum einen bildet sie das Fundament, von dem aus die Autorin das sensible Thema der Enteignungen von jüdischen Menschen während des Zweiten Weltkriegs behandelt. Zum anderen dient das Haus ganz symbolisch als Schutzpanzer für die Protagonistin. So wie das Innere der Räume durch das Eintreffen des Gastes ins Chaos stürzt, so gerät auch Isabels Innenleben ins Wanken. Eva ist dafür der Katalysator. Denn unter der Ablehnung gegenüber der Fremden versteckt sich zugleich die Faszination, aus der sich langsam ein Begehren entwickelt, das die junge Frau lange unterdrücken konnte.
Das langsame Entblößen der intimen Sehnsüchte lässt van der Wouden parallel zum Aufdecken der größeren Familiengeheimnisse laufen. Denn die Schatten des Zweiten Weltkriegs kriechen eben doch aus jedem Winkel, und was die Eltern dachten, unter den Teppich kehren zu können, müssen die Kinder nun aufräumen. Die Autorin, die selbst in einer jüdischen Familie in den Niederlanden aufwuchs, wollte, so erzählte sie im Gespräch mit dieser Zeitung, die Perspektive der Menschen einnehmen, mit denen sie während ihres Aufwachsens am meisten zu tun hatte, jenen, die die Erinnerung an die schrecklichen Dinge verdrängt haben. In ihrem Roman ist es Eva, die irgendwann ruft: "Ist das nicht seltsam? Niemand in diesem Land scheint irgendetwas zu wissen: Niemand weiß, wo sie wohnen, wer was getan hat, wer wohin verschwunden ist. Alles ein großes Geheimnis. Wissen ist flüchtig."
Das Thema der Enteignung wird dabei zunächst ganz subtil eingeführt. Eine Tante beklagt sich bei Isabel darüber, dass eine Nachbarin eine Auflaufform wiederhaben wollte, die sie ihr vor dem Krieg gegeben hatte ("Tante Rian fand, nach fünfzehn Jahren könne man das leidige Thema doch wohl auf sich beruhen lassen"). Natürlich ist es mit einer Auflaufform nicht getan, das Problem, um das es hier geht, ist viel größer. Van der Wouden stellt in ihren beiden Frauenfiguren die Nachkommen von Täter- und Opferfamilien gegenüber und zielt auf die größere Frage ab: Wie kann man mit dem Unrecht, das die Eltern verantwortet haben, umgehen? Der Roman findet darauf eine erstaunlich hoffnungsvolle Antwort. MARIA WIESNER
Yael van der Wouden:
"In ihrem Haus". Roman.
Aus dem Englischen
von Stefanie Ochel.
Gutkind Verlag,
Berlin 2025.
320 S., geb.
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