»Wie kaum einem anderen gelingt es Ulrich Speck, die globalen Dynamiken zu durchschauen und auf den Punkt zu bringen. Seine Analyse macht deutlich, was in den kommenden Jahren für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik von entscheidender Bedeutung sein wird. « Carlo Masala, Professor für internationale Politik, Universität der Bundeswehr, München
Wie die Allianz der Diktatoren Putin und Xi Jinping die Freiheit bedroht
Die sicherheitspolitische Weltlage gleicht einem Pulverfass - während Russland seit 2014 in der Ukraine einen Krieg führt, rasselt China im Südpazifik mit den Säbeln. Gleichzeitig droht im Nahen Osten auch der Konflikt zwischen Iran und Israel vollends zu eskalieren. Der renommierte Experte für Außen- und Sicherheitspolitik Ulrich Speck zeigt in seinem politischen Sachbuch, dass die Eskalation der Weltlage kein Zufall ist, sondern gezielt von zwei revisionistischen Weltmächten vorangetrieben wurde. Er zeichnet nach, wie Russland und China seit Jahrzehnten eine gemeinsame Agenda verfolgen, um die westlich-freiheitliche Weltordnung zu überwinden. Der Westen reagiert darauf bisher mit Verunsicherung - doch wenn nicht einen entschlossenen machtpolitischen Kurswechsel vollzogen wird, stehen uns dunkle Zeiten bevor.
»Wir sehen Veränderung, wie wir sie seit 100 Jahren nicht erlebt haben. Und wir sind diejenigen, die diese Veränderungen vorantreiben. « Xi Jinping bei einem gemeinsamen Auftritt mit Vladimir Putin
Besprechung vom 10.06.2025
Bei Putin und Xi sitzt Trump immer mit am Tisch
Ulrich Speck analysiert das Mächtedreieck zwischen Russland, China und den USA
Fehlt da nicht jemand? Auf dem Cover des neuen Buchs von Ulrich Speck geben sich Wladimir Putin und Xi Jinping die Hand. Aber wo ist Donald Trump? Fehlt ihm der Wille zur Weltmacht, den Speck sowohl dem russischen als auch dem chinesischen Präsidenten bescheinigt? Und attackieren allein Russland und China die freiheitliche Ordnung? Oder nicht nun auch die Vereinigten Staaten in der zweiten Präsidentschaft von Trump? Wird in Washington jetzt nicht noch konzentrierter und orchestrierter fortgesetzt, was Trump bereits 2017 begonnen hatte?
Apropos 2017: Speck ruft in Erinnerung, dass Trump damals im Juli vom amerikanischen Kongress bei seinem Vorhaben gestoppt wurde, einen Deal mit Putin zu machen und die Ukraine an Russland "auszuhändigen". Der Kongress habe sich auch dafür eingesetzt, die Ukraine militärisch mehr zu unterstützen in ihrem immer wieder aufflackernden Krieg im Donbass. Verteidigungsminister Jim Mattis und Außenminister Rex Tillerson hätten Trump gedrängt, der Ukraine erstmals tödliche Waffen zu schicken, was Barack Obama noch verweigert hatte. Und in der Tat stimmte Trump schließlich dem Verkauf von Waffen im Wert von 47 Millionen Dollar zu, darunter Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin, die - seit Russlands Vollinvasion der Ukraine 2022 zu Tausenden geliefert - bis heute den angreifenden russischen Verbänden schwere Verluste zufügen.
Speck, langjähriger und hoch angesehhener Analyst internationaler Politik und Geostrategie mit Stationen in namhaften Denkfabriken in Berlin, Brüssel, Prag und Washington, ordnet die gegenwärtige Dynamik im Dreiecksverhältnis von Putin, Xi und Trump überaus erhellend in die jüngste Zeitgeschichte ein: Für viele Jahre hätten die Herrscher in Russland und China ihre wahren Absichten verbergen oder zumindest hinter dem Mantel der glaubwürdigen Abstreitbarkeit verstecken müssen, weil sie sich noch nicht stark genug gefühlt hätten, den Kampf gegen die übermächtigen Vereinigten Staaten von Amerika aufzunehmen.
Das sei vorbei. Im Kalkül der Machthaber in Moskau und Peking seien die USA und ihre Verbündeten schwächer geworden, und sie selbst hätten an Stärke gewonnen. Die Schuldenkrise von 2008, die erste Wahl Trumps, der Austritt Großbritanniens aus der EU - all diese krisenhaften Momente in der westlichen Welt würden als Zeichen von Dekadenz und Verfall des Westens gesehen.
Was dieser wiederum in jenen Jahren weitgehend übersehen, ja ignoriert habe, wie Speck urteilt, sei die Ebene des Systemkonflikts - dass es für das schiere Überleben der herrschenden Eliten in Russland und China zentral sei, demokratische Bedrohungen auszuschalten - und dass sie diese Bedrohungen mit der Macht des Westens, insbesondere der USA, gleichsetzten.
Wenigstens auf amerikanischer Seite ist nach Specks Wahrnehmung dann in den 2000er-Jahren die Skepsis gegenüber Putin gewachsen. Doch zugleich habe man Russland als einen Akteur von weltpolitischer Bedeutung mit hohem Störpotential gesehen, den man mit einem gewissen Maß an Aufmerksamkeit zumindest einigermaßen kooperationswillig halten könne.
Wohltuend weist Speck darauf hin, dass Moskau immer wieder erlebt habe, dass neu gewählte amerikanische Präsidenten die Beziehung mit einem "reset", einem Neuanfang, neu und positiv gestalten wollten: Obama, Trump und Biden hätten allesamt zu Beginn ihrer Amtszeit darauf gehofft, dass es ihnen mithilfe ihrer persönlichen Beziehung zu Putin gelingen könne, den russischen Präsidenten doch auf das Gleis der Zusammenarbeit zu setzen.
Die Nationale Sicherheitsstrategie der Trump-Administration vom Dezember 2017 erscheint rückblickend dann deutlich realistischer. Die führenden außen- und sicherheitspolitischen Akteure im damaligen Trump-Team setzten auf einen Paradigmenwechsel in den Beziehungen zu Moskau und Peking. In ihren Augen war das Konzept der Partnerschaft im Verhältnis zu China und Russland gescheitert. Sie sahen die Welt als von Wettbewerb geprägt. Sie bezeichneten China und Russland als "revisionistische Mächte", die Amerikas Macht, Einfluss und Interessen herausfordern würden, die versuchten, Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu schwächen, die entschlossen seien, die Wirtschaft weniger frei und weniger fair zu machen, ihre Streitkräfte zu vergrößern und Information wie Daten zu kontrollieren, um ihre Gesellschaften zu unterdrücken und ihren Einfluss zu erhöhen.
Die Folge war nicht zuletzt ein Bruch in der amerikanischen Chinapolitik, wie ihn Speck treffend beschreibt: Amerika habe sich fortan von der Strategie der Integration Chinas in Weltwirtschaft und Weltpolitik verabschiedet. Erstmals seit den 1970er-Jahren - seit Richard Nixons Chinabesuch - habe eine amerikanische Regierung weder eine kooperative Beziehung mit Peking angestrebt noch auf Engagement gesetzt. Stattdessen sei nun das Ziel in den Vordergrund getreten, Chinas Zugang zu Spitzentechnologie zu blockieren, um seinen Aufstieg zu begrenzen.
Diese Bemühungen wurden nach Trumps erster Präsidentschaft von Bidens Administration nicht nur fortgesetzt, sondern ausgebaut, wie Speck unterstreicht. Denn es gehe Washington darum, zu verhindern, dass Chinas Volksbefreiungsarmee, in die Xi massiv investiere, technologisch mit den amerikanischen Streitkräften gleichziehe oder sie sogar noch überhole - zumal das chinesische Militär bereits heute als eine der größten und mächtigsten militärischen Kräfte der Welt gilt.
Allerdings waren die Hardliner in Trumps erster Amtszeit nur eine Fraktion innerhalb der Regierung, die um das Ohr des Präsidenten konkurrierte. Bei Speck kann man noch einmal nachlesen, wie Außenminister Mike Pompeo und der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Matt Pottinger für eine härtere Linie plädierten, während Handelsminister Wilbur Ross die Handelsbeziehungen zu China sogar noch vertiefen wollte. Speck bringt es auf die Formel: "Die Wall Street stand gegen das Pentagon, das Interesse vieler großer amerikanischer Unternehmen am China-Geschäft gegen die Si-cherheitsbedenken der Außenpolitiker und des Militärs."
Mit Blick auf die Eskalation in der amerikanischen Chinapolitik seit Beginn von Trumps zweiter Präsidentschaft sollte man im Hinterkopf behalten, was Speck aus der ersten Amtszeit berichtet: Damals sei das Ergebnis ein permanentes Ringen gewesen. China-Skeptiker hätten darauf gedrungen, den Transfer von Technologie an China zu beschränken, und hätten damit immer wieder Erfolg gehabt. Im Konflikt über den Umgang mit dem chinesischen Telekommunikationsanbieter Huawei etwa habe sich das Finanzministerium gegen den umfassenden Bann im 5G-Netz ausgesprochen, aber die Auseinandersetzung verloren.
Bedenkenswert erscheint bei der Beobachtung von Trumps heutigem Verhalten, dass damals er selbst keine klare Li-nie zu verfolgen schien. Speck zitiert den damaligen Sicherheitsberater John Bolton, dem zufolge Trump so weit gegangen sei, in einem Telefonat mit Xi im Juni 2019 den chinesischen Präsidenten darum zu bitten, ihm bei den nächsten Präsidentschaftswahlen zu helfen, etwa durch den Kauf von amerikanischen Agrarprodukten.
Im Januar 2020 unterzeichnete Trump schließlich ein Handelsabkommen, das den von ihm in Gang gesetzten Handels-krieg mit China beendete - zumindest vorerst. Peking hingegen hielt sich nicht an das Versprechen, zusätzliche Importe aus den USA nach China im Wert von 200 Milliarden Dollar zu ermöglichen, wie Speck festhält.
Heute wirkt es so, als habe Trump hier noch eine Rechnung offen - im wahrsten Sinne des Wortes. Es fehlt also etwas und nicht jemand im geopolitischen Bermudadreieck zwischen China, Russland und den USA. Bei Putin und Xi sitzt Trump immer mit am Tisch - manchmal sichtbar, manchmal unsichtbar. THOMAS SPECKMANN
Ulrich Speck: Der Wille zur Weltmacht. Wie Russland und China die freiheitliche Ordnung attackieren.
Droemer Verlag, München 2025. 256 S.
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