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Produktbild: Haus zur Sonne | Thomas Melle
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Haus zur Sonne

Roman | Shortlist Deutscher Buchpreis 2025

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Nach seinem weltweit beachteten Buch »Die Welt im Rücken«, in dem er sein Leben mit bipolarer Störung literarisch brillant verarbeitet hat, legt Thomas Melle nun einen Roman vor, der die Grenzbereiche zwischen Autobiografie und Fiktion, zwischen Sehnsucht und Depression und letztlich zwischen Leben und Tod weiter auslotet.

Wie viel Selbstbestimmung ist möglich, wenn das Leben von einer psychischen Krankheit fremdgesteuert ist? Wonach sehnt sich einer, der nichts mehr zu verlieren hat? Und wie könnte es aussehen, das letzte Glück? Willkommen im »Haus zur Sonne«, einer Institution, die zugleich Wunscherfüllungsmaschine wie Abschaffungsapparat ist. Lebensmüde und todkranke Menschen liefern sich in diese vom Staat finanzierte Klinik ein, um jeden nur erdenklichen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen und dann - ohne großes Aufsehen - aus dem Leben zu scheiden. Aber will, wer nicht mehr leben will, wirklich sterben?

Thomas Melle geht unseren Sehnsüchten und Todestrieben auf den Grund und liefert so eine radikale Skizze der Conditio humana.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
14. August 2025
Sprache
deutsch
Auflage
2. Auflage
Seitenanzahl
320
Autor/Autorin
Thomas Melle
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
414 g
Größe (L/B/H)
206/130/33 mm
ISBN
9783462004656

Portrait

Thomas Melle

Thomas Melle, 1975 geboren, studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie in Tübingen, Austin (Texas) und Berlin. Er ist Autor vielgespielter Theaterstücke und übersetzte u. a. William T. Vollmann und Quentin Tarantino ins Deutsche. Sein Debütroman »Sickster« (2011) war für den Deutschen Buchpreis nominiert und wurde mit dem Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet. 2014 folgte der Roman »3000 Euro«, 2016 »Die Welt im Rücken«, die beide auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis standen. »Die Welt im Rücken« wurde zudem in 22 Sprachen übersetzt. Thomas Melle lebt in Berlin.


Pressestimmen

»Melles neuer Roman ist der Beweis, dass literarischer Hardcore auch mit leisen Tönen gespielt werden kann. « Yannic Walter, taz

»Spektakulär« Tobias Rüther, FAS

»Ein vertracktes Meisterwerk. Die Lektüre wird einen lange nicht, vielleicht nie wieder loslassen. « Jan Wiele, FAZ

»Nichts weniger als ein gewaltiges literarisches und persönliches Experiment. « Xaver von Cranach, Der Spiegel

»Thomas Melle verfügt über eine feinfühlige Wucht im Beschreiben seines Leidens. « Michael Wurmitzer, Der Standard

»Eine literarische Meisterleistung« Christian Rein, Aachener Zeitung

»Thomas Melle hat einen grandios wilden Roman über unsere Depressionen und Sehnsüchte geschrieben. « Jolinde Hüchtker, Die Zeit Literatur

»Aus der Dunkelheit formt Melle Sätze von seltener Klarheit. Das ist große Literatur. « WDR Westart

»Literatur als gnadenlos ehrliche Selbstoffenbarung dieser Roman wirkt lange nach. « Stadtmagazin 07 (Jena und Umgebung)

»Genial. « Carsten Schrader, Kulturnews

»Ein schonungsloser Blick in eine psychisch kranke Seele. « Der Tagesspiegel

»Thomas Melle findet Worte für eine seelische Verfasstheit, die von Ohnmacht und Sprachlosigkeit gekennzeichnet ist. « Hartmut Horstmann, Westfalen-Blatt

»Trotz der Schwere des Themas, die keineswegs herabgesetzt wird, liest das Buch sich leicht. Melle erzählt nüchtern und wahrscheinlich gerade deshalb so realistisch von der Depression und der Todessehnsucht. « Anna Batscheider, Südwest Presse

» Haus zur Sonne lässt uns den depressiven Tran in all seinem Schrecken, in all seinen Loops durchwaten - und nimmt doch eine unerwartete Wendung. « Knut Cordsen, NDR Kultur

»Dafür eine Sprache gefunden zu haben, das macht den Roman, der auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis steht, zum Meisterwerk. « Uwe Sauerwein, Berliner Morgenpost

»Der Erzähler ist am Ende noch nicht fertig mit Erzählen. Das muss ein Hoffnungszeichen sein. « Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau

»Es ist ein schwerer Gang durch die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche, den man mit Melle unternimmt. Doch am Ende sieht man vieles klarer. « ORF Fernsehsendung »Zeit im Bild«

»Ein Roman, der dem eigentlich Unsagbaren einen Begriff verleiht, dem Rätselhaften eine Deutung gibt und dem Leiden ein Erlösungsversprechen gegenüberstellt. « Jan Drees, Deutschlandfunk Büchermarkt

»Dieser Roman hat etwas Niederschmetterndes, Gnadenloses, in all seiner Vergeblichkeit. Aber er ist eben auch sehr ehrlich. « Knut Cordsen, Saarländischer Rundfunk

»Der Autor stellt hier auf präzise und vielschichtige Weise Fragen an das Leben selbst, die jeden mitnehmen. Auch über die Lektüre hinaus. « Patrick Wildermann, Galore

»Eine extreme Lektüre« Hubert Winkels, Süddeutsche Zeitung

Besprechung vom 16.08.2025

Beten, dass das Fiktion ist

Immer wenn man denkt, Thomas Melles Sterbewunsch-Roman "Haus zur Sonne" sei nicht mehr auszuhalten, kippt er ins phantastisch Lustige: ein vertracktes Meisterwerk.

Obsessiv beschäftigt sich ein Literaturbetrieb, der es besser wissen müsste, in den letzten Jahren wieder mit einer Frage, die man für überwunden hielt: Ist das eigentlich autobiographisch? Angesichts des viel beachteten Depressionsbuchs "Die Welt im Rücken" von Thomas Melle freilich, das 2016 erschien, musste sie gar nicht mehr gestellt werden, denn es war schon vom Verlag ausgewiesen als "autobiographisch radikal", als "Chronik" - und wurde zu einem Schaustück der seither nicht nachlassenden "Memoir"-Mode.

Auf Melles neuem Buch "Haus zur Sonne" steht nun "Roman", aber schon nach wenigen Seiten wähnt man sich in einer Fortsetzung der Chronik, zumal darin von "meinem damaligen Buch über meine bipolare Störung" die Rede ist. Und hofft, ja betet doch bald, dass das, was man gerade liest, Fiktion ist.

Man hofft es nicht nur angesichts der titelgebenden sonderbaren Institution (denn dieses "Haus zur Sonne" ist eine Einrichtung, in der einem sämtliche Wünsche erfüllt werden unter einer Voraussetzung: dass man danach sein Leben beendet). Sondern man hofft es auch angesichts fast jedes Satzes, weil die von einer Bitternis zeugen, die kaum auszuhalten ist. Dieses Buch ist eine 316 Seiten lange Triggerwarnung.

Sein Erzähler ist von allen guten Geistern verlassen, von den meisten ihm früher nahestehenden Menschen sowieso. "Ich war einsam und würde es bleiben. Ich hatte so viel verloren, dass es keinen Sinn mehr hatte, etwas zurückgewinnen zu wollen. Wenn ich mich mit jemandem traf, spielte ich ihm die Rumpfversion des Menschen vor, der ich einmal gewesen war. Mehr ging nicht." Vom Ich-Verlust ist die Rede, und doch äußert das sich aussprechende Ich auf immer neue Weise seinen Wunsch zu sterben.

Am schwersten auszuhalten ist, wie besonnen dieser Erzähler nach einer lange andauernden Phase heftigster Manien und Psychosen trotz gewisser Besserung über sein scheinbar unausweichliches Ende spricht: "Je besser es mir aber ging, desto rationaler und nüchterner traten paradoxerweise die suizidalen Gedanken hervor. Sie waren nicht mehr nur der Verzweiflung gedankt, sondern auch der Vernunft."

Was kann noch kommen, wenn solche Sätze schon zu Beginn eines Buches stehen? Das eben ist die Überraschung: Es entwickelt Spannung und - ja - auch Humor.

Spannung zunächst angesichts der Frage, wie der Erzähler, "pleite und bald wohnungslos", ein "Messie ohne Masse", der auf der ersten Seite die Zusage zur Aufnahme ins "Haus zur Sonne" per Post erhalten hat, dies seinem verbliebenen Umfeld vermittelt. Er wird gebeten, es als Rehabilitationsmaßnahme in einem Sanatorium zu kaschieren. Spannung und Verwunderung auch bei der Beschreibung dieser Einrichtung, auf deren Broschüre der Erzähler beim Arbeitsamt stößt: Ein "Pilotprojekt zur Lebensverbesserung, Traumverwirklichung, Selbstschaffung" soll das sein, gesponsert vom Bundesministerium für Wirtschaft. Als er dessen Räumlichkeiten erstmals betritt, begegnet er einer Empfangsdame wie aus einem Film von François Ozon, einem "Doktor von Radowitz" mit dem "Gesicht eines gealterten Schönlings" und findet einen Bildband über Lars von Trier als "Coffee Table Book" (!) im Warteraum.

Dass das wie Satire wirkt, sieht der Erzähler selbst - um dann aber zu behaupten, es sei die Wirklichkeit. Trotzdem biegt das Buch direkt danach ins Phantastische ab: in eine Welt, die an Science-Fiction-Erzählungen wie "A Clockwork Orange" und "Die Frauen von Stepford", vielleicht auch an solche von Michel Houellebecq oder Christian Kracht denken lässt.

In einem Komplex aus Bungalows rund um einen großen Betonklotz mitten in der Pampa und fern von jedem Handynetz befinden sich weitere Lebensmüde in der absurden Therapie zum Tode. Ihre bislang unerfüllten Wünsche werden ihnen per maßgeschneiderten Halluzinationen erfüllt, mithilfe geheimnisvoller Technik und auch unter Einsatz psychoaktiver Pilze: Jemand spielt plötzlich meisterhaft Violine oder führt Friedensverhandlungen von globaler Bedeutung. Der Erzähler jedoch ist gelangweilt von solchen Klischeevorstellungen und teilt der Leitung bald mit, er sei "hier nicht richtig". Er kenne doch aus seinen Manien schon die "abgefahrensten Szenarien: der Messias sein, weltberühmt sein, verfolgt von Geheimdiensten". So was sei ihm längst zur Wirklichkeit geworden. Wonach ihm denn dann der Sinn stehe, wird der Patient gefragt. Die Antwort: "Sterben, wie immer." An diesem Punkt ist es Melle tatsächlich gelungen, seinem tiefschwarzen Thema Situationskomik abzugewinnen.

Also erst mal sterben lernen in der Halluzination? "Ein Amokläufer kommt, allein für mich. (. . .) Ich bin eine Biene im Bernstein, ein Hai in Formaldehyd." Das verspricht endlich Frieden - doch dann wacht der Patient wieder auf. Es reicht ihm, er will die Institution verlassen. Da wird es unheimlich: Er könne gar nicht gehen, wird ihm mitgeteilt. Er habe ja unterschrieben.

Darf oder muss man hier auch noch Kafka ins Spiel bringen? So ganz fern läge das nicht, aber Melle passt noch eher in eine jüngere literarische Tradition, in die er sich mit diesem Buch einschreibt und dann auch wieder aus ihr heraus: Neben großen Krankheits- und Wahnromanen wie etwa Bernward Vespers "Die Reise" (1977) oder Clemens Setz' "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" (2015) nimmt "Haus zu Sonne" sich zwar kürzer aus, aber nicht weniger gewichtig. Wie bei jenen Büchern wird einen auch hier die Lektüre lange nicht, vielleicht nie wieder loslassen.

Dabei bäumt sich der vorliegende Roman immer stärker gegen den ihm eingeschriebenen Fatalismus auf - erst in der beschriebenen Volte zur Science-Fiction mit humoristischer Note, dann in einer zur Metafiktion, in welcher der Erzähler auf Simulations-Trips seine eigene Lebens- und Werkgeschichte neu durchspielen kann: "Ich schreibe ein Stück über einen ewigen Junggesellen, der sich mit jeder Affäre weiter auflöst." Eine weitere Volte ist die zur Satire auf die Gesellschaft der Selbstoptimierungen. Im "Haus zur Sonne" soll man sich nämlich fortlaufend simulativ verbessern, um endlich sterben zu können - in einer Abwandlung Neil Postmans könnte sein Programm also lauten: "Wir optimieren uns zu Tode."

Je drastischer die Simulationen werden (Sexorgien, aufgefräster Schädel), desto stärker scheint der Roman zu schwanken zwischen der aufscheinenden Möglichkeit einer Heilung mittels Fiktionen und völliger Hoffnungslosigkeit, weil selbst die wildesten davon schon abgenutzt scheinen. Die dramatische Zuspitzung zum Ende hin aber könnte, indem sie die Leser doch noch fiebernd auf eine Rettung hoffen lässt, den schönsten denkbaren performativen Widerspruch erzeugen: ein an "Tausendundeine Nacht" erinnerndes Erzählen zum Überleben, mitten in einem Todesbuch. JAN WIELE

Thomas Melle:

"Haus zur Sonne".

Roman.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2025.

316 S., geb.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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Von Starlight.of. Books am 30.09.2025
Das Haus zur Sonne von Thomas Melle ist keine leichte Lektüre, denn es geht um Depressionen, Todessehnsucht und psychischen Erkrankungen. Das Buch steht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis und als ich davon gehört habe, war ich sehr gespannt auf die Geschichte. Wir lernen den depressiven Protagonisten kennen, der nach zwei Jahren manisch depressiver Phase mit seinem Leben abgeschlossen hat. Ihm erscheint seine Situation aussichtslos und so begibt er sich in Das Haus zur Sonne das ist eine staatliche Einrichtung, in der Menschen aufgenommen werden die ihr Leben endgültig beendet möchten. Das besondere am Haus zur Sonne ist, das vor dem Tod alle Wünsche, mit Hilfe von virtuellen Simulationen, erfüllt werden. Mich hat die Geschichte sehr berührt und ich hatte großes Mitleid mit dem Protagonisten, es ist allerdings auch interessant und aufschlussreich, denn man bekommt einen guten Einblick in das Leben und die Gedanken von Menschen mit manischen Depressionen und psychischen Erkrankungen. Das Haus zur Sonne ist bestimmt der tiefgründigste Roman den ich dieses Jahr gelesen habe und der mir sicher noch einige Zeit im Gedächtnis bleibt, da er zum nachdenken anregt. Ich drücke Autor Thomas Manne die Daumen für den Deutschen Buchpreis.
Von Monsieur am 21.09.2025

Sterben oder leben

Thomas Melle hat sich längst mit seinen stark autobiografisch geprägten Büchern in der deutschsprachigen Literaturlandschaft etabliert. Mit Haus zur Sonne erreicht dieses Schaffen nun einen neuen Höhepunkt, in dem persönliche Erfahrungen und fiktionale Elemente zu einer intensiven Darstellung psychischer Erkrankung, insbesondere der Depression, verschmelzen. Im Zentrum steht eine staatlich finanzierte Klinik, die Menschen, die an Depressionen und einer tiefen Todessehnsucht leiden, einen kontrollierten Ausstieg aus dem Leben ermöglicht. Dieser geschieht nicht abrupt, sondern auf einem Weg, der durch Halluzinationen begleitet wird. In diesen Visionen erfüllt sich den Patientinnen und Patienten eine Art letzte Wunschwelt, die ihnen eine scheinbare Alternative zur unerträglichen Realität eröffnet. Melle verknüpft diesen Rahmen mit den eigenen inneren Abgründen, die er seit Jahren literarisch bearbeitet. Von Beginn an werden die Leser in eine Atmosphäre gezogen, die von Schwere und Düsternis geprägt ist. Das Grau, das den Erzähler umgibt, spiegelt sein letztes Kapitel im Ringen mit der manischen Depression wider. Schon früh entfaltet sich eine Sogwirkung: Die plastische Schilderung des inneren Chaos, der schmerzhaften Gedanken und der quälenden Isolation wirkt beklemmend, beinahe erdrückend. Melle gelingt es, den schmerzhaften Prozess des Krankseins nicht nur zu beschreiben, sondern fühlbar zu machen. Dabei wird deutlich, dass die Depression längst nicht mehr nur ein innerer Kampf ist, sondern auch in der äußeren Welt Spuren hinterlässt sei es durch Entfremdung, den Verlust sozialer Nähe oder den Abbau intellektueller Fähigkeiten. Präzise und schonungslos offen entfaltet Melle in diesem Roman sein Innenleben. Trotz der Nähe zum Autobiografischen bleibt der Text auf einer universellen Ebene lesbar. Die persönliche Erfahrung wird zu einem Sinnbild für ein weit verbreitetes Lebensgefühl, das sich in unserer Zeit verstärkt zeigt: ein Weltschmerz, der nicht individuell bleibt, sondern auch gesellschaftliche Relevanz besitzt. So sehr die Geschichte von Hoffnungslosigkeit getragen wird, so blitzen dennoch immer wieder Momente des Lichts auf. Besonders im letzten Teil öffnet sich der Roman einer Haltung, die dem Leben neu begegnet vorsichtig, tastend, aber spürbar positiv. Haus zur Sonne ist somit nicht ausschließlich ein Buch über Verzweiflung, sondern auch eines über die Möglichkeit, trotz allem weiterzugehen. Vergleichbare Werke gibt es viele, doch selten gelingt eine solche Verbindung aus Offenheit, Reflexion, literarischem Anspruch und menschlicher Tiefe. Melle bleibt nah bei sich, erweitert aber den autobiografischen Blick zu einer Darstellung, die über das Persönliche hinausweist. Damit gelingt es ihm, die Auseinandersetzung mit Depression auf eine künstlerische Ebene zu heben, die sowohl berührt als auch reflektieren lässt. Die Parallelen zu Thomas Manns Der Zauberberg sind unverkennbar sowohl in der abgeschlossenen Welt der Klinik als auch in der Darstellung der Unfähigkeit, im normalen Leben zu bestehen. Wo Heinz Strunk 2024 mit seinem Versuch einer modernen und bereichernden Neufassung des Klassikers scheiterte, überzeugt Melle gerade durch die Abwesenheit von Imitation. Haus zur Sonne sucht nicht nach Effekten, sondern wagt einen radikalen, ehrlichen Zugang zu einem schweren Thema, der mit den Anforderungen unserer modernen Gesellschaft harmonisiert. Der Roman ist knapp genug gehalten, um nicht ins Überbordende zu geraten, aber dicht genug, um die Wucht der Gefühle zu transportieren. Glaubwürdigkeit und literarische Qualität gehen hier Hand in Hand. Für Betroffene kann das Buch Orientierung bieten, für die Literatur ist es ein ernstzunehmender Beitrag, der nachdrücklich in Erinnerung bleibt. Für mich zählt Haus zur Sonne in jedem Fall zu den stärksten Kandidaten für den Deutschen Buchpreis.