Na gut, ich gebs zu: Ich dachte, Bis die Sonne scheint von Christian Schünemann wäre so eine dieser biederen Kindheitsrückblick-Romanchen mit Sepiafilter im Kopfkino. Falsch gedacht! Dieses Buch hat mich mit einem Schulterzucken in die 80er geschubst mitten hinein in Daniels Welt, wo die Tapete muffelt, das Geld nie reicht und die Eltern trotzdem die perfekte Vorstadtfassade polieren, als hätten sie nix Besseres zu tun. Herrlich absurd und irgendwie tragikomisch.
Daniel, kurz vorm Erwachsenwerden, träumt von Flanell und Samt (ja, Samt!), während um ihn herum das finanzielle Kartenhaus dramatisch, aber mit Anstand in sich zusammenfällt. Die Hormanns sind so broke, dass es weh tut aber so charmant in ihrem Untergang, dass ich stellenweise laut lachen musste. Die Szene mit dem Gerichtsvollzieher? Gold wert! Und doch, zwischen all dem Chaos, dem Bangen, dem kleinen Jungen mit dem großen Traum, schimmert etwas aufrichtig Menschliches durch.
Was Schünemann richtig gut kann: Er macht Armut nicht zur Betroffenheitsnummer, sondern zeigt sie mit Witz, Wärme und einer Prise gepflegtem Wahnsinn. Der Ton ist schnodderig, aber herzlich, und man will ständig rufen: Daniel, halt durch, irgendwann scheint die Sonne wirklich! Stilistisch irgendwo zwischen Retro-Fernsehspiel und literarischem Kammerspiel nicht zu dick aufgetragen, aber immer mit Gefühl für Timing.
Ein kleiner Wermutstropfen? Am Ende hätte ich gern noch ein bisschen mehr Auflösung gehabt, ein bisschen mehr Zukunftsblitzlicht. Aber vielleicht gehört genau das zum Charme: Dass man sich selbst ausmalen darf, wie es weitergeht. Alles in allem: Vier von fünf knisternden Fünfmarkscheinen! Wer gerne schmunzelt, den Kopf schüttelt und sich fragt, wie man mit Nichts so viel erzählen kann der ist hier goldrichtig.