Mit seinem Kriminalroman "Der Tote im Kamin" hat Denzil Meyrick einen wunderbaren tiefgründigen und vielschichtigen Kriminalroman erschaffen. Der Schauplatz befindet sich in den North York Moors im verschlafenen Ort Elderby, in welchen Frank Grasby strafversetzt wird und eigentlich nur ein paar Diebstähle aufklären soll.
Aber es kommt alles anders, als der 38-jährige jemals erwartet hätte. Er bekommt es mit dem Adel zu tun, muss mehrere Morde aufklären, ist bei einer mysteriösen älteren Frau untergebracht, die stets einen schwarzen Raben auf der Schulter trägt und behauptet, in die Zukunft sehen zu können.
Um die Geschichte, die im Jahr 1952 spielt, besser einordnen zu können, muss man wissen, dass die meisten Männer zu der Zeit im Krieg gekämpft haben. Diejenigen, die überlebt haben, leiden noch an den Folgen, Verletzungen und Traumata des Krieges. Jede Menge geheime Bündnisse, Intrigen und Verschwörungen spielen immer noch eine Rolle. Die internationale Politik ist ein schmutziges Geschäft und auf beiden Seiten des Atlantiks herrscht eine schlechte Stimmung. Daraus resultierende Lebensmittelrationierungen, die auf die Stimmung der Bevölkerung drücken, gehören ebenfalls zum Hintergrund, welcher die Stimmung dieses Romans prägt. Es gibt Generationenkonflikte, der Adel spielt eine große Rolle sowie die religiöse Herkunft des jungen Inspektors. Sein Vater und Großvater, die beide die Religion und Kirche zu ihrem Lebensinhalt gemacht und Frank in dem Sinne erzogen haben. Denzil Meyrick ist es hervorragend gelungen, dies nicht nur in eindrücklicher Weise zu beschreiben, sondern auch das Gefühl der damaligen Zeit in die Geschichte aufzunehmen und sehr gut zu transportieren.
Die Charaktere sind ebenfalls so eindringlich und passend charakterisiert. Wenn es darum geht, nicht nur die intelligente Vorgehensweise von Frank Grasby darzustellen, sondern auch den Konflikt, den er mit seinem Vater austrägt. Er fühlt sich verloren und in seiner Freizeit trinkt er gern ein Glas zu viel, raucht, beteiligt sich an Pferdewetten, ist ein Bonvivant, liebt die Frauen und konnte bisher noch keine halten. Trotzdem ist der Zwiespalt zu spüren, wenn es für ihn darum geht, dass seinem Vater etwas passieren könnte. Er hat eine tiefsitzende, bedrohliche Angst vor Verlust, gemischt mit Trauer und Schuldgefühlen.
Sein Vater ist sehr fromm und hat nie verstanden, dass Frank nicht ebenfalls Pfarrer werden wollte. Er ist dem Trinken ebenso zugeneigt und schafft es nicht, seinem Sohn das Gefühl zu vermitteln, dass er ihn liebt. Dass er ihn liebt, zeigt sich im Laufe der Geschichte. Die Mutter von Frank ist bereits gestorben und so hat er nur noch seinen Vater - und dieser nur noch seinen Sohn.
Die junge Deedee sorgt ebenfalls für Verwirrung. Sie wirkt clever, weiß recht viel, kommt aus Amerika und macht in Elderby ein Praktikum. Die junge Dame ist keinesfalls naiv und für Frank eine große Unterstützung.
Es spielen sehr viele Protagonisten eine Rolle und die Schwierigkeit ist, zu erkennen, wer hier in der Geschichte zu den Gutmenschen gehört und wer nur so tut als ob. Für die Leserschaft gestaltet sich das sehr spannend. Für die aktiven Protagonisten ist es eine Herausforderung, was den Lese Spaß noch mehr erhöht und die Spannung immer wieder auf ein Neues auflodern lässt. Bald stellt dann auch der Leser fest, dass es einen Grund gibt, warum all diese Menschen sterben mussten. Dies hat der Autor so gekonnt eingebaut, dass immer neue Erkenntnisse ans Licht kommen und dabei auch einige katastrophale Wendungen eingebaut.
"Der Tote im Kamin" spielt im Winter und so kommt es oft vor, dass es schneit, die Wege glatt und schneebedeckt sind und mit Schnee gefüllte Wolken über die Ortschaft schweben. Kalte, frostige Tage, an denen alles frisch und wie neu erschaffen wirkt, die kalte Luft, die nach Schnee und hart gefrorener Erde riecht, die Wintersonne, die nicht mehr wärmt und krächzende Raben in den Bäumen sorgen für das passende Stimmungsbild.
Fazit: Dieser Kriminalroman ist sehr intelligent, raffiniert und gehört zu den Highlights in diesem Herbst. Ein Wehmutstropfen dabei ist jedoch, dass der Autor leider am 14. Februar 2025 verstorben ist.