Das Untersuchungsobjekt der Sprachwissenschaft ist die menschliche Sprache. "Sprache" im weitesten Sinne des Wortes heißt die Gesamtheit derjenigen Zeichen unserer Gedanken und Gefühle, die äußerer Wahrnehmung zugänglich sind, und die wir willkürlich hervorbringen und wiederholen können. Diese Definition schließt also aus dem Begriff "Sprache" einmal bestimmte Momente unseres Seelenlebens aus, die unmittelbarer Äußerung nicht fähig sind, dann verschiedene von unserm Willen unabhängige Reflexe, die unwillkürliche
Nebenerscheinungen seelischer Zustände sind. Weil nun die Wortsprache, d. h. die Sprache, deren Ausdruckszeichen Wörter sind, von höchster Bedeutung für die geistige Entwicklung der Menschheit ist und gleichzeitig den gewöhnlichsten und vollkommensten Typus einer Sprache darstellt, wird der Begriff "Sprache" ohne weitere Erläuterungen in der Regel in diesem Sinne verstanden. Auch in unserer Darstellung wird überall, wo es nicht ausdrücklich anders bemerkt, "Sprache" als "Wortsprache" verstanden, Sprachwissenschaft oder Linguistik als die Wissenschaft von dieser Sprache.
Der Verlag der Wissenschaften verlegt historische Literatur bekannter und unbekannter wissenschaftlicher Autoren. Dem interessierten Leser werden so teilweise längst nicht mehr verlegte Werke wieder zugängig gemacht.
Diese Einleitung in die Sprachwissenschaft ist ein unveränderter, hochwertiger Nachdruck der Originalausgabe aus dem Jahr 1910.
