In der Kleinstadt Os im Norden Norwegens könnte alles nicht besser laufen, als der Bau eines neuen Tunnels droht, den Ort von den Touristenströmen abzuschneiden, was nicht nur Auswirkungen auf das Wellnesshotel der Brüder Carl und Roy Opgard hätte, sondern auch auf die gesamte Wirtschaft der Stadt. Natürlich lassen sich die Brüder etwas einfallen, um den Niedergang abzuwenden. Währenddessen arbeitet der Polizeichef Kurt Olsen weiterhin daran, Roy mehrere Morde nachzuweisen. Da zwischenzeitlich neue Beweise vorliegen, könnte es für ihn eng werden. Die Vergangenheit holt die Brüder ein und plötzlich geht es auch um die Frage, wer der König von Os ist, denn es kann nur einen geben.
»Ich hatte an diesem Ort alles verloren. Vermutlich aber auch alles gewonnen, was ich jemals hatte. Ich hasste Os, und ich liebte es. Kann man mehr von einem Heimatort verlangen?« (Seite 16)
Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zweiten Band mit den Opgard-Brüdern. Die Bücher können, sollten meiner Meinung nach aber nicht unabhängig voneinander gelesen werden. Es werden im aktuellen Teil zwar alle wichtigen Informationen wiederholt, das Verhältnis der Brüder zueinander und insbesondere auch die Beziehungen zu sowie unter den Stadtbewohnern selbst können nicht nebenbei erklärt und verstanden werden. Dazu sollte auch berücksichtigt werden, dass nach dem Lesen dieses Buches es sinnlos ist, den Vorgänger lesen zu wollen, da hier die Lösung aller Verbrechen präsentiert und verraten wird. In dieser Rezension wird natürlich nichts verraten, was vergangene Ereignisse angeht. Der wichtigste Punkt jedoch ist, dass der erste Teil einfach grandios war!
»Wir sind eine Familie. Wir haben einander und sonst niemanden. Freunde, Geliebte, Nachbarn, die Dorfbewohner und Landsleute, alles Illusion. Wenn es eines Tages wirklich darauf ankommt, sind sie nichts wert. Dann heißt es, wir gegen sie, Roy. Wir gegen alle anderen. Absolut alle.« (Seite 220)
Als ich im Programm des Verlages das neue Buch von Jo Nesbø entdeckt hatte, hätte meine Freude nicht größer sein können, war der erste Teil seinerzeit als Standalone angekündigt worden. Anscheinend war die Geschichte der zwei Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, noch nicht auserzählt, ich konnte mein Glück kaum fassen, dass ich noch einmal nach Os zurückkehren durfte, um zu erfahren, wie es weitergeht. Wie im Vorband fungiert einer der Brüder als Ich-Erzähler und schildert die Geschehnisse aus seiner Sicht. Hierbei lässt er der Dramatik wegen manche Dinge weg, verschweigt bestimmte Handlungen und steigert so die Spannung ins Unermessliche, sodass ich mich mehrmals davon abhalten musste, vorzublättern, um zu erfahren, was danach passiert ist. Wie böse das war, mich dermaßen auf die Folter zu spannen!
Unerwartete Wendungen, emotionale Momente, komplizierte Beziehungen, ganze Kapitel voller Liebe, Schmerz und Wut; da waren Hass, Neid und Trauer nicht weit. Dieses Buch steht dem ersten in nichts nach und war doch ein bisschen anders. Für mich ein grandioser Abschluss der Geschichte, deren Ende überraschend, jedoch ganz in meinem Sinne war. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen in Os. Aber auch wenn nicht, so könnte ich damit leben, denn dieses Leseerlebnis bleibt unvergesslich für mich.