Ganz an den Anfang möchte ich den dringenden Rat stellen, sich hier gar nicht vom Klappentext leiten zu lassen. Mir hat der nämlich eine Beziehungsgeschichte suggeriert, die irgendwie linear fortschreitet. Das ist "Hero" aber überhaupt nicht! Stattdessen ist es ein Werk, das fragmentarisch Erfahrungen sowie Überlegungen der Protagonistin aneinanderreiht - rasche Themensprünge und stilistische Wechsel inklusive.
Ich präferiere ganz klar figurengetriebene Geschichten. Und obwohl Hero hier als Erzählerin ganz klar im Zentrum steht, habe ich am Ende kein wirkliches Gefühl zu ihr. Sie erzählt aus ihrer Vergangenheit, listet teilweise schonungslos und brutal ehrlich ihre Erfahrungen mit Männern auf. Kernaussage: Vor patriarchaler Prägung sind selbst Green Flags nicht gefeit und diese sind sowieso schonmal selten.
Eine wichtige Aussage und ich mochte die brutale Nüchternheit, mit der durchaus gewaltvolle Themen hier transportiert werden. Genau aus diesem Grund sollten das Buch eigentlich vor allem cis Männer lesen, denn ich fand es am Ende primär bedrückend. Eine Empowerment-Story ist es für mich vielleicht phasenweise, aber keinesfalls im Gesamten.
Stilistisch ist der Roman eher experimentell: Wechsel zwischen dritter und zweiter Person Singular (wobei ich dieses Element tatsächlich sinnvoll fand, da die thematisierten Männer ansonsten weitgehend anonym und damit ununterscheidbar bleiben), viele Metaphern, direkte Rede ohne Interpunktionszeichen. Meins ist das definitiv nicht, weil für mich durch zu viele stilistische Elemente die Nähe zu den Figuren verloren geht.
Vorrangig bin ich wahrscheinlich enttäuscht, weil der Klappentext so gut klang. Aber es gibt keine Liebesgeschichte und keine ernsthaft greifbare Figureninteraktion, stattdessen teilweise schwer verständliche Ausschweifungen. Andere Passagen fand ich wiederum enorm eindrücklich und mochte die schonungslose Ehrlichkeit mancher Nebenfiguren in ihrem Blick auf patriarchale Strukturen. FLINTA wird das Buch sicher berühren und bedrücken, deshalb weiß ich nicht so recht, ob ich es so richtig empfehlen kann, weil erfahrungsgemäß eher wenige cis Männer zu solcher Literatur greifen - obwohl besonders ihnen die Augen geöffnet werden müssten. Und ich persönlich kann schlicht nicht wirklich viel für mich aus der Geschichte mitnehmen, außer Wut und Frustration über die Verhältnisse. Trotz einiger guter Gedanken, manche davon auch augenöffnend, bleibe ich also eher unzufrieden zurück.