Mareike Fallwickl gehört zu den Autor*innen, deren Werke ich immer sehr vertrauensvoll lese. Und sowieso mag ich die Reihe des Kjona-Verlags gern, in welcher verschiedenste Autor*innen kurze Texte an nachfolgende Generationen schreiben. Sie sind immer von einer ergreifenden Emotionalität und Hoffnung geprägt, obwohl sie nur etwa 70 Seiten umfassen.
Die Ausgabe von Fallwickl hat mir außerordentlich gut gefallen und einen sehr aktuellen Nerv getroffen. Sie richtet ihren Text zwar nicht direkt an eine nachfolgende Generation, sondern an die befreundete Regisseurin Jorinde Drüse, schafft es aber trotzdem, ihrer Hoffnung angesichts heranwachsender Menschen klar Ausdruck zu verleihen.
Die Autorin schreibt nahbar, emotional komplex und einfach unglaublich wohltuend, obwohl die Hintergründe so ernst sind. Vorrangig ist der Text ein Appell an den Feminismus - um wirklich das Patriarchat stürzen zu können, müssen Männer inkludiert werden. Dabei gelingt es ihr eindrücklich, den Druck zu benennen, der auf männlich sozialisierten Menschen liegt, sowie das damit einhergehende Leid, ohne jedoch eben diese Personen von ihrer Verantwortung freizusprechen. Feminist*innen dürfen Männer nicht ausschließen, aber ebenso darf es nicht an den Marginalisierten liegen, Wandel herbeizuführen - Männer müssen Männlichkeit selbst dekonstruieren und neu gestalten. Ein Grat, den ich selbst schwer zu treffen finde, weil ich oft so wütend auf cis Männer bin, ein ganzes Geschlecht aber auch nicht pauschalisieren möchte, zumal ich Geschlecht als Kategorie so gern dekonstruiert sähe.
Fallwickl mangelt es auch nicht an Wut und doch gehe ich aufgefangen aus der Lektüre heraus. Sie präsentiert uns eine Ambiguitätstoleranz, die ich oft vermisse und umso dringender suche. Sie appelliert und benennt klar, hat aber dennoch Raum für den Schmerz gerade junger Männer. Die Idee eines Feminismus des Miteinanders gefällt mir außerdem wirklich gut. Er ist, gerade als marginalisierte Person, aus vielerlei Gründen wahrscheinlich hart zu erkämpfen, aber ich stimme der Autorin klar zu insofern, dass das unsere beste Chance auf echte Veränderung ist: gemeinsam statt gegeneinander.
Eine wundervolle Autorin, deren Text mir gut getan und mich wütend gemacht hat, der aber zumindest ein wenig auch zu meiner Versöhnung mit cis Männern beitragen konnte. Lest es unbedingt als einen Impuls, der euch vielleicht fordern, aber bestimmt auch weiterbringen wird.