Wie Exil, Fremdheit und Diskriminierung Gefühle prägen
»Vom Balkon aus schaute ich auf einen Spielplatz, auf dem Kinder meines Alters umherliefen und sich amüsiert rauften. Nach kurzem Zaudern fragte ich sie, ob ich mitspielen dürfte. Die Antwort war: 'Nein, mit Ausländerkindern spielen wir nicht.' Ich weiß nicht mehr, was ich damals empfunden habe. Im Nachhinein war klar: Künftig würde ich in den Spiegel sehen und einen Ausländer erkennen. «
Es sind Ereignisse wie diese, die Gefühle der Ausgrenzung produzieren: Angst, Scham, Wut, Verzweiflung, aber auch Sehnsucht und Hoffnung. Der Historiker Mohammad Sarhangi analysiert, inwieweit die vielfältigen Erfahrungen der Migration die Gefühle von Migrant:innen prägen und formen - auch über Generationen hinweg. Eindrücklich verwebt er seine eigenen Erfahrungen mit Oral-History-Interviews und autobiographischen sowie literarischen Publikationen zu einem aufschlussreichen wie berührenden Buch.
Besprechung vom 15.09.2024
Besondere Vorkommnisse
Landkarte der Angst
In den aktuellen Debatten über Abschiebung und Grenzschutz ist von Empathie für die Geflüchteten wenig die Rede. Da trifft es sich, dass der Historiker Mohammad Sarhangi eine Gefühlsgeschichte der Migration veröffentlicht hat ("Jahre der Angst, Momente der Hoffnung", S. Fischer, 26 Euro). Um eine wissenschaftlich fundierte Theorie dieser Gefühle zu verfassen, untersucht er Erzählungen von Flucht und Migration in die Bundesrepublik in verschiedenen Genres - Oral-History-Interviews, Belletristik, Publikationen. Heraus kommt dabei eine emotional differenzierte Landkarte, die sich zwischen Hoffnung, Angst, Zorn, erfahrener Geringschätzung und Ablehnung aufspannt. Seine Analysen hat Sarhangi mit autobiographischen Einwürfen seiner eigenen Migrationserfahrung angereichert. Obwohl in dieser Kombination aus Theorie, Memoir und Quellenarbeit zum Teil der rote Faden verloren geht, gelingt es dem Historiker Sarhangi, die soziokulturellen Muster hinter Gefühlslagen herauszuarbeiten, die vermeintlich individuell sind. Die verheerende Wirkung ausgrenzender Rhetorik auf die betroffenen Menschen wird emphatisch spürbar. hinz
Absturz und Comeback
"This is your captain calling / with an urgent warning / We're above the Gulf of Arabia / our altitude is falling" sang Matt Johnson 1986 in "Sweet Bird of Truth", was die emotionale Reiseflughöhe seiner Denkerindiepopband The The im Allgemeinen ganz gut charakterisierte. Spätestens ab dem Album "Naked Self" folgte auch der persönliche Absturz - und eine 24-jährige Erfolgsbewältigungspause. Nun ist ein neues Album da, "Ensoulment" (Earmusic). Man braucht ein bisschen, um sich von Johnsons Timbre wieder einfangen zu lassen und dann aber festzustellen, dass sein kluger Zynismus besser in die heutige Zeit passt als vieles, was gerade von damals wieder hochkommt. O Captain! My Captain! stau
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