»Frankfurt - Paris - Frankfurt ist eine wunderbare poetische Beschwörung von Paris als Sehnsuchtsort, als warmer, sonniger Gegenpol zum kalten Deutschland [ ]. « Claus-Gürgen Göpfert / Frankfurter Rundschau
»Kurzeck spiegelt in Frankfurt - Paris - Frankfurt die Zeit der späten 1970er Jahr, erzählt von seinem Weg zum Schreiben, dem Leben in Frankfurt und einer Reise nach Paris. Eine aufregende, beglückende Lese-Erfahrung« Christian Kosfeld / WDR3
»Kurzecks Sprache ist wie Musik [ ] Wie in einer Fuge kehren die Themen wieder, die Melodie der Sätze [ ] ist unverkennbar. « Jörg Magenau / Deutschlandfunk
»Rhythmischer, umschmeichelnder Tonfall, der die Welt beschreibt und zugleich transzendiert. « SWR
»Die Parisschilderungen in diesem Roman sind von unwiderstehlicher Schönheit. « Beate Tröger / Die Rheinpfalz
»Peter Kurzecks Nachlassroman Frankfurt - Paris - Frankfurt spricht vom Davongleiten der Zeit. Und davon, wie man sie auf der Flucht bannen kann. « Tilman Spreckelsen / Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Frankfurt - Paris - Frankfurt ist eine wunderbare poetische Beschwörung von Paris als Sehnsuchtsort [ ]« Gießener Allgemeine
»Wie alle Kurzeck-Bücher ist Frankfurt - Paris - Frankfurt allein sprachlich einzigartig, so schreibt niemand in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. [ ] Formal, stilistisch und von seinem Stoff her sucht es seinesgleichen. « Gerrit Bartels / Tagesspiegel
»Was Kurzeck wie kein anderer kann: aus bewegten Zeiten Stillleben schaffen. « Paul Jandl / Neue Zürcher Zeitung
»Frankfurt Paris Frankfurt war der erste Band, den [Kurzeck] 1995 abschloss, und ist nun [ ] ein grandioser Abschluss, voller Sehnsüchte, Freuden, Alltäglichkeiten, Kunst und Geschichte. « Florian Balke / Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Kurzeck nimmt wahr, wird zum Chronisten unserer Zeit und schenkt uns einen Mehrwert durch seine stets aufmerksame und zugewandte Beobachtung. « Thomas Linden / Kölnische Rundschau
»Peter Kurzeck ist [ ] einer der großen deutschen Autoren der letzten Jahrzehnte. « Michael Sanetra / Buchprofile/medienprofile
»[Was] Kurzecks Schreiben über all die Jahre ausmachen sollte: die Akribie der Beschreibung des eigenen Lebensalltags und eine herrliche Umständlichkeit , die den Schreibfluss zu einem schwer zu bändigenden, assoziationsfreudigen Strom anschwellen ließ. « Andreas Wirthensohn / Die Furche
Besprechung vom 12.10.2024
Nicht ein einziger Moment darf der Erinnerung entwischen
Wenn das Leben plötzlich aufsteht und zur Seite tritt: Peter Kurzecks Nachlassroman "Frankfurt Paris Frankfurt" spricht vom Davongleiten der Zeit. Und davon, wie man sie auf der Flucht bannen kann.
Von Tilman Spreckelsen
Von Tilman Spreckelsen
Ein Flohmarkt kann ein gefährlicher Ort sein. Nicht nur wegen der Möglichkeit, sich dort zu ruinieren und haufenweise Plunder mit nach Hause zu bringen - davor ist Peter gefeit. Für den notorisch klammen Schriftsteller, der vor Jahren seinen Beruf aufgab, um zu schreiben, und seither noch kein einziges Buch veröffentlicht hat, käme ein Großeinkauf schon aus finanziellen Gründen gar nicht infrage.
Gefährlich wird ihm allein seine Phantasie, während er die Marktstände entlanggeht: "Türkisches Schuhputzzeug, Ölkännchen, Stricknadeln und zum Versilbern ein rostfreies Fahrrad in lauter Einzelteilen. Garantiert komplett! Brotbeutel, Brotbüchsen, Feldflaschen für Krieg und Frieden. Schachfiguren, ein Säbel, ein Bügeleisen, ein Satz Einbruchswerkzeug, komplett und nur einmal benutzt." So geht es weiter, Keime zu Geschichten inklusive - wie war das mit dem Einbruch, und warum kam es zu keinen weiteren? Zu welchem Zweck wurde das Fahrrad zerlegt? Bis die Geschichten Peter immer näher auf den Leib rücken: "Bei jedem rostigen Taschenmesser dich fragen, ob es nicht vor langer Zeit deinem Vater gehört haben könnte?"
Da ist es nicht weit bis zum nächsten Schritt, geknüpft an fremde Jacken, Hosen, Schals, die in Peter ein brennendes Interesse für die ehemaligen Besitzer wachrufen: "Überhaupt so viele Reste von fremden Leben, dass dir davon ganz schwindelig wird. Als ob du sie immer noch mal neu, nochmal nachleben sollst."
Seit Peter Kurzeck, geboren 1943 im böhmischen Tachau, vor bald elf Jahren gestorben ist, mitten in der Arbeit an seinem großen Romanzyklus "Das alte Jahrhundert", sind zu den bis dahin erschienenen fünf Bänden noch eine Reihe Nachlassbücher in unterschiedlichen Stadien der Vollendung erschienen. Ihr Ursprung ist ein auf anfänglich fünf Seiten veranschlagtes Nachwort zu Kurzecks Langessay "Mein Bahnhofsviertel", der 1991 erschien - allerdings ohne das Nachwort.
Stattdessen veröffentlichte Kurzeck mit "Übers Eis" den ersten Teil der Geschichte, die er in jenem Nachwort hatte erzählen wollen, die des Schriftstellers Peter aus Frankfurt am Main, der im Winter 1983/84 von seiner Freundin Sibylle verlassen wird und sich buchstäblich ums Weiterleben bemüht, auch um seiner kleinen Tochter Carina willen. "Das alte Jahrhundert" sollte dann, ausgehend von der ersten Jahreshälfte 1984, Peters Weg bis zum ersten Erfolg als Schriftsteller erzählen, unterbrochen von zahlreichen Rückblenden. Einige von ihnen kreisen um den Oktober 1983, in dem ihm sein bester Freund Jürgen in langen Telefonaten von Frankreich aus schildert, wie sich die Situation nach dem Bruch mit dessen Freundin Pascale darstellt. 2019 erschien aus Kurzecks Nachlass der Fragment gebliebene Roman "Der vorige Sommer und der Sommer davor", auch eine mit leiser Trauer grundierte Rückblende, die hauptsächlich eine Frankreichreise der jungen Familie schildert - Kurzecks schönstes, zärtlichstes und in aller Unfertigkeit auch souveränstes Buch bis dahin.
Der Roman, der jetzt ebenfalls aus dem Nachlass unter dem Titel "Frankfurt Paris Frankfurt" ans Licht gekommen ist, herausgegeben von Kurzecks langjährigem Lektor Rudi Deuble, geht zeitlich noch ein Stück weiter zurück. Und das in doppelter Hinsicht. Er wurde bereits Anfang der Neunzigerjahre geschrieben und abgeschlossen, soweit man das bei dem ewig feilenden Kurzeck - hierin Stifter und Proust vergleichbar - überhaupt sagen kann. Zudem erzählt er wiederum als Rückblende aus dem Herbst 1977, als Peter und Sibylle aus dem hessischen Örtchen Staufenberg bei Gießen in das aufgeregte Frankfurt ziehen, um den Kontakt zu einem Suhrkamp-Lektor zu pflegen, der Peters ersten Roman wohlwollend prüft.
Zugleich geraten sie, es ist die Zeit der Schleyer-Entführung, von einer Polizeikontrolle in die nächste, und als sie den davon schwer beunruhigten Freund Jürgen über die Grenze nach Frankreich bringen wollen, werden sie hinter Saarbrücken schon erwartet, inhaftiert und verhört - mitreisendes Kind hin oder her. Jürgen gelangt schließlich nach Paris und will von dort aus weiter nach Portugal. Peter und Sibylle besuchen ihn zuvor in Paris und verbringen einige Tage dort, dann kehren sie zurück nach Frankfurt.
Am Anfang des Romans steht die Schilderung des Umzugs, der Aufbruch, die großen Hoffnungen, die sich ans mitgebrachte Manuskript knüpfen, die Arbeit. Das Verhör an der Grenze nach Frankreich bringt Peter dann dazu, den Beruf, in den er hineingewachsen ist, für sich zu reklamieren: "Zum erstenmal in meinem Leben sagte ich, dass ich Schriftsteller bin. Écrivain."
Was heißt das? "So gehst du und sammelst dir deine Bilder zusammen, den Tag und all seine Einzelheiten. Und eine Sprache, lebendig, die richtigen Wörter dafür", heißt es, als Peter über sein Verhältnis zur Welt nachdenkt. Das heißt auch, dass diese Sammeltätigkeit zur ewigen gedanklichen Wiederholung führt, nicht zuletzt der eigenen Person: "Überhaupt hast du dir die Welt so gedacht, dass man hineingeht und da und dort stehenbleibt. Wie auf einem Bild, wie in einem Märchen. Steht man ein Weilchen, kann es gut sein, dass sich jemand dazu und danebenstellt. Oft geht es so. Jetzt in Gedanken, überall lässt du dich stehen. Abbilder, Doppelgänger, Schattengestalten. In allen Lebensabschnitten und Zeitaltern und immer auch das Kind, das du warst. Sie werden schon nachkommen, werden sich einfinden. Geht keiner verloren und jeder bringt etwa mit."
Die Schattenseite von dieser umfassenden Hinwendung ist paradoxerweise die Distanz zur eigenen Existenz: "Warum ist mein Leben so fremd und sieht mich immerfort an? Und wo geht die Zeit mit uns hin? Und dabei noch dauernd aufpassen, dass man nicht überfahren wird." Als er viel später, im Frühjahr 1984 und nach der Trennung von Sibylle, die ehemalige Freundin in der alten Wohnung besucht, notiert er: "So sitzt du mit deinem Leben. Und dann steht das Leben auf und geht ein paar Schritte von dir weg."
Was immer da verschwinden will: In seinem Romanwerk fängt Kurzeck es wieder ein. Und bewahrt es für uns in einer klaren Schönheit, die ihresgleichen sucht.
Peter Kurzeck: "Frankfurt Paris Frankfurt". Roman.
Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2024. 224 S., geb.
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