Inhalt: 117 n. Chr.: Der junge Centurio Marcus Flavius Aquila, der nach einer schweren Beinverletzung aus seiner Legion ausgeschieden ist, hat ein großes Ziel: Er will herausfinden was aus der vor vielen Jahren verschollenen Neunten Legion geworden ist, der sein Vater angehörte. Dazu muss er sich in die unwegsamen und gefährlichen Wälder nördlich des Hadrianswalls begeben. Begleitet wird Marcus dabei von seinem Freund Esca, der dort aufgewachsen ist und gemeinsam begeben sie sich eine waghalsige Reise bei der die Wiederkehr ungewiss ist... "Ich bin nicht besonders fantasiebegabt, aber ich sage euch, es hat Zeiten gegeben, wenn der Nebel vom Hochmoor herabwallte, dass ich halb erwartete, die verschwundene Legion zurückkommen zu sehen." (S. 133)"Es gibt kein Zurück durch die Wasser des Lethe." (S. 263)Meine Meinung:Man kann sich sehr gut in Marcus Gedanken- und Gefühlswelt hineinversetzen. Man bangt mit ihm als er sich nach seinem folgenschweren Unfall zurück ins Leben kämpfen muss und sich die Frage stellt, ob er je wieder laufen können wird. Er muss sich damit abfinden, dass er seinen größten Traum begraben muss: Er wird niemals wieder in einer Römischen Legion als Centurio dienen können, weiß nicht wie er fortan seinen Lebensunterhalt bestreiten soll und was er nun mit seiner ungewissen und düster erscheinenden Zukunft anfangen soll. Schließlich setzt er sich zum Ziel das Schicksal der Neunten Legion zu ergründen. Es gefällt mir, dass nicht etwa das Streben nach Ruhm das Motiv dafür ist, dass Marcus sich mit Esca auf eine so beschwerliche und gefährliche Reise begibt. Marcus Antrieb ist die Liebe zu seinem Vater. Er will herausfinden, was seinem Vater widerfahren ist und beweisen, dass dieser kein Deserteur gewesen ist. Das macht einem Marcus sehr sympathisch und man wünscht es ihm sehr, dass seine Suche erfolgreich sein wird.Die Handlung ist etwas Besonderes. Man hat nicht wie bei anderen Büchern das Gefühl schon duzende ähnlich gelagerte Geschichten gelesen zu haben. Obwohl das Buch in die Kategorie Jugendbuch fällt hatte ich beim Lesen nicht den Eindruck ein Jugendbuch vor mir zu haben. Die Protagonisten sind bereits volljährig und verhalten sich entsprechend. Der Schreibstil ist wirklich schön und wirkt "gehobener" als bei anderen Jugendbüchern. Das mag wohl auch daran liegen, dass das Buch bereits 1954 erschienen ist und sich der Entstehungszeitpunkt im Schreibstil und in der Erzählweise niedergeschlagen hat. Außerdem wirkt der historische Hintergrund der Geschichte besser recherchiert als bei vielen anderen Jugendbüchern. Rosemary Sutcliff vermag es die damalige Zeit lebendig werden zu lassen: Die geheimnisvoll anmutenden religiösen Rituale der nördlich des Hadrianswalls lebenden Volksstämme werden sehr eindrücklich beschrieben. Auch die mitunter bedrückende Atmosphäre in den düsteren, unwegsamen und nebligen Wäldern wird einem sehr gut nahegebracht:Der Nebel, von dem sie auf dem geheimen Pfad so geplagt worden waren, verfolgte sie seitdem. Er war gleichmäßig und heimtückisch; manchmal waren die fernen Hügel nur verschleiert, dann wieder fiel er über sie her und hüllte alle Anhaltspunkte in ein wirbelndes Grau, in dem der Boden sich aufzulösen schien. (S. 264)Die tiefe Freundschaft, die sich zwischen Marcus und Esca entwickelt, ist einer der wichtigsten Bestandteile der Geschichte und bleibt einem besonders in Erinnerung. Die beiden entdecken, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft viel mehr gemeinsam und dass sie mehr verbindet als man auf den ersten Blick meinen könnte. Erst durch die Hilfe des jeweils anderen wandelt sich das Leben beider zum Besseren. Das Buch hat eine schöne und wertvolle Botschaft: Freundschaft kann dabei helfen Schwierigkeiten durchzustehen und Herausforderungen zu bewältigen. Es geht sehr zu Herzen und weckt große Sympathien, dass Marcus Esca von Beginn an als ebenbürtig betrachtet und ihn respektvoll behandelt, obwohl dies zu dieser Zeit und unter den geschilderten Umständen keineswegs selbstverständlich gewesen ist. Marcus nutzt seine Machtposition nichts aus um Esca dazu zu zwingen ihn zu begleiten. Stattdessen stellt er es Esca frei ihn zu begleiten und verlässt sich dabei auf dessen Loyalität und auf das gegenseitige Vertrauen, das sich zwischen ihnen entwickelt hat.Das Erzähltempo ist stellenweise eher langsam. So brechen Marcus und Esca erst in der Mitte des Buches auf um den titelgebenden verlorenen Adler der Neunten Legion zu suchen und dann vergehen nochmals einige Seiten bis sie eine erste Spur vom Adler finden. Das verzeiht man der Geschichte aber gerne, weil einem die Hauptpersonen durch die ausführliche und einfühlsame Charakterisierung richtig ans Herz wachsen. Man kann sich dadurch richtig gut in deren Gedanken- und Gefühlwelt hineinversetzen. Selbst die Nebenfiguren werden richtig gut charakterisiert: Marcus lernt die neben ihm wohnende Cottia kennen, freundet sich mit ihr an und entwickelt allmählich Gefühle für sie. Obwohl es gar nicht so viele gemeinsame Szenen und Gespräche zwischen Marcus und Cottia gibt, werden diese so eindrücklich und gefühlvoll beschrieben, dass man Cottia schnell liebgewinnt. Selbst den Wolfswelpen Cub, den Marucs großzieht, hat man richtig gerne.Besonders im letzten Drittel des Buches zieht das Erzähltempo merklich an und es kommt zu einem unglaublich spannenden und mitreißenden Wettlauf gegen die Zeit bei dem es um Leben und Tod geht. Dabei kommt Marcus und Esca ein fast schon etwas zu glücklicher Zufall zugute. Das finde ich aber nicht weiter schlimm, weil die Geschehnisse so spannend sind und man richtig mitfiebert. Die Geschichte hat ein wirklich schönes, emotionales und hoffnungsvoll stimmendes Ende, das einem glücklich zurücklässt.Die gleichnamige Verfilmung 2011 hat mir zwar gefallen, aber sie kann meiner Meinung nach nicht mit dem Buch mithalten. Die Freundschaft und das Vertrauen zwischen Marcus und Esca sind im Buch größer und entwickeln sich glaubwürdiger. Es gefällt mir auch besser, dass Marcus Esca im Buch frei entscheiden lässt, ob er ihn begleiten will. Insgesamt sind mir Marcus und Esca im Buch einfach noch mehr ans Herz gewachsen. Außerdem ist es schade, dass in der Verfilmung die beiden liebgewonnenen Nebenfiguren Cottia und Cub weggelassen wurde.Fazit:Es handelt sich um ein herausragend gutes Jugendbuch in dem es um mehr als eine abenteuerliche und gefährliche Reise geht. Es geht auch viel um Freundschaft, darum mit der Vergangenheit abzuschließen und um die Frage wo Zuhause ist und was Heimat bedeutet. Dieses Buch ist mehr als "nur" ein Jugendbuch und auch für Erwachsene empfehlenswert. Es ist absolut verständlich, dass dieses Buch als Klassiker gilt und noch nach so vielen Jahren aufgelegt wird.