Kurzinhalt:Blaubeuren und Ostpreußen 1914:Anna Kran, Tochter des Blaubeurener Zementbarons ist jung, privilegiert und behütet aufgewachsen sowie vollkommen von der nationalistischen Pflicht aller Männer in einem Kriegsfalle überzeugt. Als der Erste Weltkrieg Ende Juli 1914 dann auch tatsächlich ausbricht, trifft sie eine Entscheidung, die sie später noch einholen wird, nutzt aber auch die Gunst der Stunde sich ein wenig von der häuslichen Enge zu befreien, indem sie sich freiwillig als Rotkreuzschwester meldet. Doch wird sie bestehen als der harte Kriegsalltag ins Lazarett nach Blaubeuren ankommt?Und was hat es mit dem mysteriösen Fremden auf sich, welcher schwer verletzt aus Ostpreußen ins Lazarett verlegt wird? Als Kriegsheld gefeiert, hat er Ansichten, mit denen Anna auf keinen Fall d'accord gehen kann - oder?¿¿ ¿¿ ¿¿ ¿¿ ¿¿ ¿¿In der letzten Zeit konnte mich wohl kein Romandebut so beeindrucken und begeistern wie das von Sylvia B. Barron. Dies gründet sich vornehmlich auf drei Aspekte: 1. Der eng umrissene historische Rahmen der ersten Kriegsmonate, die einen Bogen von der allgemeinen immens dynamischen Kampfbegeisterung bis hin zur ersten Ernüchterung ob beginnendem Stellungskrieg und ersten Niederlagen bei den Soldaten sowie an der Heimatfront aufgrund der ausgeprägten Grausamkeit!2.Der sprachlichen Qualität, Finesse und Authentizität, welche den Leser sofort an der Hand in die Geschichte führt, flüssig und stilecht an die Charaktere angepasst weitergeführt wird, um sich letztlich durch die eingebundenen Briefe wahrlich in die Zeit hinein- bzw. zurückversetzt fühlt.3. Die beeindruckende Figurenzeichnung, die nicht nur viel Raum zur Entwicklung lässt, sondern die die Geschichte aus ihren verschiedenen Sichtweisen erzählenden Charaktere vollkommen glaubhaft und realistisch erscheinen lassen.Die Autorin hat ihrem Roman eine erzählerische Multiperspektivität zugrunde gelegt, wodurch der Leser demnach nicht nur ein umfassendes Bilddieser turbulent-einschneidenden Zeit des beginnenden Krieges vermittelt bekommt, nimmt Sylvia B. Barron den Leser an West- und Ostfront sowie in den alltäglichen Kriegsalltag der Zivilbevölkerung mit, sondern gestaltet ihre handelnden Figuren genauso vielgestaltig. Mit Anna Kran ist eine Vetreterin des privilegierten Großbürgertums geschaffen, welche entsprechend sowohl Kaisertreu und bedingungslos nationalistisch als auch aufgrund ihrer Jugend auch in einzelnen Aspekten auch liberal geprägt ist, wohingegen mit Johann, einem der Arbeiter des Zementwerks der damaligen unteren Gesellschaftsschicht eine Bühne geboten wird. Bestimmen soziale Ungerechtigkeit, finanziell basierte alltägliche Sorgen und ausbeuterische und harte Arbeitsbedingungen das Leben von Johann und seiner Frau Minna, erscheint es umso verständlicher, dass Johann glühend die Ideen und Ideale der Sozialdemokraten unterstützt.Mit dem Theologen und Vikar Hans Wilhelm schließlich hat die Autorin einen Charakter geschaffen, der mit dem ausgeprägten Militarismus des Wilhelminischen Kaiserreiches hadert, sondern auch einen trotz erschütternder Ereignisse im Glauben verhaftete Persönlichkeit. Besonders gelungen gestaltet sich die Tatsache, dass Sylvia B. Barron keine perfekten Protagonisten, sondern Figuren mit Ecken und Kanten, Stärken und Schwäche entworfen hat, die auch Zweifel haben, Fehler begehen oder zu schnell verurteilen.Im weiteren Verlauf der Handlung werden die Lebenswege und -welten der anfänglich ein wenig isoliert und für sich auftretenden Charaktere geschickt miteinander verflochten, sodass spezifische Ereignisse oder Erfahrungen nicht nur eine teils tiefgreifende Entwicklung bedingen, sondern zudem ein bestimmtes Verständnis zwischen dem handelnden Trio entstehen lassen.Darüber hinaus war es sehr schön zu sehen, wie der Glaube an Gott im Laufe des Buches jeden der Protagonisten auf seine bestimmte Weise beschäftigt und so auch auf dieser Ebene die vorherigen Ansichten reflektieren lässt. Die große Gnade Gottes, mit welcher bei Reue Vergebung geboten und gewährt wird, ist genauso wie Gemeinschftlichkeit und Nächstenliebe Aspekt des christlichen Gehalts.Besonders lebendig wie auch bedrückend ob der Sinnlosigkeit und Grausamkeit von Kriegshandlungen gestaltet sich der Roman neben der detaillierten Recherche durch die fließende Einbindung von Primärquellen, wie den bekannten Sprüchen und Reimen der Kriegseuphorie oder Schlagzeilen und anderen Zeitdokumenten.Fazit:Ein durchweg in Sprache, Erzählstruktur, historischer Darstellung und Charaktergestaltung wie -entwicklung überzeugender und ungemein starker und von wunderbarem Lokalkolorit abgerundeter Roman, welcher nicht nur Ansichten und Handlungsweisen realistisch reflektierend darstellt sowie mit leichter Hand christliche Tugenden aussagekräftig, jedoch ohne missionarische Prägung einpflegt, sondern mit der gewählten Erzählweise aus drei Sichtweisen und somit drei vollkommen divergenten Lebenswelten den Zeitgenossen des 1. Weltkrieges ein literarisches Denkmal setzt.Ein großartiges Romandebüt, welches für mich eindeutig zu einem Jahreshighlight geworden ist!