Ein Buch im Bücherschrank ist beim Umräumen rausgefallen. Ich habs mit auf den Balkon genommen und eine sehr vergnügliche halbe Stunde damit verbracht.Der Musikphilosoph Reger sitzt seit Jahren fast jeden Tag im Bordone-Saal des Kunsthistorischen Museums in Wien, schaut sich Tintorettos "Bildnis eines weißbärtigen Mannes" an und blättert in Büchern. Er sitzt nicht da, weil ihm das Bild so gut gefällt, sondern wegen der Sitzbank davor, behauptet er jedenfalls gegenüber seinem Bekannten Atzbacher, der von Reger ins Museum bestellt worden ist. Der dritte Mann ist der Aufseher Irrsigler, seit 35 Jahren im Dienst des Museums. Eine Sprechrolle hat er nicht. Wichtig ist er trotzdem. Reger bezeichnet ihn als "Staatstoten", der nur Museumswärter geworden ist, weil man ihn bei der Polizei nicht genommen hat und er einen Job mit Kleiderversorgung wollte. Aber darum geht's eigentlich nicht in dieser wirklich sehr amüsanten Graphic Novel des Künstlers Nicolas Mahler, dessen Kafka-Buch ich auch sehr mag. Reger schimpft auf die Kunst, auf das Museum und die Künstler, die abwechslungsweise am Kinn oder am Knie scheitern, meist jedoch an den Händen. Weiter geht's in seiner Schimpftirade mit den Schriftstellern, Komponisten und Philosophen - bis zu dem Punkt, an dem Reger seinem Bekannten etwas sagen will, etwas sehr Wichtiges scheinbar, es aber kaum über die Lippen bringt... Wunderbar!Mahler hat das letzte Prosawerk, das Bernhard geschaffen hat, genial ins Graphische übertragen. Mit einer gehörigen Portion Witz und Ironie. Fast bin ich versucht, einen Roman von Thomas Bernhard zu lesen.2015 als Taschenbuch bei Suhrkamp erschienen.Für Freunde der Kunst.