"Die Liebe seines Lebens" ist ein englischer Klassiker aus dem Jahr 1897, der erst jetzt, 128 Jahre später, zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurde. Er handelt von einem Künstler, der ein Leben lang seinem Ideal der Frau hinterherläuft.Jocelyn Pierston ist ein junger aufstrebender Künstler und kehrt für einen kurzen Besuch in seine Heimat zurück. Hier trifft er auf Avice, der er in einem Anflug von überschwänglicher Begeisterung einen Heiratsantrag stellt. Avice, die er seit Kindheitsbeinen kennt, verkörpert für ihn das ästhetische Ideal einer Frau, die durch ihre entsprechende Bildung in ihrer Schönheit noch mehr zum Tragen kommt.Leider hat Jocelyn aber einen recht unsteten Charakter mit schwankender Stimmung und anstatt Wort zu halten, wendet er sich einer anderen Dame zu, mit der er nach London durchbrennt.20 Jahre vergehen, Pierston hat sich in London einen Namen als Bildhauer gemacht und nun die 40 Jahre überschritten, als er wieder auf einem Heimatbesuch einer jungen Dame begegnet, die ein Abbild der sitzen gelassenen Braut ist. Bald stellt sich heraus, dass Ann-Avice die Tochter der einst Angebetenen ist und der er wiederum einen Heiratsantrag. Sie erinnert ihn sehr an ihre Mutter und das Ideal der Ästhetik ist auch in der reizenden Tochter zu finden, wenngleich es mit der Bildung hapert. Doch die Zeiten haben sich geändert und die schon recht selbstständige und toughe Avice - Tochter lässt sich auf die Avancen des 40jährigen Pierstons nicht ein.Wiederum vergehen 20 Jahre und wiederum kehrt Pierston für einen Besuch in seine Heimat zurück. Und wie kann es anders sein, die jüngste Version der Avice-Frauen läuft ihm über den Weg. Weder jeder Vernunft glaubt Pierston auch ihr einen Heiratsantrag machen zu müssen.Meine persönlichen Leseeindrücke"Die Liebe seines Lebens", ein Klassiker der englischen Literatur, ist Thomas Hardys letzter Roman. Erstmals 1892 in Form einer dreiteiligen Serie veröffentlicht, wurde der Text überarbeitet und 1897 als Buch neu aufgelegt. Nun ist das Buch auf Deutsch erschienen und ich freue mich sehr, mich wieder einem Klassiker zuwenden zu können.Hardy erzählt von seinem Helden Jocelyn Pierston, der sich nacheinander (mit 20, mit 40 und mit 60) in Mutter, Tochter und Enkelin verliebt. Ich habe es also mit einem Schwerenöter zu tun, dessen künstlerische Natur ein wenig auf die Schippe genommen wird und mit drei Generationen von Frauen, deren Verhaltensmuster sich von einer devoten, unterwürfigen Rolle in eine selbstbewusstere, forsche und weltoffenere wandelt.Pierston verkörpert mit seiner Persönlichkeit den musischen männlichen Part. Er ist der Kunst zugewandt und ist beseelt von der beharrlichen Suche nach seiner schwer fassbaren Geliebten: ein Traum und eine fixe Vorstellung der idealen Schönheit. Mit seinem künstlerischen, flatterhaften Temperament sucht er in einer Frau ein Ideal, wie er es als Bildhauer in seinen Werken verkörpert. Am besten wäre eine perfekte Hülle, der nicht passende Inhalt ließe sich im schlimmsten Fall durchaus nach seinen Vorstellungen füllen, so zumindest seine Vorstellung.An dem landläufigen Aberglauben, dass die Geliebte eines jeden Mannes stets in ein und derselben körperlichen Hülle verbleibt, will er nicht festhalten.Nun, solche Gedanken von Vorlieben der damaligen Herren aus bessere britische Gesellschaft bringen mich zum Schmunzeln. Für die damalige Zeit mögen sie wohl vorherrschend gewesen sein. Umso beachtlicher finde ich deshalb die Zuneigung, die Thomas Hardy dem weiblichen Geschlecht in diesem Roman eingeräumt hat. Mutter Avice mag noch den damals üblichen Anforderungen einer Tochter aus gutem Haus mit einer devoten, unterwürfigen Rolle entsprochen haben, aber schon mit der Tochter und spätestens mit der Enkelin wandelt die Frauenrolle und entpuppt eine beginnende Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vom männlichen Schutz und Vormund. Diese Darbietung einer gesellschaftlichen Revolution ist durch die Frauen in 3 Generationen amüsant und gelungen dargestellt und ich bewundere die fortschrittlichen, ja fast schon modernen Ansätze. Zugute halten muss man, dass Pierston nicht um körperliches, fleischliches Begehren in seinen Empfindungen, sondern die Liebe von höchster Reinheit sucht. Dem Bild der idealen Frau läuft er ein Leben lang hinterher. Zuerst hat er es in der Schönheit der Mutter Avice gefunden, dann in der Tochter Ann - Avice und schlussendlich in deren Tochter Avice. Doch was genau diese Schönheit ist, erfahre ich nicht genau. Es hätte mich schon interessiert, welche Proportionen von Gesicht und Körperbau bzw. welche äußerlichen Erscheinungen für ihn das Ideal der Weiblichkeit darstellten. So bleibt es meiner Vorstellung überlassen, mir eine Schönheit in meinem Kopf zurechtzuschneidern, die sicherlich der eines Mannes wenig entsprechen würde.Fazit"Die Liebe seines Lebens" war für mich eine sehr unterhaltsame Lektüre, mit einigen melodramatischen Episoden und schönen Landschaftsbeschreibungen. Die feinen Charakterzeichnungen, der unterschwellige humorvolle und leicht sarkastische Erzählton und die gelungene Darstellung der gesellschaftlichen Veränderungen in Bezug auf die Stellung der Frau machen den letzten Roman des berühmten britischen Schriftstellers Thomas Hardy zu einem amüsanten Leseerlebnis.