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Produktbild: Esprit und Leidenschaft | Volker Reinhardt
Produktbild: Esprit und Leidenschaft | Volker Reinhardt

Esprit und Leidenschaft

Kulturgeschichte Frankreichs

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Wie Gott in Frankreich: Volker Reinhardts glänzende Kulturgeschichte

Die Leichtigkeit des genussvollen Lebens - "wie Gott in Frankreich" - und klare Vernunft: Diese besondere Mischung wurde im Mittelalter als "süßes Frankreich" gerühmt und von den östlichen Nachbarn später als Frivolität abgetan. Volker Reinhardt beschreibt anhand von herausragenden Werken der Literatur, Malerei, Architektur und Musik, der Mode, Film- und Kochkunst, wie sich diese Kultur seit dem 11. Jahrhundert herausgebildet hat, in immer wieder neuen Erfindungen und doch so, dass sich faszinierende Verbindungen über die Jahrhunderte zeigen.

Frankreich, das sind wohlgeordnete Gärten und Boulevards, klares cartesianisches Denken, die Staatsräson eines Kardinal Richelieu und die Prinzipientreue des Code Napoléon. Frankreich, das sind andererseits die kriegerischen und amourösen Leidenschaften der Troubadoure, Lustschlösser an der Loire, tragische Liebschaften, große Gefühle und elegante Verführung in Literatur und Theater, Film und Haute Couture. Frankreich, das ist schließlich subversiver Geist von Christine de Pizans Stadt der Frauen über den Spott Voltaires und Baudelaires Poesie des Morbiden bis zu Asterix dem Gallier. Volker Reinhardt zeigt, wie das Streben nach Klarheit und Ordnung, religiöse, intellektuelle, erotische Leidenschaft und der Geist der Unterwanderung und des Umsturzes eine Einheit bilden, die das unverwechselbare Flair der französischen Kultur ausmacht. Sein mit wunderbarer Leichtigkeit geschriebenes Buch lädt dazu ein, sich von Esprit und Leidenschaft des «süßen Frankreich» anstecken zu lassen.

  • "Es gehört zu Reinhardts Stärken, mit wenigen Sätzen auch komplexe historische Sachverhalte verständlich auf den Punkt zu bringen." Falter
  • Tausend Jahre Savoir-vivre: Werke, Autoren, Künstler
  • Die erste Kulturgeschichte Frankreichs in deutscher Sprache
  • Profund recherchiert, elegant geschrieben
  • Das ideale Geschenk für alle Frankophilen
  • Mit 106 Abbildungen, davon 41 in Farbe, und 5 Karten

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Auf der Suche nach der franzö sischen Kultur

ERSTER TEIL
VON DER KULTUR DER HÖ FE ZUR KULTUR DES HOFES
1100-1330

1. Die Zeit der Troubadoure: 'La Chanson de Roland' und Bertran de Born
2. Die Stadt der Schulen: Paris und die neue Theologie
3. Saint-Denis und die Sainte-Chapelle: Heilige Orte der Monarchie
4. Ritter-Spiegel: Chré tien de Troyes und der hö fische Roman
5. Die Kathedrale von Chartres: Steinwunder in der Provinz
6. Tristan und Isolde: Liebeszauber und Gottesurteil
7. Reims und die Kö nigsweihe: Die Kathedrale der Monarchie
8. Der 'Rosenroman': Die Demaskierung der Liebe und des Hofes

ZWEITER TEIL
AUFLÖ SUNG IM ZEICHEN DES KRIEGES UND NEUANFANG
1330-1560

1. Die Katharer und die Inquisition: Die alternative Kirche im Languedoc
2. Bertrand Du Guesclin und Jeanne d'Arc: Der Retter und die Retterin
3. Isabeau de Baviè re und Christine de Pizan: Frauen an der Macht, Frauen an die Macht
4. Guillaume Dufay: Die Geburt der Polyphonie
5. Franç ois Villon: Der erste der verfluchten Dichter
6. Philippe de Commynes und die Geschichte: Gott bestechen
7. Franç ois Rabelais und die Wohlfü hl-Abtei: Spott ü ber die Unordnung der Welt
8. Franz I. und sein Hof: Trophä en und Schlö sser
9. Das 'Heptamé ron' der Marguerite de Navarre: Der weibliche Blick auf die Macht

DRITTER TEIL
VON DEN 'RELIGIONSKRIEGEN' ZUM HOF VON VERSAILLES
1560-1700

1. Michel de Montaigne: Das Ich, die anderen und die Gewalt
2. Pierre de Brantô me und die galanten Damen: Der Blick durchs Schlü sselloch
3. Heinrich IV. und Fontainebleau: Bilder fü r den neuen Herrscher
4. Kardinal Richelieu: Genie der Macht
5. René Descartes: Die Kunst des methodischen Denkens
6. Pierre Corneille: Dramen fü r Adel und Kö nig
7. La Rochefoucauld: Die Demaskierung des Menschen
8. Pascals Wette: Das Elend des Menschen und der Glaube
9. Moliè re und der Sonnenkö nig: Politische Lustspiele
10. Madame de Sé vigné : Die Erfindung des Briefes
11. Madame de Lafayette: Die Prinzessin von Clè ves und die Aussichtslosigkeit der Liebe
12. Racines Tragö dien: Aussichtslose Leidenschaften
13. Der Spiegelsaal von Versailles: In den Staub mit allen Feinden Frankreichs

VIERTER TEIL
DER TANZ AUF DEM VULKAN
1700-1789

1. Watteau und die 'galanten Feste': Mythologie und Markt
2. Jean-Philippe Rameau: Die Wissenschaft der Musik
3. Voltaire und der Zustand der Welt: Spott, Skepsis, Hoffnung
4. Diderot, die 'Encyclopé die' und Tahiti: Empfindsamer Atheismus
5. Turgot und der Mehlkrieg: Das Scheitern der groß en Reform
6. Der Marquis de Sade und die Bestie Mensch: Aristokratischer Extremismus
7. Der hameau de la reine: Landleben und groß e Angst

FÜ NFTER TEIL
ZEIT DER UMSTÜ RZE
1789-1871

1. Jacques-Louis David und Jean-Paul Marat: Die Politisierung der Kunst
2. Madame Roland und Olympe de Gouges: Frauen und Frauenrechte in der Revolution
3. Tugend und Terror: Rousseau, Robespierre, Babeuf
4. Der Code Napolé on: Das Gesetz nach der Revolution
5. Stendhal und die 'Chroniques italiennes': Archä ologie der Leidenschaften
6. Gé ricaults 'Floß der Medusa': Ä sthetik des Grauens
7. Jules Michelets 'Geschichte Frankreichs': Die Erfindung der Nation
8. Notre-Dame de Paris: Victor Hugo und Eugè ne Viollet-le-Duc
9. Hector Berlioz und Italien: Tod der Romantik
10. Giacomo Meyerbeers Groß e Oper: Der Teufel und die Hugenotten
11. Eugè ne Sue und 'Die Geheimnisse von Paris': Romane und Romantik fü rs Volk
12. Balzac, Flaubert, Maupassant: Der Schriftsteller als Soziologe
13. Poesie des Morbiden: Gott in der Gosse
14. Groß e Kü che - Hohe Kü che - Neue Kü che: De la Varenne, Escoffier, Bocuse

SECHSTER TEIL
DIE MODERNE UND IHRE BRÜ CHE
Seit 1871

1. Eiffelturm und Pariser Mé tro: Triumph der Technik und neue Verspieltheit
2. Der Impressionismus und seine Ü berwindung: Landschaft sehen oder Landschaft denken
3. Impressionismus in der Musik: Debussy, Ravel und die Silberfarben des Klanges
4. Henri de Toulouse-Lautrec: Maler des Montmartre
5. Die Dreyfus-Affä re: Der Schriftsteller als ö ffentlicher Anklä ger
6. Die Tour de France: Fahrende Ritter, ambulante Apotheke
7. Marcel Prousts wiedergefundene Zeit: Die Techniken der Erinnerung
8. Neue Blicke auf die Geschichte: Marc Bloch, Fernand Braudel und die Annales
9. Chanel, Dior, Saint-Laurent: Mode, Mythos und Marke
10. Die neue Ethnologie: Michel Leiris und Claude Lé vi-Strauss
11. Chanson und Philosophie: Auflehnung und Weltschmerz
12. Camus, Sartre, de Beauvoir: Existentialismus als politische Lebenskunst
13. Frantz Fanon und der Kolonialismus: Das schwarze Frankreich
14. Nouvelle Vague, Nouveau Ciné ma: Das franzö sische Kino und seine Neuerfindungen
15. Asterix und seine Vorgä nger: Bandes dessiné es und Zeitgeist
16. Das Centre Pompidou und seine Kritiker: Sprung in die Moderne
17. Pyramide und Groß er Bogen: Mitterands Paris

ANHANG
Karten
Literatur
Bildnachweis
Personenregister

Produktdetails

Erscheinungsdatum
12. Februar 2025
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
656
Autor/Autorin
Volker Reinhardt
Illustrationen
mit 106 Abbildungen, davon 41 in Farbe, und 5 Karten
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Abbildungen
mit 106 Abbildungen, davon 41 in Farbe, und 5 Karten
Gewicht
1222 g
Größe (L/B/H)
246/170/46 mm
ISBN
9783406829185

Portrait

Volker Reinhardt

Volker Reinhardt ist Professor em. für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er hat bei C. H. Beck zahlreiche Bücher vor allem zur italienischen und französischen Geschichte vorgelegt, u. a. "Die Macht der Schönheit. Kulturgeschichte Italiens" (4. Aflg. 2022) und Biographien über de Sade, Voltaire, Montaigne sowie zuletzt Giordano Bruno ("Der nach den Sternen griff", ²2024). Für sein Lebenswerk wurde er 2020 mit dem Preis der Kythera-Kulturstiftung ausgezeichnet.

Pressestimmen

Ein faszinierend tiefenscharfes und vielfältiges Panorama der Geschichte und Gesellschaft Frankreichs. Eine Kulturgeschichte Frankreichs zu schreiben, die das kulturelle Selbstverständnis des Landes auslotet, ohne in die Stereotype zu verfallen.
Neue Zürcher Zeitung, Clemens Klünemann

Anhand von Literatur, Malerei, Architektur und Musik, von Mode, Film- und Kochkunst zeigt der Historiker von der Universität Fribourg, wie sich die französische Kultur seit dem 11. Jahrhundert herausgebildet hat.
Sachbuch-Bestenliste von WELT, NZZ, RBB Kultur und Radio Österreich 1 im März 2025

Um sich die Besonderheiten des Landes zu vergegenwärtigen lohnt sich die Lektüre von Volker Reinhardts Esprit und Leidenschaft.
Berliner Morgenpost, Tobias Schwartz

Bravourös"
NZZ Geschichte, Thomas Ribi

Reichlich Lesevergnügen
Falter Bücher-Frühling, Thomas Leitner

Ein überragender Stilist Der Zugang zu beinahe tausend Jahren Geschichte wird aber auch dadurch erleichtert, dass Reinhardt seinen Stoff auf elegante, nie effekthascherische Art zu fassen weiß
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Lena Bopp

Ein grandioses Leseerlebnis und wahrlich äußerst eindrucksvoll.
lebensart

Die Kritiker lieben' s
Perlentaucher, Das Kulturmagazin

Ausgestattet mit einem untrüglichen erzählerischen Gespür schlägt Reinhardt Schneisen in das unüberschaubare Dickicht des französischen Geisteslebens der letzten Tausend Jahre. Pointiert, voller Esprit und ohne jede Bildungsschwere: Für an Frankreich Interessierte führt kein Weg an diesem Buch vorbei.
SWR Kultur, Roman Kaiser-Mühlecker

Ein Meisterwerk.
Frankfurter Rundschau, Stephan Klemm

Reinhardt reist durch die Jahrhunderte des süßen Frankreichs. Leicht und inspirierend zugleich.
ZEIT, ZDF, Deutschlandfunk Kultur Bestenliste Juni 2025

Viele Kulturgeschichten haben was Verschmocktes, diese bleibt leicht bei aller Tiefe.
Welt am Sonntag, Maria Delius

Das Buch ist ein Augenöffner, den ich nur empfehlen kann.
Deutschlandfunk Kultur Lesart, Marko Martin

Besprechung vom 22.03.2025

Eine gewisse Vorstellung

Von Voltaire zu Coco Chanel, von Reims nach Chartres und von den Troubadouren zur Tour de France: Volker Reinhardt wagt sich an eine umfassende Kulturgeschichte Frankreichs.

Von Lena Bopp

Von Lena Bopp

Volker Reinhardt hat sich zeit seines Historikerlebens mit der Geschichte Italiens befasst. Vor ein paar Jahren erschien unter dem Titel "Die Macht der Schönheit" sein hoch gelobtes, mittlerweile in vierter Auflage vorliegendes Buch über die Kulturgeschichte des bel paese. Immer wieder hat Reinhardt seinen Blick aber auch ins benachbarte Frankreich gelenkt. Unter den gut zwei Dutzend historischen Abhandlungen aus seiner Feder finden sich drei Biographien von Figuren aus der französischen Geschichte - den Marquis de Sade (2014), Voltaire (2022) und Montaigne (2023). Und alle drei tauchen nun wieder auf.

In ungleich knapperer, dafür präzise-pointierter Form sind ihnen als herausragende Personen der französischen Historie einzelne Kapitel in Reinhardts "Esprit und Leidenschaft" betitelter Kulturgeschichte Frankreichs gewidmet. Das mehr als sechshundert Seiten umfassende Werk ist in sechs Teile (oder Epochen) gegliedert, die ihrerseits in zwischen acht und siebzehn Kapitel unterteilt sind. Nicht alle, aber die meisten von ihnen untersuchen, ausgehend von einzelnen Figuren, wie diese (ebenso wie Mit- oder Gegenspieler) über ihre Zeiten hinaus prägend wirkten.

Das beginnt mit dem um 1100 entstandenen Rolandslied und dem Ritter und Troubadour Bertran de Born, geht über den "verfluchten Dichter" François Villon, den "methodischen Denker" René Descartes, den Enzyklopädisten Denis Diderot und den Nationalhistoriker Jules Michelet bis hinein ins zwanzigste Jahrhundert, wo sich Reinhardts Kulturbegriff merklich weitet und auch Felder wie die Küche (Auguste Escoffier), die Mode (Coco Chanel) und den Sport (Tour de France) umfasst.

Er verstehe Kultur, so schreibt Reinhardt, als "Gesamtheit und Summe von ästhetischen Konzepten, Geschmacksrichtungen und Kunststilen, Phantasievorstellungen, Utopien, Bewusstseinshorizonten, Wertesystemen, Zeitkritik und Zukunftsentwürfen und als Umsetzung dieser 'Kopfwelten', Bewusstseinshorizonte und Mentalitäten in kollektives Verhalten". Das mag ein wenig umständlicher klingen als nötig. Aber diese weite Definition hat den Vorteil, dass sich nicht nur streng genommen Kulturfremdes, sondern auch Hoch- und Volkskultur, und zwar sowohl dies- als auch jenseits königlicher Höfe und Hauptstädte, subsumieren lässt. Und Reinhardt macht von den mannigfachen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, regen Gebrauch.

Zugute kommt ihm dabei, dass er ein überragender Stilist ist. Der etwas kleinteilige Aufbau seines Buchs prädestiniert es dazu, ein beliebtes Nachschlagewerk zu werden. Der Zugang zu beinahe tausend Jahren Geschichte wird aber auch dadurch erleichtert, dass Reinhardt seinen Stoff auf elegante, nie effekthascherische Art zu fassen weiß - in so gut wie jedem Kapitel nach einem stets ähnlichen Muster: Einer kurzen Einleitung folgen biographische Elemente, die Exegese meist eines (Haupt-)Werks, dessen Rezeption zu Lebzeiten und Wirkgeschichte in der Nachwelt. Wobei all diese Überlegungen stets eingebettet sind in das, was Franzosen "histoire événementielle" nennen, in die Ereignisgeschichte.

Reinhardt begreift kulturelle Produktionen als Spiegel historischer Entwicklungen und analysiert sie beispielhaft: der höfische Roman "Eric et Enide" von Chrétien de Troyes wird so etwa zum Ausdruck einer aufsteigenden, zentralen Monarchie, wie sie sich im zwölften Jahrhundert in Frankreich anbahnte - Gegenbewegungen inklusive. Dass etwa ausgerechnet einem Ort, fast möchte man sagen: Kaff, wie dem von weiten, flachen Feldern umgebenen Chartres (ein weiteres Beispiel findet sich in Reims) eine so imposante gotische Kathedrale geschenkt wurde wie jene, die in vergleichsweise kurzer Bauzeit im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts entstand, mag bis heute verwundern. Es ist aber gut nachvollziehbar, wenn man die Entstehung dieses sakralen Baus als Willensbekundung einer "klerikalen Provinz-Oligarchie" begreift, die der aufstrebenden Monarchie das eigene Geltungsbewusstsein entgegenhielt. Und wer nun in dieser Art von geweihtem Wettrüsten frühe Anklänge eines für Frankreich spätestens seit 1789 charakteristischen Spannungsverhältnisses zwischen Peripherie und Zentrum vernimmt, der liegt vielleicht nicht ganz falsch.

Zu Beginn von Reinhardts Zeitreise manifestiert sich Kultur vor allem in Gestalt von Architektur und, weit mehr noch, von Literatur. Das hat nicht nur etwas mit der Quellenlage zu tun. Der Autor schreibt der französischen Kultur in einer einleitend und bewusst gewählten Zuspitzung zu, in höherem Maße als etwa "die bildzentrierte Kultur Italiens" und "die musiklastige Kultur Deutschlands" auf Worte, Ideen, Ideologien, Theorien, kurzum auf den schwer übersetzbaren esprit gegründet zu sein.

Die Annäherung an Kultur bedeutet so vor allem Textanalyse, die bei Reinhardt ebenso scharfsinnig wie kurzweilig daherkommt. Sie beginnt mit dem "Rosenroman" (um 1280) des Jean de Meung, der die um Rittertum, Religion und höfisches Leben kreisenden Werte seiner Zeit in spotttriefenden Versen demaskierte. Auf diese Weise habe er eine "Gegenkultur der Alles-Infragestellung" begründet, die Reinhardt zwei Jahrhunderte später zu Recht von François Villon und François Rabelais fortgeführt sieht. Auch Voltaire nennt Reinhardt einen "Alles-Infragesteller" und zieht auf diese Weise eine von mehreren, durch die Jahrhunderte sich entwickelnden "Verbindungslinien", denen ein Hauptaugenmerk seiner Kulturgeschichte gilt. Er wolle "repräsentative Stationen" der Geschichte so darstellen, dass vertiefte Einsichten in Ideen, Trends und Stilentwicklungen geboten würden. Diese "Brennpunkte" möchte er zugleich so miteinander verknüpfen, dass Leitmotive sichtbar werden.

So rücken beispielsweise die berühmten Briefe, in denen eine Madame de Sévigné oft in virtuos zur Schau gestelltem Plauderton über das Leben am Hofe Ludwigs XIV. berichtete, an die Seite der ein gutes Jahrhundert früher erschienenen "Essais" von Michel de Montaigne. Und dessen Lob des gepflegten Streitgesprächs und seine Anregung zur Selbstreflexion finden einen geistigen Vorläufer in den "Mémoires" des Diplomaten und Schriftstellers Philippe de Commynes, der mit seiner Mischung aus Historiographie und Erforschung des Menschen eine erste Bresche schlug.

Eine andere Verbindung zieht Reinhardt zwischen mehreren femmes de lettres, die sich durch die Jahrhunderte miteinander zu unterhalten scheinen: Mit Christine de Pizan, die in ihrem erst jüngst in deutscher Übersetzung erschienenen Werk "Stadt der Frauen", schon um 1404/05 eine utopische, von Frauen regierte Gegenwelt zu ihrer stark patriarchalisch geprägten Lebenswirklichkeit entwarf, wurde eine Traditionslinie begründet, die sich nicht nur mit Marie de Gournay und Madame de Lafayette fortsetzte. Sondern auch mit Olympe de Gouges, die inmitten der Umwälzungen der Französischen Revolution konkrete Forderungen nach Gleichberechtigung von Frauen in ihrer berühmt gewordenen "Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne" (1791) erhob - und die dafür auf der Guillotine landete. Ihr Manifest geriet daraufhin lange in Vergessenheit. Im zwanzigsten Jahrhundert aber nahm Simone de Beauvoir den Faden in "Das andere Geschlecht" wieder auf.

Eine weitere Traditionslinie, die Auswirkungen bis in die Gegenwart zeitigt, beschreibt Reinhardt ausgehend von seinem Kapitel über Émile Zolas im Jahr 1898 erschienenen Brandbrief "J'accuse", mit dem dieser die Dreyfus-Affäre in Bewegung brachte und das "Rollenverständnis des kritischen Intellektuellen als Vierte Macht" entscheidend prägte. Dass mit einem durchaus vergleichbaren Selbstverständnis vor Zola bereits andere ausgestattet waren, allen voran Voltaire, liegt auf der Hand. Dass Zola das Profil des engagierten Intellektuellen zwar geschärft, mit seiner Parteinahme aber auch zur Spaltung dieses Milieus in ein links-progressives und ein katholisch-konservatives Lager beigetragen hat, ist ebenfalls bekannt. Gerade vor dem Hintergrund der bis in die Gegenwart reichenden Spuren dieser Polarisierung, die aus deutscher Sicht doch immer wieder extrem und unheilvoll anmutet, liest man diese Ausführungen hingegen abermals mit Gewinn.

Mit dem literarischen Schaffen Émile Zolas hätten sich auch die Schicksalsjahre 1870/71 erschließen lassen. Die Novellen von Guy de Maupassant, von denen in anderem Zusammenhang kurz die Rede ist, wären ebenfalls geeignet gewesen, ein Licht auf die für Frankreich so demütigende Niederlage im Krieg gegen das preußische Deutschland zu werfen. Aber Reinhardt wählt hier den Zugang über die Musik. Er zitiert vor allem Claude Debussy, der jener von deutschen Komponisten beanspruchten Führungsrolle in der Musik etwa die Wiederentdeckung eines Jean-Philippe Rameau entgegensetzte. Guillaume Dufay, Hector Berlioz, Giacomo Meyerbeer und Maurice Ravel sind weitere Musiker, denen eigene Kapitel zugedacht werden. Aus dem Bereich der Kunst sind derweil mit dem Versailler Hofmaler Charles Le Brun, Jean-Antoine Watteau, Jacques-Louis David, Théodore Géricault, mit diversen Impressionisten sowie mit Henri de Toulouse-Lautrec einige der wichtigen bildenden Künstler Frankreichs vertreten. Ob es tatsächlich die wichtigsten sind, ist Ansichtssache und wird es wohl auch bleiben.

Denn natürlich tun sich in der Art von Kulturgeschichte, wie Volker Reinhardt sie geschrieben hat, immer Lücken auf. Ohne Verzicht ist ein Fokus auf das Wesentliche nicht zu haben. So gibt es etliche Figuren, Strömungen und Stile, die man vermissen darf - insbesondere im zwanzigsten Jahrhundert, das aus der Literaturgeschichte einzig Marcel Proust mit einem eigenen Kapitel beehrt und einen naturgemäß eher philosophisch interessierten Blick auf die Existenzialisten wirft. Auf alle anderen literarischen Größen seit 1900, auf André Gide und Jean Genet, um nur diese zwei zu nennen, verzichtet Reinhardt zugunsten etwa des Historikers und Widerstandskämpfers Marc Bloch, der den von ihm geforderten Platz im Panthéon mittlerweile ja auch bekommen hat. Außerdem widmet er sich Frantz Fanon und dessen Kritik des Kolonialismus. Er wirft einen kursorischen Blick auf das französische Kino zwischen Nouvelle Vague und Nouveau Cinéma (Letzteres im Doppelpass mit dem Nouveau Roman). Und er liest ein bisschen in den in Frankreich so beliebten Comics um Asterix und Co.

All diese Kapitel zum Ende des Buches hin wirken etwas atemlos und, aufgrund der doch gewaltigen Sujets, die sie jeweils behandeln, kürzer, als ihnen vielleicht guttut. Aber dieser Eindruck lässt sich auch als Anregung für den Autor begreifen, sich der ein oder anderen Figur in einem eigenen Werk vertieft zu nähern. Das Einzige, was dann tatsächlich zu monieren wäre, betrifft das letzte Kapitel, das die Grands Projets genannten Kulturbauten französischer Präsidenten unter die Lupe nimmt, allen voran Mitterrands. Der aber wird immer noch mit zwei r geschrieben, nicht mit einem. Aber wenn es sonst nichts ist . . . Und sonst ist es wirklich nichts.

Volker Reinhardt: "Esprit und Leidenschaft". Kulturgeschichte Frankreichs.

C. H. Beck Verlag,

München 2025.

656 S., Abb., geb.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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Charmante Grande Nation

Grand Plaisir bereitet Volker Reinhardts Kulturgeschichte Frankreichs. Elegant und detailreich verknüpft er die Zeugnisse einer ereignisreichen Historie, die neben der Hochkultur auch vermeintlich Triviales einschließt. Neben französischer Geschichte vermittelt das Buch spannende Ausblicke auf europäischen Geschichte. Italien sei für seine Bildende Kunst berühmt, Deutschland für seine Musik und Frankreich für seine Ideengeschichte. Nicht nur: Es gibt Ausführungen zu Architektur und Religion, Haute Cuisine und Haute Couture, Literatur, Film, Musik, Eifelturm und Tour de France. Reinhardt hat in seinem allumfassenden Werk fast niemand und nichts vergessen. Auch Themen wie Kolonialgeschichte, Kunstrestitution und Résistance finden ihren gebührenden Platz. Wie Ludwig XIV. und andere bedeutenden Herrscher verewigten sich moderne Präsidenten in prachtvollen Bauwerken. Reinhardt erwähnt anscheinend kleine Details wie die Verbindung zwischen Pierre Corneille (dt. die Krähe) und dem Asterix Abenteuer in der Trabantenstadt. Es sind auch diese kleinen Details, die uns die Grande Nation und ihre wechselvolle Geschichte charmant nahebringen.
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