Ein stilles, scharf beobachtetes Sommerbuch über Erwartungen, Herkunft und das Verstummen in Beziehungen
Weike Wang, die für ihr Debüt "Chemistry" mit dem PEN/Hemingway Award ausgezeichnet wurde, legt mit "Die Ferien" ihren ersten Roman in deutscher Übersetzung vor. Die promovierte Chemikerin lebt in New York und setzt sich in ihren Büchern mit Herkunft, Anpassung und Beziehungsdynamiken auseinander. In "Die Ferien" geht es um zwei Sommer, zwei Familien, viele unausgesprochene Konflikte und eine Beziehung, die langsam aber sicher auseinanderdriftet.
Worum gehts genau?
Keru ist als Kind aus China in die USA eingewandert, arbeitet inzwischen erfolgreich als Unternehmensberaterin. Ihr Mann Nate, Biologe mit Spezialgebiet Fruchtfliegen, stammt aus einfachen amerikanischen Verhältnissen. Gemeinsam haben sie sich bewusst gegen Kinder entschieden zum Unverständnis beider Familien. Um es allen recht zu machen, planen sie zwei gemeinsame Urlaube mit ihren Eltern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch was als Versuch zur Versöhnung beginnt, endet in Frustration, alten Wunden und einem lautlosen Auseinanderbrechen. Zwischen Klassismus, Rassismus und familiärem Erwartungsdruck entfaltet sich ein leises, eindringliches Porträt einer interkulturellen Beziehung.
Meine Meinung
Ich war neugierig auf "Die Ferien" nicht zuletzt wegen des Covers und der ansprechenden Thematik. Es ist kein klassischer Roman mit dramatischem Spannungsbogen. Stattdessen liest sich das Buch wie eine Serie klug formulierter Momentaufnahmen. Die Sprache ist präzise, oft trocken und gleichzeitig sehr atmosphärisch. Weike Wang schreibt reduziert, aber tief. Statt großer Handlung gibt es viele kleine, feine Beobachtungen über Alltagsrassismus, familiäre Schuld, Erwartungen, Sprachlosigkeit.
Dabei hat mich vor allem die thematische Tiefe überzeugt: Die Beziehung zwischen Keru und Nate ist voller unaufgelöster Spannungen, die sich nicht in großen Streits, sondern in kleinen Dialogen und inneren Monologen zeigen. Der gesellschaftliche Druck, ein "richtiges Leben" zu führen (Haus, Kind, Harmonie), zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Besonders die schonungslosen Szenen über das Nicht-Kinderkriegen sind stark.
Die thematische Vielfalt ist beeindruckend: Von internalisiertem Rassismus über familiäre Schuld, bis hin zu subtilen Klassenunterschieden und Machtgefällen ("Unsere Meinungen sind nicht gleichwertig", S. 19). Auch das Thema Herkunft wird reflektiert und "aufgearbeitet.
Trotzdem hatte ich auch Kritikpunkte: Der Roman ist sehr beschreibend und arm an Handlung. Wer gern dialogstarke Bücher liest, wird hier vielleicht nicht ganz glücklich. Auch die Zeitsprünge sind teilweise verwirrend. Nach etwa zwei Dritteln lässt die Spannung für mich spürbar nach. Und obwohl die Themen faszinieren, hat mich die Geschichte emotional nicht durchgehend gepackt.
Fazit
"Die Ferien" ist kein page-turner, aber ein literarisch kluges Sommerbuch über Herkunft, Erwartungen und das Verstummen in der Liebe. Eine ruhige, stellenweise bittere Lektüre, die lange nachhallt. Für alle, die Familienkonflikte lieber zwischen den Zeilen lesen. Von mir gibt es eine Empfehlung für alle, die beschreibende Romane ohne viel Handlung aber mit subtiler Gesellschaftskritik mögen.