Bella ist fünfzehn Jahre alt und hat es gerade nicht leicht: ihre Eltern haben sich getrennt, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester wechselt sie wochenweise zwischen den beiden und ihre Großmutter ist vor kurzem erst gestorben. Zudem spürt sie großen Leistungsdruck in der Schule und das Gefühl, zu jeder Zeit funktionieren zu müssen. Das alles erträgt sie nur durch die Abende mit ihrer Clique, bei denen der Alkohol fließt. Dass der Alkohol auch immer präsenter im Alltag und nicht nur mit ihrer Clique zusammen wird, verdrängt Bella lieber. Bis eines Tages nichts mehr geht und Bella dämmert, dass sie so nicht weiterleben kann. Eine schwierige Reise für sie beginnt.
Ich kann nur sagen: wow! Was für ein grandioses, wichtiges und eindrückliches Buch! Ich hatte zuvor noch nichts von Kathleen Glasgow gelesen, aber das Thema Alkoholsucht in Verbindung mit dem tollen Cover und Klappentext hat mich neugierig gemacht. Es ist kein leichtes Buch für zwischendurch, es ist harter Tobak, denn mit Bella geht man sprichwörtlich durch die Hölle. Ungeschönt und echt beschreibt sie alles, was ihr im Kopf herumschwirrt: angefangen vom Alkohol besorgen (für sie und ihre Freunde als Minderjährige gar nicht so leicht), ihr Gefühl beim Trinken, ihr Verlangen nach mehr und Abstürze und Filmrisse aller Art. Oft musste ich das Buch kurz zur Seite legen, weil es so intensiv ist, dass man das Gelesene erst verarbeiten muss.
Bella ist ein ganz normaler Teenager, der gerade in einer schwierigen Phase steckt. Angefangen vom Leistungsdruck in der Schule über den Tod der Großmutter, der in der Familie nie thematisiert oder aufgearbeitet wurde bis zu den streitenden Eltern, zwischen denen sie und ihre Schwester pendeln müssen. Vor allem die Eltern haben mich oft unheimlich wütend gemacht: sie benutzen Bella als "Sprachrohr" um nicht miteinander kommunizieren zu müssen, auch das zu Bett bringen der Schwester überlassen sie meist Bella, denn sie meistert ja scheinbar mühelos den ganzen Alltag. Und wenn sie funktioniert und alles perfekt schafft und unter einen Hut bekommt, sind auch alle um sie herum glücklich, oder? Die Eltern ziehen sich geschickt aus der Affäre und der Verantwortung, denn als Eltern in Trennung hat man ja genug Probleme - und Bella schafft das alles schon. Sie verliert sich dabei immer mehr und es tut weh beim Lesen, sie in ihrer Zerrissenheit und Erschöpfung zu erleben. Oft wollte ich sie einfach in den Arm nehmen und die Last von den Schultern, denn dass sie psychisch immer mehr abbaut, sollten eigentlich alle um sie herum merken. Einzig ihre beste Freundin macht sich Sorgen um sie und bemerkt den verstärkten Alkoholkonsum. Aber Bella redet sich immer wieder geschickt raus und entwickelt Möglichkeiten und Schlupflöcher, wie sie heimlich und unbemerkt trinken kann.
Wenn man beim Lesen denkt, dass das alles schon schlimm und fordernd zu lesen ist, wartet noch erst die größte Herausforderung: ein Aufenthalt in der Suchtklinik für Jugendliche. Was sie dort erlebt, möchte ich gar nicht spoilern und zu ausführlich beschreiben, denn sie durchlebt alle Phasen des Nichttrinkens, des Verlangens und noch mehr.
Das Buch ist komplett aus Bellas Ich-Perspektive geschrieben, was einem das Mädchen und die Probleme nochmal viel näher bringt. Auch das Nachwort ist bewegend und toll geschrieben, man merkt der Autorin beim Lesen an, dass es keine einfach zu schreibende Geschichte für sie war.
Alkohol ist leider, vor allem in unserer Gesellschaft, allgegenwärtig und wird zu oft verharmlost und in den Alltag integriert. Auch z.B. Bellas Vater lässt nichts auf sein "Feierabendbier" kommen und in der Clique und auf Partys sowieso ist der Alkohol stets präsent.
Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung für dieses wichtige und eindrückliche Buch. Auch als Schullektüre könne ich mir das Buch vorstellen, zeigt es doch die Gefahren von Alkoholsucht auf und wie leicht es jeden von uns treffen kann. Aber auch Erwachsenen möchte ich das Buch empfehlen. Es sollte öfter Bücher wie dieses geben! Unbedingt lesen!