Cristina Karrer, der Name sagte mir zunächst gar nichts, aber dann ich erinnerte mich an einen Dokumentarfilm, den sie gedreht hatte. Die Autorin ist Schweizerin, wuchs sie in einem Kinderheim auf und studierte später Geografie. Man erfährt gleich zu Beginn, dass sie nicht mehr ganz gesund ist, schlecht laufen kann (das habe ich mit ihr gemeinsam) und nach Jahren als Korrespondentin in Irak und anderswo nach Südafrika auswanderte. Dort lebt(e) sie nun seit 25 Jahren. Im Buch, das ihr afrikanisches Leben beschreibt und ihre afrikanischen Dramen, die sie erlebte, ist sie alles andere als eine Superheldin. Sie stellt ihre Schwachstellen ohne zu zögern ins Rampenlicht ihres Schreibens, als Leser schüttelt man mitunter verwundert den Kopf ob der gewissen Naivität, aber auch der Abgebrühtheit, mit der sie ihrem Alltag begegnet. Wie schwierig es ist, sich in diesem afrikanischen Land, das ein Jahrhundert der Umbrüche, der Apartheid und der politischen Wirren hinter sich hat, als weiße Frau zu etablieren, eventuell sich einzufügen, das beschreibt sie sehr drastisch.
Mich hat es verlockt, über eine Frau zu lesen, die aus dem sicheren Europa in die Welt hinausgegangen ist, ohne Furcht und mit sehr viel Urvertrauen. Dass ihr Letzteres am Ende doch nicht ganz verloren gegangen ist, hat sie wohl weniger anderen Menschen als sich selbst zu verdanken. Tina, das ist das Alter Ego von Cristina Karrer, die so unheimlich viel Aufregendes erlebt hat, dass es mir schier den Atem verschlug. Aus der konventionellen Schweiz war sie ja bereits in jungen Jahren ausgebrochen, bevor sie nach Südafrika auswanderte. Ich habe in den 1980er Jahren bis zur Befreiung Südafrikas von der Apartheid und der Freilassung von Mandela mit Emigranten aus Südafrika (ANC), Rhodesien (ZANU und ZAPU), heute Simbabwe, und Namibia (SWAPO) zusammengearbeitet, so dass mich sehr interessiert hat, wie die Autorin diese Menschen in ihrer natürlichen Heimat wahrnahm.
Als Journalistin und Kamerafrau hatte die Autorin tiefen Einblick in die Verhältnisse, in die unterschiedlichsten Lebenslagen und merkwürdigsten Charaktere. Tief im Inneren ist sie ein Mensch mit Helfersyndrom, anders kann ich es nicht beschreiben. Sie erinnert mich an die euphorischen Menschen, die 2015 während der Flüchtlingskrise und nach Beginn des Ukrainekrieges aufopfernd für vollkommen fremde Menschen alles nur Menschenmögliche unternahmen. Und früher oder später enttäuscht feststellen mussten, dass sie weder mit Dankbarkeit noch mit Verständnis überschüttet wurden, dass die aufgenommenen Flüchtlinge nicht unbedingt ihrem Idealbild folgten. Das Wort Gutmensch wurde regelrecht zum Schimpfwort. Auch Tina begibt sich in diese Lage, noch schlimmer, sie fraternisiert mit ihren Hausangestellten und wird für Freunde wie Liebhaber zur melkenden Kuh. Es dauert sehr lange, bis sie bemerkt, dass zum Beispiel Drogenkonsum und Alkoholsucht für ihre meist schwarzen Mitbewohner, die sie nach und nach ins Haus holt, vollkommen normal sind. Mir war die Beschreibung dieser Art des menschlichen Zusammenseins regelrecht zuwider, die Autorin schlachtete zudem sämtliche Ereignisse geradezu selbstzerfleischend aus.
Ich habe das Buch zu Ende gelesen, aber es hat mir nicht so gefallen, wie ich es erhoffte. Das Warten auf Susy gestaltete sich zu einem ewigen Warten auf Besserung der Verhältnisse, der Menschen, des Lebens. Susy, die Titelfigur, wird trotz ihrer Unzuverlässigkeit, ihrer Ansprüche, jeglicher Unzulänglichkeiten als die große Liebenswürdige dargestellt. Trotzdem lernt man sie nicht richtig kennen. In Afrika, auf Afrikaner muss man wohl oder übel immer warten, ihr Lebensrhythmus ist weder konventionell noch europäisch, schon gar nicht wie der einer Schweizer Taschenuhr. Das weiß ich aus meinen früheren Erfahrungen sehr gut. Ihre Hilfsbereitschaft lebt den Augenblick, Drogen oder Alkohol können beste Vorsätze binnen Minuten vergessen machen. Trotzdem sollte man, wie die Autorin es am Ende betont, endlich dazu übergehen, Afrika nicht ständig in der Opferrolle zu sehen oder als Almosenempfänger. Afrika kann gut allein fertig werden mit seinen Problemen, nur eben auf afrikanische Art.
Was mich an diesem Buch sehr verärgert hat, ist die feministische und gendergerechte Art, teilweise liest sich der Roman eher wie eine Reportage. Und mit all den überflüssigen Doppelnennungen von Journalisten und Journalistinnen, Afrikanern und Afrikanerinnen etc. eher wie ein gewöhnlicher Zeitungsartikel.
Fazit: Der Lebensbericht einer Ausgewanderten, die bei aller Liebe zur neuen Heimat Südafrika auf unzählige Probleme stößt. Mit nun Mitte 60 ist sie einigermaßen bei sich angekommen, ich wünsche ihr, dass sie ihr Leben mit ihrem Ehemann genießen kann.