In seiner Biografie Vom Westen nichts Neues schildert Emran Feroz sein Leben zwischen zwei Welten: den Tiroler Alpen und Afghanistan. Der renommierte Kriegsreporter und Menschenrechtsaktivist beleuchtet nicht nur seine persönlichen Erfahrungen mit Rassismus und Migration, sondern entlarvt auch die westlichen Klischees über "die" muslimische Welt (die es so ja nicht gibt). Feroz, der seit Jahren aus und über Afghanistan berichtet, verbindet in seinem Buch die Geschichte seiner Familie mit einer scharfsinnigen Analyse politischer und gesellschaftlicher Realitäten.
Worum gehts genau?
Das Buch erzählt die Geschichte von Emran Feroz' Familie, die Ende der 1970er-Jahre nach Europa kam, und seine eigene Kindheit und Jugend in Tirol. Obwohl Feroz in Österreich aufwuchs, blieb ihm die volle Akzeptanz oft verwehrt, vor allem nach den Anschlägen von 9/11, als er plötzlich als potenzieller Terrorist wahrgenommen wurde. Später, als Journalist und Menschenrechtsaktivist, entdeckte er Afghanistan das Land, das als seine Heimat galt, obwohl er es nie zuvor besucht hatte. Das Buch thematisiert den internen Konflikt vieler Migranten, die im Westen leben, und zeigt, wie tief Rassismus und Doppelmoral in den westlichen Umgang mit der muslimischen Welt eingebettet sind. Feroz erzählt persönlich und zugleich politisch, schafft es aber auch, komplexe Themen wie die Geschichte Afghanistans greifbar zu machen.
Meine Meinung
Vom Westen nichts Neues ist eine beeindruckende Mischung aus persönlicher Biografie und politischer Geschichte, die mir neue Perspektiven eröffnet hat. Als Leserin, die sich bereits intensiv mit Themen wie Flucht, Migration, Heimat und Zugehörigkeit beschäftigt hat, fand ich das Buch auf jeden Fall bereichernd. Feroz gewährt einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt von Menschen in der Diaspora, insbesondere in Österreich, und vermittelt ein realistisches Bild der aktuellen Spaltung und Hetze in westlichen Gesellschaften. Besonders die Passagen über die westliche Doppelmoral im Umgang mit muslimischen Migranten haben mich nachdenklich gemacht.
Die Sprache des Buches ist klar und prägnant. Selbst komplexe historische und politische Zusammenhänge werden verständlich dargestellt, ohne dass die Tiefe darunter leidet. Das ist eine große Stärke des Autors, denn er schafft es, schwierige Themen auch für Leser:innen zugänglich zu machen, die sich zuvor noch nicht eingehender mit Afghanistan befasst haben.
Allerdings hat das Buch auch Schwächen. Die nicht-chronologische Erzählweise könnte für Leser:innen, die weniger mit der afghanischen Geschichte vertraut sind, verwirrend sein. Manchmal fehlte mir auch ein klarer roter Faden es war nicht immer ersichtlich, worauf der Autor hinaus wollte. Diese lose Struktur mag der persönlichen Erzählweise geschuldet sein, störte jedoch gelegentlich den Lesefluss.
Trotz dieser kleineren Kritikpunkte ist das Buch ein Muss für alle, die mehr über die westliche Doppelmoral und die inneren Konflikte von Migrant:innen erfahren möchten. Für Afghan:innen in der Diaspora ist es aus meiner Sicht - ich habe einen persönlichen Bezug zu dem Land - besonders wertvoll, weil es eine differenzierte Perspektive aufzeigt, die in westlichen Debatten oft fehlt.
Fazit
Vom Westen nichts Neues ist ein beeindruckendes, persönliches und aufrüttelndes Buch, das wichtige gesellschaftliche Themen beleuchtet. Trotz kleiner Schwächen in der Struktur überzeugt es durch seinen klaren Stil und die tiefgründige Analyse. Emran Feroz gibt (muslimischen) Menschen in der Diaspora eine Stimme und eröffnet neue Perspektiven. Vier von fünf Sternen.