Mit Leaving Leo gelingt Jay McLean ein leiser, dafür umso kraftvollerer Abschluss der Preston-Brothers-Trilogie und mein persönlicher Lieblingsband der Reihe. Während die ersten beiden Bücher mit emotionalem Witz, lauten Familienmomenten und Bad-Boy-Charme begeisterten, schlägt der finale Band eine nachdenklichere, tiefere Richtung ein und entfaltet genau darin seine ganze Stärke.
Inhalt und Figuren: Im Mittelpunkt steht Leo, der in den Vorgängerbänden stets der ruhige Bruder im Hintergrund war. Ein stiller Beobachter, der lieber liest, als sich Gehör zu verschaffen obwohl er mit Legasthenie kämpft. Sein Charakter wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, doch in diesem Band zeigt sich seine Komplexität: Loyal, feinfühlig und von Selbstzweifeln geplagt. An seiner Seite steht Mia, Tochter der einstigen Nanny der Prestons. Ihre Kindheit war geprägt von emotionaler Vernachlässigung die Sommer bei den Prestons wurden zu einem Zufluchtsort, bis auch dort Verletzungen folgten. Zwischen ihr und Leo entwickelt sich zunächst eine zarte Freundschaft, dann eine tiefere Verbindung doch Missverständnisse, unausgesprochene Worte und alte Wunden reißen sie wieder auseinander.
Erzählweise und Thematik: Jay McLean erzählt Mias und Leos Geschichte über fast ein Jahrzehnt hinweg in vier Teilen, wechselnden Perspektiven und mit spürbarer erzählerischer Reife. Die Handlung beginnt zurückhaltend, nimmt sich Zeit für innere Prozesse und lässt die Leser:innen langsam in das Innenleben beider Protagonist:innen eintauchen. Besonders beeindruckend ist die Art, wie hier mit Themen wie emotionalem Missbrauch, Selbstwert, familiärem Druck und der (fehlenden) Fähigkeit, sich mitzuteilen, umgegangen wird. Leaving Leo konfrontiert aber ohne zu erdrücken. Stattdessen webt sich durch das gesamte Buch ein leiser Hoffnungston, der nie ganz verloren geht.
Stil und Atmosphäre: Der Schreibstil ist gewohnt flüssig, aber reflektierter als in den vorherigen Bänden. Statt impulsiver Schlagabtäusche gibt es hier zarte Dialoge, unausgesprochene Gefühle und ein fast poetisches Ineinandergreifen von Schmerz und Zuneigung. Das ländliche Setting Tatas Haus, das Diner, die Radtouren zum Wasserturm verleiht der Geschichte eine intime, fast magische Ruhe.
Fazit: Leaving Leo ist nicht nur ein gelungener Abschluss der Reihe, sondern ein eindringlicher Coming-of-Age-Roman über das Erwachsenwerden, zweite Chancen und die Kraft des Verstehens. Jay McLean zeigt, dass die leisen Geschichten oft die berührendsten sind. Ein Buch voller Schmerz, Liebe, Vergebung und der Erkenntnis, dass manchmal das größte Wagnis darin besteht, die eigenen Gefühle auszusprechen. Absolute Leseempfehlung!