Joana Junes Debütroman "Bestie" wirft einen schonungslosen Blick auf das Leben junger Frauen in ihren Mittzwanzigern eine Generation, die scheinbar alles perfekt inszeniert, dabei aber innerlich leer bleibt. Die Geschichte spielt in Hamburg und wechselt zwischen den Perspektiven von Anouk und Lilly, zwei Frauen, die verzweifelt nach Bestätigung, Liebe und Aufmerksamkeit suchen, dabei aber kaum echte Gefühle oder Vertrauen zulassen. Als Lilly, die eigentlich Delia heißt, bei Influencerin Anouk einzieht, um sich ein neues Leben aufzubauen, beginnt zwischen den beiden eine Beziehung, die zunächst weder echte Freundschaft, noch mangelndes Desinteresse beinhaltet.
Die Autorin zeichnet ein Bild von Selbstoptimierung und Oberflächlichkeit: Schönheitsoperationen, Filler, Botox und die ständige Inszenierung in sozialen Medien prägen den Alltag der Figuren. Doch hinter dem makellosen Äußeren steckt Leere; echte Probleme werden kaum geteilt, und der ständige Drang nach Bestätigung machte mir die Figuren extrem unsympathisch.
Der Stil von Joana June ist dabei durchaus bemerkenswert: verspielt, pointiert und sprachlich kreativ. Gerade diese Leichtigkeit im Erzählstil hielt mich bei der Stange, obwohl ich mit den Figuren selbst kaum mitfühlen konnte, ihre überspielten Unsicherheiten und ständige Selbstinszenierung wirkten von Beginn an abstossend auf mich. Die Handlung blieb für meinen Geschmack stellenweise dünn, und die Interludes erschlossen sich mir nicht vollständig. Gegen Ende wurde die Geschichte sehr wild, fast so, als wollte die Autorin unbedingt höhere Literatur fabrizieren. Hier hätte weniger mehr sein können.
Der Titel "Bestie" ist doppeldeutig gewählt und passt gut zur Thematik von Schein und Sein. Trotz einiger Schwächen ist das Buch als Debüt solide und der Stil der Autorin lässt Potenzial für die Zukunft erkennen. Allerdings wird mir die Story vermutlich nicht lange im Gedächtnis bleiben.
Insgesamt hinterlässt Bestie einen zwiespältigen Eindruck: Sprachlich stark, inhaltlich oberflächlich. Für Leserinnen und Leser, die sprachliche Experimente schätzen und einen Blick auf die Oberflächenwelt sozialer Medien werfen möchten, lohnt sich die Lektüre emotionale Nähe zu den Figuren sollte man jedoch nicht erwarten.