Düstere Atmosphäre, toller Schreibstil und starke Prota. Leider hat es ab der Hälfte stark an Spannung verloren und Thomas mag ich nicht.
London 1888 - Audrey Rose Wadsworth ist die Tochter eines Lords und muss sich im Leben um Nichts mehr Sorgen machen. Doch dies reicht ihr nicht. Sie geht bei ihrem Onkel Jonathan Wadsworth in die Lehre, um Gerichtsmedizin zu studieren. Als Frau ist es ihr verboten zu arbeiten und schon gar nicht in so einem Geschäft. Deshalb kann sie dies nur heimlich machen, denn gerade ihr strenger Vater würde das gar nicht gefallen.Während ihrer Arbeit gerät sie an einen Fall von grausam zugerichteten Leichen, der sich alsbald als der berüchtigte Jack the Ripper herausstellt. Gemeinsam mit Thomas Cresswell möchte sie den Fall lösen und ahnt zunächst nicht, in welche grausame Richtung sie die Suche nach den Antworten treibt. Ich muss zugeben, dass ich bei dem Buch etwas skeptisch war, was vor allem an der Slow-Burn-Romance lag. Meine Befürchtung war, dass dann der Fokus zu sehr auf der Liebesgeschichte liegt, als auf der eigentlichen Thematik - Jack the Ripper. Denn wenn "Jack the Ripper" thematisiert wird, dann bin ich gerne dabei, weil ich die Geschichte um diesen grausamen Serienmörder, der Prostituierte in London Ende des 19. Jahrhunderts umgebracht hat, sehr interessant finde.Ich fand, dass das Buch sehr gut gestartet ist. Man war direkt in der Handlung drin, denn Audrey Rose befand sich bei ihrem Onkel im Labor und schaute bei einer Obduktion zu. Es war grausam, aber auch irgendwie atmosphärisch und hat mich über meine weiteren Bedenken hinweggebracht, dass ich die Ich-Perspektive nicht sonderlich mag. Die Geschichte wird nämlich ausschließlich aus Audrey Rose Sicht erzählt, was man beim Titel durchaus erwarten konnte.Tatsächlich fand ich den Schreibstil der Autorin sehr angenehm. Sie hat mich gut in die Geschichte gezogen und eine starke Protagonistin gezeichnet, die mit ihrer Rolle nicht sonderlich zufrieden ist. Denn die Geschichte spielt in einer Zeit, als Frauen noch nicht arbeiten durften, wo Mädchen wie Audrey von ihren Vätern an die beste Partie verheiratet wurden und sie als Frau die Aufgaben hatte, das Haus zu hüten, den Mann zu gefallen und diesen wohl Kinder zu schenken. Mit feinen Teegesellschaften kann Audrey nicht sonderlich viel anfangen und hat sich lieber mit den Toten beschäftigt.Es wurde immer wieder Thematik angesprochen und Audrey wirkte immer wieder, als wäre sie eigentlich viel zu modern und feministisch für ihre Zeit, was mir gut gefallen hat. Und als sie zum gefühlten 10. Mal in ihre Schranken verwiesen wurde, war es nicht allein Audrey Rose, die dabei genervt aufgestöhnt hat. Sie konnte sich da nur mit sehr viel eigenen Willen, Komplizen, die ihr bei ihren Unternehmungen halfen und viel Mut aus der Situation herauswinden.Ich hatte wirklich gedacht, dass ein historischer Krimi nichts für mich ist, da ich nicht die historische Leserin bin, wobei ich das inzwischen überdenken muss. Manche historischen Sachen interessieren mich schon, ich möchte nur nichts über die Weltkriege lesen. Auf jeden Fall hat mir die Verwebung der zwei Genre sehr gefallen und da sich das Buch durch den Schreibstil gut lesen ließ, war es ein tolles Ambiente. Nur nach einer Weile hat mich dann die Lovestory doch gestört. Einerseits habe ich über Thomas Cresswell immer wieder die Augen verdreht, da ich nicht ganz verstehen kann, was Audrey an diesen aufgeblasenen, selbstüberschätzenden Gockel finden kann und weil ich dieses gegenseitige angebandel ermüdend fand. Thomas ist zwar nicht die schlechteste Figur, aber mir gehen solche neumalklugen Figuren auf die Nerven, wenn sie nicht das gewisse Etwas haben, was sie für mich interessant machen. Das habe ich bei Thomas leider nicht gefunden, weshalb ich ihn überwiegend nervig fand.Mein Interesse lag auf dem Fall von "Jack the Ripper" und manchmal wirkte es so, als würde das Buch extra in die Länge gezogen. So ab der Hälfte war für mich etwas die Luft heraus und teilweise kamen dann Szenen vor, die ich relativ sinnlos fand, bis dann mal die entscheidende Richtung kam. Dadurch war dann für mich nicht mehr richtig die Spannung da.Ich fand es dann auch recht offensichtlich, wer es sein muss. Fazit:Die düstere Atmosphäre, der Schreibstil und vor allem die Hauptprotagonistin haben mir sehr gefallen. Audrey Rose ist die große Stärke des Buches und auch ein Grund für mich weiterzulesen. Der Schwung von Anfang ist leider irgendwann verpufft und es wirkte langatmig und für einen Krimi für mich zu unspannend. Dennoch fand ich es insgesamt recht gut. 3,5 Sterne.