Seit einem Jahr ist Evelin Dunkworth Teil der heilenden Gruppe der Roten Raben. Diese fordert, untermauert mit klaren Regeln und harten Strafen, absoluten Gehorsam. Und so gerne Evelin in der Rabenburg lebt, lernt und wirkt, so schwerfällt es ihr, sich an diese zu halten und sie nicht zu hinterfragen. Gemeinsam mit ihrem treuen, gefiederten Gefährten Doraz schleicht sie sich häufiger als gut für sie ist in die Stadt. Als Evelin in unmittelbarer Nähe eines Mordes gesehen wird, an dessen Opfer rote Federn platziert wurden, ist es der Lord des Ordens selbst, der die Auszubildende zu Verschwiegenheit verpflichtet. Dabei soll es nicht bei einem Toten bleiben, der ganz Canburgh in Aufruhr versetzt
Die roten Raben, egal, ob Mensch oder Vogel, hielten zusammen und keiner war ohne den anderen vollständig.
Erzählt wird aus den Perspektiven von Evelin und Airril. Letzterer hat einen schweren Stand unter seinesgleichen, gehört sein Vater doch zum inneren Kreis der Roten Raben und gilt als mürrisch und unbarmherzig. Was er von seinem nachdenklichen, sanften Sohn hält, ist allseits bekannt und macht Airril zum Ziel von Spott und Hohn. Seine Unsicherheiten und Ängste, der Druck von Ciaran und das Gefühl, ständig beobachtet, geprüft zu werden, verleiten die Feder dazu, an sich selbst zu zweifeln, sich zu verkriechen. Doch jetzt scheint der Moment gekommen zu sein, in dem Airril über sich selbst hinauswachsen muss, denn seine engste Vertraute will sich nicht dem Befehl des Lords beugen und den mysteriösen Morden selbst auf den Grund gehen. Dabei kommen die Freunde den Geheimnissen innerhalb der Rabenburg auf die Schliche, perfiden Plänen, intriganten Machenschaften und ihren Gefühlen füreinander
Luna McMullens angenehmer, flotter Stil trägt uns durch die verwinkelte Storyline, die allerhand Ungereimtheiten samt schwer zu durchschauenden Figuren präsentiert. Obgleich es hier und da zu Längen kommt, es mir insgesamt an signifikanten, spannenden Ereignissen und einem Mehr bezüglich der Magie u. A. die Hintergründe der Roten Raben, ihre Kräfte und die intensive Verbindung zu ihren Gefährten betreffend fehlte, war es leicht, interessiert, stetig auf der Hut zu bleiben und mitzurätseln. Die Protagonisten kamen mit ihren individuellen, sehr konträren Eigenschaften greifbar zur Geltung und gerade Airril vollzieht im Verlauf eine deutliche Entwicklung. Ob es die zarte Romantik gebraucht hätte, wage ich zu bezweifeln, aber da diese weder der Geschichte zuträglich ist noch ihr einen Abbruch tut so what?
Abgesehen von den jungen Federn, waren Ciaran McDarn und Lord Edvane ungemein wichtig und stets integriert zwei verschiedene Führungspositionen, die ebenso viel Misstrauen erwecken, wie sie für Überraschungen sorgen.
Die Autorin schuf ein vorstellbares Setting, in dem die Gesellschaftsschichten sowie die Missstände klar herausgearbeitet wurden. So manch Situation entfachte Wut und Mitleid im gleichen Maße, wirft jedoch auch die Frage auf, weshalb der König den HeilerInnen-Orden einst verbot, im ganzen Reich zu wirken. In Anbetracht dessen waren Evelins rebellische Reaktionen, ihr Wunsch, allerorts mit ihren Kräften zu helfen, ihr Mut und ihr Tatendrang vorbildlich, wenn auch das Schema der unbedarften Heldin, die alles einfach mal so richtet kein neues ist.
Zwar ging mir die Auflösung bzw. das Finale ein wenig zu schnell und ist der Text auch nicht frei von Fehlern (im Vergleich zu anderen Büchern des Verlags bleiben diese jedoch überschaubar), beinhaltet Red Raven Castle dennoch etliche Höhepunkte, spannende Spitzen, unerwartete Enthüllungen und eine originelle Idee.
McMullens Fantasy-Roman ist somit auf jeden Fall eine Empfehlung.