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Produktbild: Zeitenwende | Rüdiger von Fritsch
Produktbild: Zeitenwende | Rüdiger von Fritsch

Zeitenwende

Putins Krieg und die Folgen

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Buch (kartoniert)
18,00 €inkl. Mwst.
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Krieg in Europa. Mit rücksichtsloser Gewalt überfällt Wladimir Putins Russland die Ukraine und bringt sämtliche Eckpfeiler zum Einsturz, die den Frieden in Europa seit mehr als einem halben Jahrhundert gesichert haben. Zeitenwende.

In was für einer Welt werden wir morgen aufwachen? Wie wird Europa am Ende dieses Krieges aussehen? Rüdiger von Fritsch, ehemaliger Botschafter in Moskau, ist Wladimir Putin oft begegnet. Was diesen antreibt, was ihn stoppen könnte und was sein Krieg für uns bedeutet - davon handelt sein neues Buch.

"Eine hellsichtige Analyse." Süddeutsche Zeitung über "Russlands Weg"

Produktdetails

Erscheinungsdatum
17. Mai 2022
Sprache
deutsch
Untertitel
Putins Krieg und die Folgen. 7. Auflage. Großformatiges Paperback. Klappenbroschur.
Auflage
7. Auflage
Seitenanzahl
187
Autor/Autorin
Rüdiger von Fritsch
Verlag/Hersteller
Produktart
kartoniert
Gewicht
265 g
Größe (L/B/H)
216/126/24 mm
Sonstiges
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
ISBN
9783351041762

Portrait

Rüdiger von Fritsch

Rüdiger von Fritsch, geboren 1953, bereitete die EU-Osterweiterung als Unterhändler in Brüssel vor, er war Leiter des Planungsstabes des Bundespräsidenten und Vizepräsident des BND. Von 2010 bis 2014 war er Botschafter in Warschau und von 2014 bis 2019 Botschafter in Moskau. Seine Bücher »Russlands Weg«, »Zeitenwende« und »Welt im Umbruch« wurden zu SPIEGEL-Bestsellern.


Pressestimmen

»Politische Bücher haben oft ein Problem: Sie sind schnell überholt - in Themen wie Thesen. Dieses Problem zu lösen, gelingt nur wenigen Autoren. Rüdiger von Fritsch zählt zu ihnen. Dies dürfte nicht zuletzt an seinem klaren analytischen Blick liegen. « Cicero

»Klug, klar, unterfüttert von Sachkenntnis und eigenen Einsichten. Dass dasBuch trotz enormem Zeitdruck vorzüglich geschrieben ist, macht es erst rechtbeeindruckend. « Süddeutsche Zeitung

»Rüdiger von Fritsch war Botschafter in Moskau. Er erklärt präzise und schonungslos, wie Russlands Präsident tickt und was der Westen alles versäumte. « Süddeutsche Zeitung

»Das faktenreiche Buch des Russland-Kenners über den russischen Angriffskrieg kann helfen, Putins Desinformations- und Angstkampagnen zu bekämpfen, die auch im Westen immer noch viele Freunde und Förderer finden, darunter insbesondere Extremisten verschiedener Couleur. « politicus

»Betörende Südsehnsucht vergessen Sie Goethe! « DIE ZEIT

Wer einen eingängigen Überblick über die Faktenlage sucht, um den Erzählungen der Putin-Apologeten etwas entgegensetzen zu können, wird bei Rüdigervon Fritschs Zeitenwende fündig. VDI-Nachrichten

»Dieser Tage werfen Politiker, Philosophen oder Schriftsteller mit Informationen über die russische Seele, Interpretationen von Putins Handeln und Prognosen zum Krieg gegen die Ukraine nur so um sich. Viel hat sich dabei als falsch erwiesen. Das sollte man Laien mit Medienreichweite nicht allzu übel nehmen. Schließlich kann nicht jeder die profunde Sachkenntnis eines Rüdiger Freiherr von Fritsch-Seerhausen haben. « Julien Reitzenstein, Neue Zürcher Zeitung

»Es ist ein aufrüttelndes wie anregendes Buch, das durch die Kombination von persönlich-emotionalem Blick und nüchterner Analyse herausragt. « Majd El-Safadi, WeltTrends

» Wer sich über die Hintergründe des russischen Angriffs auf die Ukraine informieren und auch die historischen Zusammenhänge verstehen will, mussdieses Buch lesen. « Jan Hofer, DIE ZEIT

»Die Lektüre der scharfsinnigen Analyse von Putins Krieg und seinen Folgen ist ein nachhaltiger Gewinn. « Bücher - Das Magazin

»Dieses Buch kaufen. Unbedingt lesen! « MDR Kultur

Besprechung vom 23.08.2022

Wer grundlos lächelt, ist schwach
Rüdiger von Fritsch beschreibt kenntnisreich den Weg Wladimir Putins in den Krieg

Ein Buch über einen großen Krieg zu schreiben, der gerade begonnen hat, ist ein schwieriges Unterfangen. Rüdiger von Fritsch nimmt den Überfall Moskaus auf die Ukraine zum Anlass, vor allem über das zu schreiben, was zu diesem Krieg geführt hat. Das macht der Autor, der auf seiner letzten diplomatischen Station von 2014 bis 2019 Botschafter in Moskau war, kenntnisreich, mit analytischem Blick und trotz der raschen Produktion bis Mitte April in einem gut lesbaren Band. Fritsch beschreibt nicht zuletzt den Mann, der diesen Krieg ausgedacht und befohlen hat. Er führt Wladimir Putins Verhalten zurück auf dessen Sozialisation durch den KGB, in der Verschwörungstheorien, die traditionelle Feindschaft zum Westen und die Annahme, dass dunkle Mächte im Ausland Russland vernichten wollen, eine zentrale Rolle spielen. Und er geht auf die traumatische Erfahrung des ehemaligen Geheimdienstmannes ein, dass die Sowjetunion zusammenbrechen konnte.

Das Land verlor, wie Putin selbst vorrechnete, ein Viertel seines Territoriums, knapp die Hälfte der Bevölkerung und fast 50 Prozent des militärischen Potentials - die "größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts" in Putins Sicht. Fritsch setzt Putins Neoimperialismus, seine Großmachtvisionen in Verbindung mit dessen zunehmender Leidenschaft für Geopolitik und Geschichte. Putin bewundert den autoritären Zaren Alexander III., dem der Satz nachgesagt wird, Russland habe keine Verbündeten außer seiner Armee und Flotte, und der eine Politik der Russifizierung in den nichtrussischen Binnenkolonien seines Reiches vorantrieb.

Der russische Präsident hängt auch den altrussischen Vorstellungen über die Kiewer Rus nach, symbolisiert durch die mythische Taufe des Großfürsten Wladimir 988, und träumt von einer Zeit, als Russen, Ukrainer und Weißrussen angeblich noch eins waren.

Kursorisch, aber erhellend beschreibt der Autor die innenpolitische Verhärtung des Regimes, den Weg von einer autoritären Herrschaft zu einer Diktatur, auch wenn er dieses Wort nicht verwendet. Er erinnert an die Niederschlagung der Proteste gegen die Wahlfälschungen 2012, an die politischen Morde an Oppositionellen und Abtrünnigen in Russland selbst wie im Ausland bis hin zum Mord im Berliner Tiergarten sowie an den Versuch, den Oppositionspolitiker Alexej Nawalnyj zu vergiften, der freiwillig zur Verhaftung nach Russland zurückkehrte und der in seiner Opferbereitschaft Fritsch "wie eine Figur aus Dostojewskis Romanen" erscheint.

Ein großes Verdienst des Buches ist es, dass Fritsch gründlich mit der nicht nur in Russland verbreiteten Annahme aufräumt, der Westen habe Russland in den vergangenen Jahrzehnten fortwährend gedemütigt. Er erinnert daran, dass Russland 1998 in die G 8 aufgenommen wurde, eine Mitgliedschaft, die erst mit dem Überfall Nummer eins auf die Ukraine 2014 beendet wurde. Zur Frage, ob Russland versprochen worden sei, dass die NATO sich nicht ausdehne, zitiert der Autor den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, dass es solche Zusagen nicht gegeben habe, denn während der Zwei-plus-vier-Verhandlungen über die deutsche Einheit habe der Warschauer Pakt schließlich noch existiert. Auch den in Russland beliebten Vergleich der Annexion der Krim 2014 mit dem Eingreifen der NATO im Kosovo 1999 weist Fritsch zurück.

Damals habe der Westen versucht, über die OSZE und die Vereinten Nationen einen Militäreinsatz zum Stopp der Massaker im Kosovo mandatiert zu bekommen. Russland hingegen habe weder in Gesprächen mit Kiew noch in den internationalen Organisationen seine Ambitionen auf die Krim vorgebracht, stattdessen "höfliche Leute" in nicht gekennzeichneten grünen Uniformen in Gang gesetzt.

Putin gehe davon aus, dass überall, wo Russen leben, sie auch von Russland geschützt werden dürften. Es ist diese Vorstellung einer die Grenzen seines Landes überschreitenden "russischen Welt", die Putin auch jetzt für seinen Überfall bemüht und die in seinem ideologischen Amalgam eine besondere Rolle spielt. Wie freihändig Putin mit Fakten jongliert, kommt selten in Fritschs Buch vor. Wie der russische Präsident lügt, zeigt er allerdings am Beispiel des Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. Februar 2022. Als in der Pressekonferenz im Kreml die Sprache auf die mögliche Anerkennung der von Moskau gesteuerten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk kam, sagte Putin, das könne nur im Rahmen des Minsker Prozesses geschehen, dessen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft seien. Sechs Tage später vollzog Putin die Anerkennung der "Volksrepubliken".

Ausführlich geht Fritsch auf die Fehleinschätzungen Putins, seiner Militärs und Geheimdienste ein, was den gescheiterten "Blitzkrieg" gegen die Ukraine betrifft. Nicht nur die militärische Stärke der Ukraine habe Moskau unterschätzt, sondern auch die Stimmung der 38 Millionen Ukrainer, die 30 Jahre Freiheit erlebt hatten. Putin, der sich zusehends in der Corona-Pandemie von der Außenwelt abschirmte, habe schon zuvor kein realistisches Bild vom Nachbarland gehabt. Er habe zudem Russland durch den Krieg einer enormen "Selbstschädigung" ausgesetzt, die weder die Analysten in Moskau noch im Westen für möglich gehalten hätten.

Schwierig scheint die Einschätzung des Autors, dass es richtig gewesen sei, dass der Westen immer wieder auf Putin zugegangen sei. Schließlich nennt er selbst den Satz "Wer grundlos lächelt, ist schwach" als eine Grundüberzeugung russischer Politik. Mit seinem Bild, dass Putin das Schachbrett einfach umgeworfen habe, dass aber dieser Umstand nicht gegen die Regeln des Schachspiels spreche, macht es sich Fritsch zu einfach. Ausdrücklich wendet er sich gegen jene, die sagen, die deutsche Politik gegenüber Russland sei naiv und blauäugig gewesen. "Solch rückblickende Rechthaberei ist wohlfeil", schreibt Fritsch. Sie unterstelle eine Linearität der Politik Russlands und eine Zielgerichtetheit Putins, die es so nicht gegeben habe. Freilich zeigten viele Entwicklungen, die der Autor selbst beschreibt, genau in diese Richtung. Fritsch weist selbst darauf hin, dass die sowjetische Formel von der "friedlichen Koexistenz" im Handbuch des Marxismus-Leninismus als "Fortsetzung des Klassenkampfes mit anderen Mitteln" dechiffriert wurde. Doch das haben im Westen eben viele nicht verstanden - so wie sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Zeichen der Putin'schen Machtpolitik nicht erkennen wollten.

Fritsch, der in den Achtzigerjahren in Polen die Kontakte zur damaligen antikommunistischen Opposition hielt, weiß allerdings aus eigener Erfahrung, dass es zu ganz unerwarteten Entwicklungen in einer Diktatur kommen kann. Er plädiert einstweilen dafür, auf eine "geordnete Konfrontation" mit Russland zu setzen und auf die Zeit nach Putin zu hoffen. Es sei nicht ausgemacht, dass Russland sich nicht wandelt. Man wünschte sehr, dass er recht behalten wird. MARKUS WEHNER

Rüdiger von Fritsch: Zeitenwende. Putins Krieg und die Folgen

Aufbau Verlag, Berlin 2022. 183 S.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon Federfee am 09.01.2024
Informativ, gut verständlich: Putins Lügen entlarvt, Vertragsbrüche dokumentiert - aber versöhnlich im Ton gegenüber der Bevölkerung
LovelyBooks-BewertungVon Tokall am 11.02.2023
Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit den Hintergründen des Russland-Ukraine-Kriegs (vgl. dazu frühere Rezensionen). Einige interessante Bücher, die ich auch als Lektüre weiterempfehlen kann, habe ich bereits ausfindig machen können, so z.B. Golineh Atais "Die Wahrheit ist der Feind" oder Eltchaninoffs "In Putins Kopf" sowie die Kriegstagebücher von Andrej Kurkow ("Tagebuch einer Invasion") oder von Sergej Gerassimow ("Feuerpanorama"). Aktuell interessiert mich immer noch die Frage, ob der Konflikt tatsächlich nicht vorherzusehen war, und mich beschäftigt auch, warum die russische Zivilgesellschaft so schwach ist (vgl. dazu auch den Essay "Individuum und Totalitarismus" von Ljudmila Ulitzkaja in ihrem Sammelband "Die Erinnerung nicht vergessen"). Aus diesen Gründen entschied ich mich für die Lektüre von "Zeitenwende" von Rüdiger von Fritsch. Der Autor war selbst 5 Jahre lang Botschafter in Russland. Seine Zeit in Moskau ging am 30.06.2019 zu Ende. Er ist Putin sogar einige Male begegnet und meint feststellen zu können, dass sich in den gemeinsamen Gesprächen immer wieder dessen Neigung gezeigt habe, von äußeren Anfeindungen, Verschwörungen und Bedrohungen auszugehen. Teil 1 - "Wie der Krieg enden könnte - Szenarien"Im ersten Teil seines Buchs beschäftigt sich der Autor vor allem mit der Frage, inwieweit der Krieg im Voraus vorherzusehen war. Eine Frage, die auch mich sehr beschäftigt. Doch bevor er genauer auf diese Frage eingeht, entwirft er zunächst vier Szenarien für ein mögliches Kriegsende. Szenario 1: Sieg der Ukraine. Dies sei zu erreichen durch eine Stagnation der Kampfhandlungen und eine zunehmende Ermüdung des russischen Angriffs. Dieses Szenario ist das wohl wünschenswerteste. Szenario 2: Sieg Russlands. Nach russischem Selbstverständnis sei ein solcher Sieg unabdingbar. Möglicherweise reiche Putin bereits eine Besetzung des Ostens und des Südens als Sieg zu verkaufen. Das Problem an diesem Szenario sei allerdings, so von Fritsch, dass die Rest-Ukraine in einem solchen Fall unter ständiger russischer Bedrohung stehe. Szenario 3: Ein Patt, ein Waffenstillstand, ein eingefrorener Konflikt. Dies bedeute eine instabile Situation. In diesem Szenario stehe die Ukraine unter ständigem Druck eines erneuten russischen Angriffs. Szenario 4: Eine weitere Eskalation des Konflikts. Hier spielt der Autor vor allem mit dem Gedanken an einen nuklearen Krieg. Doch er macht auch deutlich, dass Putin bereits andere Wege der Eskalation gefunden habe. So setze er Energie als Waffe ein. Das Ziel Russlands sei es, andere Länder zu destabilisieren und sie so für die russische Sache einzunehmen. Welches Szenario eintreten wird, steht noch in den Sternen. Denkbar ist ja auch eine Eskalation im Vorfeld eines ukrainischen oder russischen Siegs. Und in meinen Augen sollte man bei den verschiedenen Szenarien auch noch einbeziehen, was ein Sieg, ein Patt oder eine Niederlage für Russland bedeutet. Bleibt Putin an der Macht? Wer folgt ihm nach? Wie entwickelt sich die russische Zivilgesellschaft? Wird sie irgendwann endlich aufwachen? Wird das Militär weiter zu Putin halten? Auch das sind viele offene Fragen, die mich beschäftigen. Teil 2 - "Der Schatten der Geschichte"Im zweiten Teil seines Buchs widmet sich der Autor den geschichtlichen Entwicklungen des Landes. Hier nimmt er zunächst einmal das "Putinsche System" genauer in den Blick. Von Fritsch mach deutlich, dass die Bevölkerung Putin sehr dankbar dafür sei, dass es unter ihm keine Zeit der Umwälzung mehr gab (so wie es in den 90er Jahren der Fall war). Putin stehe für Stabilität und Ordnung. Das würden ihm die Menschen hoch anrechnen. Seit den 90ern sei es mit Russland wirtschaftlich stetig bergauf gegangen. Eine Zäsur habe sich im Wesentlichen 2011 und 2012 ereignet. Seit diesem Zeitpunkt seien autoritäre Züge immer mehr zutage getreten. Proteste seien massiv niedergeschlagen worden, der Staatsanteil an der Wirtschaft habe sich ständig vergrößert. Wer nicht linientreu gewesen sei, der sei zu einem ausländischen Agenten oder zu einer unerwünschten Organisation erklärt worden. Auch die Verfassungsreform aus dem Jahr 2020 sei ein weiterer Baustein der Autokratisierung gewesen. Sie eröffnete Putin die Möglichkeit bis 2036 an der Macht zu bleiben. Gleichzeitig habe sich an der Corona-Politik gezeigt, dass die Bürger durchaus der "Obrigkeit" misstraut hätten. Angst und Propaganda sicherten die Macht, ebenso wie das Instrument der Bestechung. Politisch Verantwortliche würden durch Käuflichkeit und Erpressung linientreu gemacht. Was ich mir noch bei der Darlegung gewünscht hätte, wären mehr Beispiele gewesen. So hätte von Fritsch seine Thesen noch anschaulicher und nachvollziehbarer untermauern können. Golineh Atai geht mit ihrem Buch "Die Wahrheit ist der Feind" mehr in die Tiefe. Was ich aber schätze: Von Fritsch findet klare Worte, es ist eine sehr klare Sprache, die er verwendet. Weiterhin zeigt von Fritsch auf, dass sich Putin in den vergangen Jahren immer mehr mit der Vergangenheit des russischen Reichs beschäftigt habe. Wichtige Vorbilder für ihn seien Alexander III. und Peter, der Große. Zudem habe er über die Jahre auch die Nähe zur Kirche immer mehr forciert und sich orthodoxer Rhetorik bedient. Er spreche lieber über die tausendjährige Geschichte der alten Rus als über die ökonomischen und sozialen Probleme im Land. Russland sei durch den Zusammenbruch der UdSSR verkleinert und schwach geworden. Es geriet in den 90er Jahren in heftige gesellschaftliche, wirtschaftliche und finanzielle Turbulenzen. Noch heute leide Russland darunter, so von Fritsch. In den letzten Jahren hätte Putin zudem Stalin als Sieger über den Hitler-Faschismus propagandistisch oft in den Vordergrund gerückt, vor allem um das nationale Selbstwertgefühl zu erhöhen. Eine geschichtliche Aufarbeitung der Verbrechen des Stalinismus sei in Russland bis heute ausgeblieben. Zunehmend hätte der Präsident seinen Blick auf die vergangene russische Größe gerichtet, statt darauf, Zukunftsperspektiven für sein Land zu entwickeln. Sehr differenziert geht der Autor auch noch auf die Frage der gefühlten Bedrohung durch die NATO ein. Ist Russland womöglich übervorteilt worden? Von Fritsch macht an vielen Beispielen deutlich, dass der Westen immer wieder auf Russland zugegangen sei. So sei z.B. die G7 im Jahr 1998 zur G8 erweitert worden. 2010 sei eine Modernisierungspartnerschaft zwischen der EU und Russland abgeschlossen worden. Nicht zuletzt seien viele Städtepartnerschaften und Hochschulkooperationen entstanden, 2001 sei der Petersburger Dialog ins Leben gerufen worden. Und von Fritsch führt noch weitere Beispiele an. Auch weist der Autor daraufhin, dass sich die NATO-Osterweiterung nicht aus der NATO heraus ergeben habe, sondern es sei der Wunsch der ostmitteleuropäischen Länder gewesen, der NATO beizutreten. Noch im Jahr 2004 habe Putin selbst erklärt, dass sich die Beziehung Russlands zur NATO positiv entwickle. Auch habe er hinsichtlich der NATO-Osterweiterung gesagt, dass er keine Sorge mit Blick auf die Sicherheit der Russischen Föderation hätte. Eskaliert sei die Situation erstmals im Jahr 2008, als die Ukraine und Georgien Zusagen erhielten, NATO-Mitglied zu werden. Nur durch den Einspruch Deutschlands seien daraus keine konkreten Perspektiven entwickelt worden. Letztlich sei an die Stelle des Dialogs zwischen Russland und dem Westen nun die Konfrontation getreten. Teil 3 - "Der Weg in den Krieg"Hier zeichnet der Autor die wesentlichen Ereignisse um die Annexion der Krim und um die Kämpfe im Donbass nach. Von Fritsch verdeutlicht, dass Russland sich selbst als Schutzmacht für alle ethnischen Russen ansieht. Die Annexion der Krim sei damit gerechtfertigt worden, dass man die Bewohner hätte schützen müssen. Russland habe die Vorstellung, dass die Ukraine kein richtiger Staat sei und die Ukrainer nicht in der Lage seien, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Tatsachen seien in der russischen Propaganda so verdreht worden, dass man den Irrglauben verbreitete, das ukrainische Volk sei an Wiedervereinigung mit Russland interessiert und werde von einer korrupten Regierung regiert, die sich von dem Westen in ein gefährliches geopolitisches Spiel habe hineinziehen lassen. Es ist tatsächlich für mich unglaublich, dass dieses Narrativ sich in Russland so verbreiten konnte, dass es niemand in Zweifel gezogen hat. Unfassbar! Interessant ist übrigens auch der Hinweis des Autors, dass die einzige freie Abstimmung über die Zugehörigkeit der Krim 1991 stattgefunden habe. Damals habe sich die Halbinsel dafür entschieden, zu Kiew und nicht zu Moskau gehören zu wollen. Auch widmet sich der Autor dem Verhältnis der Ukraine zur EU. Er erläutert, dass die Ukraine sich aus der geopolitischen Einflusszone Russlands verabschieden wollte. Allerdings habe Janukowitsch auch auf Druck Moskaus die Assoziierung mit der EU nicht fortgesetzt. Daraufhin seien friedliche Proteste losgegangen, die sich immer weiter ausgebreitet hätten. Nach der Annexion der Krim reagierte der Westen mit der Verhängung von Sanktionen. Im Rückblick betrachtet, so der Autor, hätte man mit noch härteren Maßnahmen reagieren sollen. Russland habe sich seit 2014 konsequent verweigert, Verantwortung für das Geschehen in der Ukraine zu übernehmen. Russland habe stets geleugnet, Konfliktpartei zu sein. Moskau sei nicht ehrlich gewesen, so der Autor. Gleichzeitig sei die Entfremdung zwischen Russland und der Ukraine immer größer geworden, weil sich die Ukraine immer stärker in Richtung Westen orientierte. In Syrien habe sich gezeigt, dass Russland erstmals auch bewusst auf Söldnertruppen zurückgegriffen habe. Nicht zuletzt sei Syrien vermutlich bereits ein Übungsfeld zur Ertüchtigung der russischen Gruppen gewesen. Die russischen Streitkräfte, so von Fritsch, konnten in Syrien bereits Kampferfahrung sammeln. 86 000 Soldaten und 460 Generäle hätten in Syrien Gefechtserfahrung gesammelt. Gleichzeitig habe Russland nichts dafür getan, den Konflikt um die Krim und den Donbass zu lösen. Moskau habe weiterhin so getan, als sei es unbeteiligt und bezichtigte seinerseits die Ukraine, schuld zu sein. Von Fritsch vertritt die Meinung, dass man die Ukraine schon seit 2014 hätte entschlossener in die Lage versetzen müssen, sich gegen einen möglichen russischen Angriff zu verteidigen. Vermutlich, so die These des Autors, hätte Russland in einem solchen Fall von einem Angriff abgesehen. Gleichzeitig kann man sich aber doch umgekehrt sogar fragen, warum hat Russland nicht bereits 2014 stärker eskaliert? Warum gab sich Putin mit der Krim und dem Donbass zufrieden? Gab er damit nicht der Ukraine sogar die Chance, sich auf einen neuerlichen Angriff einzustellen und vorzubereiten? Theoretisch hätte er schon damals die gesamte Ukraine angreifen können. Vielleicht hätte er damit Erfolg gehabt? War er vielleicht doch zunächst an einer diplomatischen Lösung interessiert? 2019 kam Selenskyj an die Macht. Eines seiner Wahlversprechen sei gewesen, den Konflikt mit Russland mit anderer Entschlossenheit zu lösen. Doch Russland habe nicht aufgehört, die Ukraine weiter zu bezichtigen, an einer Beendigung des Konflikts nicht interessiert zu sein. Zunehmend sei die Legitimität der Regierung in Kiew durch Russland in Zweifel gezogen worden. Von Fritsch stellt auch Überlegungen dazu an, warum Putin den Zeitpunkt seines Angriffs so gewählt hat. Eine These, die er in den Raum stellt: Der ungeordnete, chaotische Rückzug aus Afghanistan hätte Putins Eindruck bestätigt, dass der Westen auf dem absteigenden Ast sei. Das ist natürlich eine Behauptung, die sich schwer beweisen lässt. Wer weiß schon, was Putin dazu bewegt hat, gerade im Februar 2022 seinen Angriffskrieg zu beginnen.  Teil 4 - "Die Folgen des Krieges"Nach Ansicht des Autors sei Russlands Befürchtung, aus der Ukraine heraus, demnächst mit Raketen bedroht zu werden, lediglich ein Vorwand gewesen, das Nachbarland vorbeugend anzugreifen. Bis zum Überfall habe Putin stets den Eindruck erweckt, an einer diplomatischen Lösung interessiert zu sein. Die Weltöffentlichkeit sei von ihm in Sicherheit gewogen worden. Der Autor beschreibt sehr detailliert auch die Sanktionen, die dann als Reaktion des Westens über Russland verhängt worden sind. Dabei beschreibt er auch, welche Auswirkungen sie auf die Wirtschaft hatten. Die Analyse der Folgen des Krieges ist kenntnis- und umfangreich sowie differenziert. Besonders interessant fand ich die Ausführungen des Autors zur Mentalität des Sowjetmenschen. Diese Überlegungen kann man auch mit dem ausbleibenden zivilen Widerstand in Russland gut in Verbindung bringen (als gute Ergänzung empfehle ich hier den Essay "Individuum und Totalitarismus" von Ulitzkaja). Der Sowjetmensch zeichne sich dadurch aus, dass er einerseits im Mythos vom großen, unbesiegbaren Vaterland und andererseits in der Realität eines von Entbehrungen und Widrigkeiten bestimmten Alltags lebe. Die über Jahrzehnte hinweg erlernte Überlebensstrategie sei die Folgende: Schweigen ist sicherer. Von Fritsch stellt auch die Überlegung an, ob es zu einem Aufstand im Landesinneren von Russland kommen könnte. Er weist allerdings darauf hin, dass viele Menschen in Russland der Demokratie mit Misstrauen begegneten (auch aufgrund der antiwestlichen Propaganda). Sie brächten Demokratie mit Dekadenz und Verfall in Beziehung. Sein Fazit lautet, dass wir gut beraten seien, uns darauf einzustellen, dass sich in Russland einstweilen nicht allzu viel ändern dürfte. Fazit:  Wer sich über Hintergründe zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine informieren möchte, der findet in diesem Buch viele wichtige Fakten. Als Ergänzung hierzu empfehle ich noch die beiden Sachbücher "Die Wahrheit ist der Feind" von Golineh Atai und "In Putins Kopf" von Michel Eltchaninoff. So erhält man einen guten Überblick über die Situation in Russland und in der Ukraine. Mein Ziel war es mehr darüber herauszufinden, ob der Krieg vorhersehbar war oder nicht. Auch von Fritsch macht sehr deutlich, dass man seit 2014 zu nachsichtig mit Russland gewesen sei. Viele Warnzeichen sind übersehen worden. Weiterhin hat mich interessiert, mehr Hintergründe über die schwache Zivilgesellschaft in Russland zu erfahren. Hier fand ich die Ausführungen zur Mentalität des Sowjetmenschen lesenswert. Allerdings hätte ich mir noch mehr Einblicke gewünscht.
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