In seiner Tätigkeit als Ermittler der skandinavisch-deutschen Sondereinheit Skanpol ist Tom Skagen in den bisherigen drei Bänden schon ordentlich im Norden Europas herumgekommen und in "Kalter Sturm" verschlägt es den Deutsch-Schweden nun hauptsächlich nach Island. Allerdings eher unfreiwillig, denn in erster Linie flüchtet Skagen vor den weitreichenden Fängen eines Netzes skrupelloser Rechtsextremer auf die - ein Story-Überbleibsel aus dem vorangehenden Band. In einer besonders abgelegenen und rauen Ecke Islands soll sich Skagen nun in seinem Exil nützlich machen und das Verschwinden eines kleinen Jungen sowie einen Mord aufklären.Ermittlungen unter feindseligen BedingungenViele Island-Krimis und -Thriller setzen auf die düstere Atmosphäre, die von den oft unwirtlichen Lebensbedingungen auf dem großen Eiland ausgehen - schroffe Klippen, einsame Hügellandschaften, tosendes Meer und eisig-kalter Regen sorgen häufig nicht nur für eine beunruhigende Drohkulisse, sondern auch dafür, dass man sich bei der Lektüre auf der heimischen Couch im Kontrast zur Romankulisse noch heimeliger fühlt. Auch Anne Nørdby (a. k. a. Anette Strohmeyer) setzt auf diese Karte und lässt ihren Protagonisten in einer besonders feindselig wirkenden Einöde zwischen scharfkantigem Lavagestein und giftigen Schwefeldämpfen ermitteln. Die wenigen Bewohner dieses wenig einladenden Fleckchens präsentieren sich ebenfalls äußerst abweisend, denn die Mitglieder einer zwielichtigen Glaubensgemeinschaft setzen auf Abschottung und haben wenig Vertrauen in die Behörden.Atmosphärisch dicht, aber inhaltlich wenig fesselndEigentlich beste Voraussetzungen für eine spannende Geschichte, doch irgendwie wollte der Funke bei mir diesmal nicht überspringen. Mich hat es schon früh ein wenig gestört, dass der Handlungsstrang um Toms radikale Verfolger mit seinem Eintreffen in Island komplett auf die Seite geschoben wurde, zumal Skagens dortige Ermittlungen für meinen Geschmack kein gleichwertiger Ersatz waren. Das Sekten-Setting wirkte auf mich wenig ansprechend, auch weil sich Tom dadurch fast ausschließlich mit unsympathischen Fanatikern umgibt, was auf Dauer beim Lesen recht anstrengend war. Ebenso ist die Verknüpfung des Falls mit den traditionellen Mythen des Landes rund um Elfen und Zwerge aus Autorinnensicht sicherlich naheliegend, hat mich aber leider gar nicht abgeholt. Durch all diese Faktoren empfand ich die Geschichte häufig als langatmig und habe mich nicht selten regelrecht durch die Kapitel gequält.Leider der bisher schwächste Skanpol-RomanBisher konnte mich Anette Strohmeyer eigentlich mit all ihren Büchern - egal ob den früheren Ondragon-Romanen oder den Skandinavien-Thrillern unter ihrem Pseudonym - immer bestens unterhalten, "Kalter Sturm" ist aber leider das erste ihrer Werke, mit dem ich wirklich sehr wenig anfangen konnte. Sicher gibt es viele Leser:innen, die auch diesen Tom-Skagen-Band wieder als sehr spannend empfinden werden, für mich ist der vierte Auftritt des Skanpol-Ermittlers jedoch eine unerwartete Enttäuschung geworden.