Leise, feinfühlig und tiefgründig
"Der Blick auf das Kind - was davon ist Projektion der eigenen Ängste, der eigenen unerfüllten, der im eigenen Leben nicht erreichten Ziele und Ideale?"Um eben diese - und auch andere zwischenmenschliche Konflikte - kreist Kristine Bilkaus RomanHalbinsel.Annett, Ende 40, lebt am nordfriesischen Wattenmeer. Nach dem frühen Tod ihres Mannes hat sie ihre Tochter Linn, inzwischen Mitte 20, alleine großgezogen. Als die sonst so energetische und tatkräftige Aktivistin Linn bei einem Vortrag zusammenbricht, nimmt Annett sie voller Sorge mit zurück ins vertraute Familienheim. Die Konflikte lassen nicht lange auf sich warten..."Manchmal habe ich den Eindruck, ich bin wie ein Projekt für dich. Ich soll deinen Ehrgeiz befriedigen, den du dir selbst aber nie eingestehen würdest. Ich soll deine Hoffnungen erfüllen." (S.201)Linn fühlt sich von ihrer Mutter unverstanden und bevormundet. Sie braucht nach dem körperlichen und seelischen Zusammenbruch eine Auszeit, um Klarheit zu gewinnen und zu sich selbst zurückzufinden. Doch Annett, geprägt von den Wertvorstellungen ihrer Elterngeneration und einer leistungsorientierten Gesellschaft, kann mit der vermeintlichen Antriebslosigkeit ihrer Tochter nur schwer umgehen.Gerade weil sie selbst auf vieles verzichtet hat - finanziell, persönlich, emotional -, um Linn eine gute Ausbildung und ein stabiles Umfeld zu ermöglichen, fällt es ihr schwer zu akzeptieren, dass deren Lebensweg nicht gradlinig verläuft."...- meine Fürsoge für sie hatte auch zu meiner eigenen Freiheit im Widerspruch gestanden. Fürsorge und Freiheit, das eine schränkte das andere ein, Freiheit und Fürsorge, beides hing untrennbar zusammen." (S.202)Auch Annetts eigene Konflikte brechen auf: der frühe Verlust ihres Mannes, den sie nie wirklich verarbeitet hat und die Unfähigkeit, sich nun - wo die Tochter unabhängig sein könnte - ein neues Leben zuzutrauen. Wünsche, Träume, Veränderungen? Oder doch lieber das Vertraute?"Ich zweifelte daran, ob ich mich irgendwo anders zugehörig fühlen würde. Ob das wirklich gelingen könnte. Wo würde die Einsamkeit lauern? Hinter der Veränderung oder dem Vertrauten?" (S. 40)Kristine Bilkau gelingt es in diesem leisen, vielschichtigen Roman, mit einer ruhigen, klaren Sprache Themen wie Trauer, Generationskonflikte, Erwartungsdruck, Selbstbestimmung und -findung sowie die Klimakrise aufzugreifen - subtil, aber eindringlich. Ihre unaufgeregte Erzählweise lädt dazu ein, innezuhalten, sich selbst zu reflektieren und sich den leisen Zwischentönen des Lebens zu öffnen.Halbinselist ein Roman, der zum Nachdenken anregt - eine Empfehlung für alle, die Stille, tiefgründige Geschichten mit emotionaler Tiefe schätzen.