Man schreibt das Jahr 1906 und seit einige Zeit ist es für den Adel und das gehobene Bürgertum en vogue, nach Gastein zu reisen, um die Heilkräfte der Natur zu genießen. Um den Ansprüchen der Gäste zu genügen, sind zahlreiche mondäne Hotels gebaut worden, darunter das heute noch existierende Hotel Straubinger, das allerdings nicht mehr in Familienbesitz ist wie in seinen Anfängen.
Neben dem Straubinger gibt es das in kaiserlichem Besitz befindliche Badeschloss, das Fürsterzbischof Hieronymus Graf von Colloredo (1732-1812) erbauen hat lassen. Mit der Verwaltung des Badeschloss ist (der fiktive) Johann Wahringer betraut, der mit Ehefrau und den Zwillingen Valerie und Stephan in der Sommersaison auch im Hotel wohnt.
Während die kluge und wissbegierige Valerie sich für den Hotelbetrieb interessiert, was sich zu dieser Zeit so gar nicht schickt, soll ihr Bruder eine gediegene Ausbildung erhalten, hat aber nur Vergnügen im Sinn. Letztlich wird Valerie durch ihren geschickten Umgang mit Gästen wie Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Elisabeth sowie dem Personal zu einer unverzichtbaren Hilfe ihres Vaters. Mutter Barbara Wahringer hasst Gastein und setzt alles daran, wieder in ihr geliebtes Wien reisen zu dürfen und für Valerie eine standesgemäße und vor allem vorteilhafte Ehe zu arrangieren.
Doch es kommt wie es kommen muss, Valerie verliebt sich ausgerechnet in Theo Straubinger, den unehelichen Sohn der Straubinger-Schwester Theresa. Diese Liebe ist unmöglich und wird von beiden Familien hintertrieben. Letzten Endes muss Valerie Ferdinand Windischbauer, einen Hotelerben heiraten, der sich als .... Nein, das verrate ich jetzt nicht.
Meine Meinung:
Emilia Schilling, eine österreichische Autorin, entführt uns in das wildromantische Gasteiner Tal, genauer gesagt nach Wildbad Gastein, wie das heutige Bad Hofgastein damals hieß. Wir erhalten durch diesen historischen Roman, der Fakten und Fiktion sehr gut miteinander verquickt, einen Einblick in das Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Besonders gut sind die gesellschaftlichen Konventionen für Frauen herausgearbeitet. Ledige Mütter werden verfemt und nur wenige, wie Theos Mutter Theresa, haben das Glück in ihrer Familie bleiben zu dürfen, wenn auch gerade noch geduldet. Für kluge Mädchen ist kaum Platz. Das muss auch Valerie erfahren, die nur wenig Schulbildung erhält, während ihrem Bruder die Welt des Lernens offen steht. Mädchen sollen hübsch sein, weder den Eltern noch ihren Ehemännern widersprechen und viele Kinder bekommen. Dass arrangierte Ehen kaum glücklich werden, ist am Beispiel des Ehepaares Wahringer deutlich zu sehen. Deshalb ist es für uns unverständlich, dass Valerie, auf Geheiß von Johann Wahrunger, mit Ferdinand Windischbauer, Hoteliersohn und größtem Konkurrenten der Straubinger aus heiraten muss, um den Traum ihres Vaters, ein eigenes Hotel zu besitzen, zu erfüllen.
Schmunzeln muss ich über die eine oder andere Anekdote über den deutschen Kaiser, seinen Kanzler Bismarck oder Kaiserin Elisabeth, die mit einem einheimischen Bergführer quasi im Laufschritt die umliegenden Berge erwandert.
Neben dem gesellschaftlichen Leben kommen auch der Ort und die Landschaft, sowie die Anfänge von Gastein zum Kurort sehr gut zur Geltung. Man hört förmlich die Gasteiner Ache rauschen.
Der Schreibstil ist leicht und flüssig. Die Charaktere sind recht gut herausgearbeitet und haben so ihre Ecken und Kanten. Dass die Handlung an manchen Stellen vorhersehbar ist, spielt keine wesentliche Rolle. Mir hat Theos Mutter Theresa imponiert und sehr gut gefallen. Sie weigert sich ja all die Jahre beharrlich, den Namen von Theos Vater bekannt zu geben. So können wir selbst Überlegungen anstellen, wer die damals 16-Jährige geschwängert hat.
Fazit:
Ein gelungener historischer Roman, dem ich gerne 4 Sterne gebe.