Die Verlorene ist Miriam Georgs persönlichstes Buch, wie sie im Nachwort verrät. Es ist nicht autobiographisch und doch erzählt es viel von ihrer Familie. Von ihrem Großvater etwa, der mit gerade mal zweiundzwanzig Jahren auf der Krim stationiert und dann Jahre in russischer Gefangenschaft war, der als anderer Mensch heimgekehrt ist. In kleinen Schnipseln hat er ab und an erzählt, das meiste aber für sich behalten, wie so viele, die über ihre traumatischen Erlebnisse nicht sprechen konnten.
Miriam Georg hat mich sofort ins Buch gezogen und auch jetzt, nachdem ich um die ganze Geschichte weiß, bin ich noch bei ihnen. Bei Änne, die im hohen Alter gestorben ist, die von Schlesien erzählt hat, über ihre Familie jedoch hat sie geschwiegen. Laura, ihre Enkelin, findet in einer Pferdeskulptur aus Ännes Nachlass ein Bild, das ihre Großmutter in jungen Jahren zeigt, auf der Rückseite jedoch liest sie den ihr unbekannten Namen Luise. Was hat es damit auf sich? Kurzerhand beschließt Laura, auf den ehemaligen Gutshof der Familie zu fahren, der im heutigen Polen liegt. Ellen, ihre Mutter, will nicht mit, kommt aber ein paar Tage später dann doch nach die beiden Frauen graben tief in der Vergangenheit. Was sie zutage fördern, ist so unglaublich und doch so erschreckend real
der Blick zurück beginnt 1941 auf der Krim mit Karl, der sich vor dem Feindesbeschuss in einen Schützengraben rettet. Mit einem Brief, den er immer wieder hervorholt. Komm heim - geheimnisvolle Worte. Waren es tröstliche Worte? Worte voller Sehnsucht?
Zwei Zeitebenen sind es, die sich abwechseln. Wobei ich die Erzählung um die Kriegsjahre noch ein Stück weit intensiver empfinde. Das Leben auf dem Gutshof der Familie und der Helfer in Haus und Hof, die auch aus Kriegsgefangenen bestehen, ist hart. Es gilt, eine Krankheit zu vertuschen, denn die Deutschen fackeln nicht lange. Die Vernichtung lebensunwerten Lebens schwebt im Raum und nicht zuletzt treibt sie auch die Furcht vor den Russen um. Das Traumata um diese Kriegsjahre ist greifbar. Es geht um Vertreibung und Verlust - nicht nur von Hab und Gut - und um familiäre Geheimnisse, die ein Leben lang nicht angesprochen werden.
Diese beiden Erzählebenen nähern sich immer mehr an. Ich bin tief erschüttert, fühle mit ihnen, begreife das ganze Ausmaß dieser dramatischen, so traurigen und der so eindringlich erzählten Geschichte erst ganz zum Schluss so richtig, der so einiges vom meinem Denken, von meinen vorschnellen Urteilen, zurechtrückt. Die Verlorene ist ein Roman, der im Gedächtnis bleibt und trotz aller Tragik ist es ein wundervolles, ein sehr lesenswertes Buch.