Starke metaphorische Ebenen, aber eher nüchtern erzählt und stellenweise zäh.
Die Pest von Albert Camus habe ich mit 4 Sternen bewertet - mehr aus inhaltlicher Achtung als aus reiner Lesefreude.Der Roman spielt in der algerischen Stadt Oran, die von einer Pestepidemie heimgesucht wird. Im Zentrum steht Dr. Rieux mit einer kleinen Gruppe von Leuten, die unterschiedlich auf die Katastrophe reagieren. Camus zeigt, wie Menschen mit sinnlosem Leid umgehen, wie sich Solidarität und Egoismus mischen und was es heißt, "anständig" zu handeln, obwohl die Welt keinen erkennbaren Sinn bietet.Besonders interessant ist die metaphorische Ebene: Die Pest ist bewusst mehr als nur eine Krankheit. Sie kann als Sinnbild für den Kampf der Résistance gegen den Nationalsozialismus gelesen werden, generell aber auch für jede Form von Tyrannei und politischem Übel, das Institutionen, Sprache und Moral angreift. Gleichzeitig steht sie existenziell für das allgegenwärtige Übel im menschlichen Leben - Krankheit, Tod, Zufall, Grausamkeit -, das sich nie endgültig besiegen lässt. Der Roman legt nahe, dass der Ausweg eher in Haltung und Solidarität liegt als in einer großen Lösung.Aktuell wirkt das Buch dort, wo Camus betont, dass der Pestbazillus nie ganz verschwindet, sondern im Verborgenen weiterbesteht und jederzeit zurückkehren kann. Eine ziemlich klare Parallele zu faschistischen und anderen destruktiven Ideologien, die immer wieder auftauchen - wie auch in der heutigen politischen Diskussion.Wer einen spannenden Pageturner erwartet, wird hier eher enttäuscht.Die Pestliest sich für mich eher wie ein nüchterner, philosophisch unterlegter Bericht über eine Krise. Der Stil ist bewusst zurückhaltend und stellenweise langatmig. Wenn man sich darauf einstellt und eher an Idee und Atmosphäre als an Spannung interessiert ist, ist das Buch allerdings sehr lohnend.