Alex, Calle und Niklas Schulman können nur auf eine kurze glückliche Kindheit zurückblicken, denn mit der beginnenden Alkoholsucht der Mutter und dem Altern des Vaters kehrt Dunkelheit in ihr Leben und besonders der sensible Alex, Autor des Romans, leidet darunter.Der Roman beginnt damit, dass Alex und sein Bruder Calle zum Sommerhaus der Familie, einige Autofahrstunden von Stockholm entfernt, fahren, besorgt um die Mutter, die im Begriff scheint, sich zu Tode zu trinken. Nach 30 Jahren ist nun der Moment gekommen, einen Entzug vorzuschlagen, in der Hoffnung, dass diese Frau wieder zu jener liebevollen und zärtlichen Mutter wird, die Alex so sehr vermisst.Meine Leseeindrücke In "Vergiss mich", der bereits 2016 in Schweden und jetzt auf Deutsch übersetzt im dtv Verlag erschienen ist, schlägt Alex Schulman ein Kapitel seiner dramatischen Kindheit auf und versucht das Verhältnis zu seiner Mutter, das durch ein 30jähriges Geheimnis bestimmt und verdammt ist, aufzuarbeiten.Es ist das Ende einer Reise, die vor über dreißig Jahren begonnen und sich durch meine Kindheit und Jugend und mein Erwachsenenleben fortgesetzt hat, durch all die Jahre, die vergangen sind, und durch alles, was passiert ist.Alex und seine Brüder leben ihre ersten Kinderjahre in einer normalen Familie, bis das Familienglück immer mehr und mehr von der Trunksucht der Mutter überschattet wird. Doch es ist nicht nur die Mutter, die das Familienglück ins Wanken bringt, sondern auch der Vater mit seiner Pedanterie und seinen Wutausbrüchen, die mit zunehmendem Alter zwar verschwinden, aber sein Gebrechen zu neuen Spannungen mit der Mutter führen.Ich wurde zwischen Mamas und Papas Launen eingequetscht und lernte, dass es am besten war, zu schweigen. Ich bin still und vielleicht auch traurig, seit ich dreizehn war.Alex Schulman zeichnet seinen 30jährigen dramatischen Weg in die Gegenwart und erzählt von einer Familie, die anfangs fröhlich und glücklich war, und langsam, dafür aber unwiederbringlich, zugrunde geht. Es geht um große Gefühle, vermisste Zuneigung, Angst, Verhaltensstörung und die verzweifelte Suche nach der liebevollen, zärtlichen Mutter. Denn Alex vermisst sie, die Mutter, die sich um ihn gekümmert, ihn getröstet und ihn liebgekost hat, und ihn ihren Kleinerlander nannte.Bis ich fünf war, das war die beste Zeit meines Lebens. Dahin will ich zurück.Da tut es sehr weh zu lesen, wie sich diese Mutter gewandelt hat, und Alex vergebens versucht, ihre Nähe zu finden, während sie sich von ihm abwendet und ihn abweist oder tagelang ignoriert ohne ersichtlichen Grund. Er versucht sie immer wieder zurückzubekommen, scheitert immer wieder und immer dramatischer und droht daran selbst zu zerbrechen.Doch Mamas Launen sind unvorhersehbar. Deshalb lerne ich, jede kleine Abweichung zu deuten.Doch gerade da, wo so viel Dunkelheit herrscht, erscheinen die wenigen hellen Momente umso kostbarer. Alex Schulmann erzählt von Begebenheiten, in denen die Familie für kurze Zeit wieder heil scheint. Diese kleinen Episoden geben eine Verschnaufpause in der von Schmerz gezeichneten Geschichte und die Erinnerungen an unbeschwerte Tage, als alles noch im Gleichgewicht schien, bevor das Familienleben allmählich zerbricht, machen die Lektüre umso persönlicher und eindringlicher. Etwas verschob sich. Wir hatten plötzlich Angst vor Mama.Die Besonderheit dieses Romans liegt in der schonungslos offenen, schnörkellosen Sprache, in der Alex Schulman ohne jeglichen Vorwurf, nur mit unendlich trauriger Wehmut, über eine Zeit schreibt, die ihn geprägt und verletzt zurückgelassen hat, und die das Leben seiner eigenen Familie nachträglich beeinflusst. Doch bei all der Tragik dieses Familiendramas überwiegt die Liebe und die Hoffnung des Autors, wiederzufinden, was er so schmerzlich vermisst."Vergiss mich" ist nicht der erste Roman über seine Familie. Bereits in "Verbrenn all meine Briefe" geht es um Wut und psychische Gewalt in seiner Familie und die Frage, ob Wut vererbbar ist. Fazit"Vergiss mich" ist ein schwer zu ertragendes Drama einer Mutter-Sohn-Beziehung und gleichzeitig eine unendlich große Liebeserklärung des Autors an seine Mutter.Die Darstellung von jahrzehntelangem Leiden, das geprägt ist von der Alkoholsucht der Mutter und gezeichnet von den Nöten des Sohnes, ist mit diesem Roman in einer unglaublichen Intensität gelungen. "Vergiss mich" ist eine familiäre und persönliche Vergangenheitsbewältigung über den verzweifelten Versuch des Autors, seine Mutter zurückzubekommen.Eine dysfunktionale Mutter mit drei dysfunktionalen Söhnen.