Mina kehrt nach fast zwanzig Jahren auf die kleine Insel in Maine zurück, die sie als Kind jeden Sommer mit ihrer Familie besucht hat. Der tragische Unfalltod ihres Bruders und die zerbrochene Ehe ihrer Eltern haben sie aus der Bahn geworfen - sie braucht Abstand und einen Neuanfang. Auf der Insel begegnet sie Ann (75) und Julie (50), zwei gestandenen Hummer-Fischerinnen, die ihr nicht nur das raue Leben auf See näherbringen, sondern auch ein Gefühl von Zugehörigkeit schenken. Als Minas Jugendliebe Sam plötzlich auftaucht, scheint ein Happy End greifbar - doch auch er trägt Schatten der Vergangenheit mit sich.Drei Frauen, drei Generationen - und jede mit einem eigenen, starken Charakter. Die Freundschaften zwischen Mina, Ann und Julie haben mich tief berührt. Es sind keine glatten Figuren, sondern kantige Persönlichkeiten, die sich in einer Männerdomäne behaupten, hart arbeiten und dabei nie ihren Humor verlieren. Besonders gefallen hat mir die authentische Darstellung der rauen Seesprache und der direkten, manchmal derben Art der Inselbewohner.Der Roman ist keine leichte Sommerlektüre, sondern eine realistische, manchmal raue Geschichte über Verlust, Neuanfang und die Kraft weiblicher Solidarität. Die Lebenswege der Figuren sind glaubwürdig und zeigen, dass das Leben nicht immer gerade verläuft - und gerade darin liegt seine Schönheit.Ein besonderes Highlight war für mich der blaue Hummer "Mr Darcy" - eine charmante, fast märchenhafte Figur, die mich zum Schmunzeln gebracht hat.Lieblingszitate:"Der Hummer wird mich überleben", hatte Ann einmal gesagt. (Erster Satz - und was für einer!)"Wenn man zu viel runterschluckt, wird es irgendwann zu schwer in einem, und man wird auf den Meeresboden sinken, hat mein Vater immer gesagt." (S. 236)"Aber was nicht ausgesprochen wurde, existiert nicht. An diesem Glaubenssatz hatte sie sich ihr ganzes Leben gehalten, und sie würden den Teufel tun, jetzt davon abzuweichen." (S. 278)"Das Schaf, das der Herde folgt, sieht leider immer nur die Ärsche, hatte sie bloss geantwortet." (S. 284)"Es gibt keinen Anspruch auf Erklärungen." (S. 298)"Ich kann dir nichts über das Meer beibringen, hatte Ann einmal zu Mina gesagt. Du spürst es oder eben nicht. Am Ende ist es mit dem Meer wie mit dem Leben, man muss alles allein herausfinden. Andere können dich auf dem Weg nur begleiten." (S. 391)Ein kraftvoller Roman über Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen. Er erzählt von Trauer, Freundschaft und der Suche nach einem Platz im Leben - ehrlich, berührend und mit einem Hauch salziger Meeresluft.