Spannender zweiter Band: cleverer Magier, rasanter Plot, düstere Magie ¿ Jacka steigert Tempo und Tiefe deutlich.
Mit "Das Ritual von London" legt Benedict Jacka den zweiten Band seiner Urban-Fantasy-Reihe rund um den Wahrsager Alex Verus vor und zeigt eindrucksvoll, dass er die Lektionen aus seinem Debüt beherzigt hat. Wo "Das Labyrinth von London" noch vor allem wie eine vorsichtige Erkundung seiner eigenen Welt wirkte, wagt Jacka nun den großen Schritt nach vorne: Die Geschichte ist mutiger, dichter und spannungsgeladener. Bereits auf den ersten Seiten zieht er den Leser in ein London, das unter der Oberfläche von Magie, Intrigen und uralten Geheimnissen brodelt. Jacka wirkt nun sicherer im Umgang mit seinem Protagonisten und seiner urbanen Kulisse; er erzählt flüssiger, pointierter und mit einem Gespür für Atmosphäre, das den Leser sofort in Alex' düstere Realität hineinzieht. So entsteht ein zweiter Band, der wie ein Versprechen klingt: Diese Buchreihe ist mehr als nur eine weitere Variation bekannter Urban-Fantasy-Motive, sie hat irgendwo auch ihre eigene Stimme gefunden.Während "Das Labyrinth von London" noch vor allem als vorsichtige Einführung in die verborgene, von Machtspielen durchzogene Welt der Magier diente und sich dabei gelegentlich etwas behäbig anfühlte, entfaltet "Das Ritual von London" von der ersten Seite an eine ganz andere Energie. Jacka zögert nicht lange, sondern wirft seine Leser direkt in eine Handlung, die ebenso geheimnisvoll wie gefährlich ist: Ein uraltes Ritual droht die brüchigen Machtstrukturen der magischen Gesellschaft zu erschüttern, und zugleich taucht eine mysteriöse Affenpfote auf - ein Artefakt, das Wünsche erfüllt, aber einen unberechenbaren Preis fordert. Diese Elemente verweben sich zu einem Netz aus Intrigen und Gefahren, das Alex und seine Freunde bald umschlingt und sie zwingt, Entscheidungen zu treffen, deren Konsequenzen weit über das Offensichtliche hinausreichen. Durch dieses Tempo wirkt der Roman spürbar kompakter, dabei aber keineswegs gehetzt. Vielmehr entsteht eine erzählerische Dichte, die das Geschehen lebendig und greifbar macht, sodass man das Gefühl hat, mitten in den düsteren Straßen Londons zu stehen, während sich dort eine unsichtbare Welt voller Magie entfaltet. Es ist dieser neue erzählerische Schwung, der den zweiten Band deutlich runder und packender erscheinen lässt als den Auftakt.Besonders spannend ist dabei, wie Jacka seinen Protagonisten weiterentwickelt. Alex Verus, der im ersten Band noch vor allem als rätselhafter Außenseiter wirkte, gewinnt nun deutlich mehr Tiefe. Sein trockener Humor und sein oft zynischer Blick auf die Welt bleiben zwar Markenzeichen, doch zwischen den Zeilen wird immer wieder spürbar, dass hinter seiner Gelassenheit eine Mischung aus Verletzlichkeit und Scharfsinn steckt. Seine besondere Gabe, in unzählige Zukunftsstränge zu sehen und so die wahrscheinlichsten Verläufe vorauszuahnen, wird in diesem Band facettenreicher und eindrucksvoller in Szene gesetzt: Alex agiert weniger als klassischer Magier mit spektakulären Feuerbällen, sondern vielmehr als Stratege, der durch Weitsicht und clevere Entscheidungen die Oberhand behält. Dadurch hebt er sich wohltuend von vielen Genrehelden ab und wirkt gleichzeitig menschlicher.Auch die Nebenfiguren entwickeln sich weiter und verleihen der Handlung zusätzliche Tiefe. Luna, deren Fluch sie noch immer auf Distanz zu anderen Menschen zwingt, ist längst nicht mehr nur Schülerin und Mitläuferin, sondern eine Figur, deren eigene Konflikte und Entscheidungen zunehmend Gewicht bekommen. Die geheimnisvolle Riesenspinne Arachne fungiert weiterhin als moralischer Kompass und Zufluchtsort für Alex, während andere Figuren wie Sonder oder neue Gegenspieler für zusätzliche Spannung sorgen. Jacka gelingt es, diese Beziehungen glaubwürdig zu zeichnen, sodass sich die Welt von Band zu Band größer und lebendiger anfühlt. Gerade in den stilleren Momenten zwischen den Charakteren wird deutlich, dass Alex Verus nicht nur ein cleverer Überlebenskünstler ist, sondern auch ein Mensch mit echten Bindungen und Verlustängsten.Trotz all dieser Fortschritte und der deutlich spürbaren Eigenständigkeit der Geschichte lässt sich eines nicht leugnen: Die Parallelen zu Jim Butchers Dresden Files sind nach wie vor unübersehbar. Schon der Grundaufbau erinnert stark an die berühmte Reihe: Ein Ich-Erzähler führt durch eine urbane Fantasywelt, in der Magier im Schatten der Großstadt agieren, Intrigen schmieden und politische Machtspiele austragen. Alex Verus bewegt sich wie Harry Dresden durch eine Gesellschaft voller Misstrauen, Allianzen und uralter Fehden - und auch das Setting, ein London, das nur auf den ersten Blick dem Alltag unserer Realität gleicht, trägt zu dieser Ähnlichkeit bei. Doch gerade dieser Vergleich macht auch die Unterschiede deutlich: Während Dresden oft mit brachialer Magie und dem Pathos eines überlebensgroßen Helden auftritt, ist Alex das genaue Gegenteil - ein Stratege im Hintergrund, der mehr auf Verstand und Vorsicht setzt als auf pure Macht. Seine Abenteuer wirken dadurch intimer, weniger wie ein bombastisches Spektakel und eher wie ein klug komponiertes Kammerstück, in dem jeder Zug auf dem Schachbrett zählt. Diese Zurückhaltung verleiht der Buchreihe trotz der offensichtlichen Inspirationsquelle ihren eigenen Tonfall und macht sie zu einer reizvollen Alternative für alle, die Urban Fantasy nicht nur wegen spektakulärer Action, sondern auch wegen cleverer Figurenführung und subtiler Spannung schätzen.Obgleich dieser offensichtlichen Einflüsse ist "Das Ritual von London" ein Roman, der deutlich macht, wie sehr Benedict Jacka inzwischen in seiner eigenen Welt angekommen ist. Der zweite Band fühlt sich in vielerlei Hinsicht reifer an: Die Handlung ist straffer und spannungsgeladener, die Figuren wirken vielschichtiger, und die düstere Magiergesellschaft Londons entfaltet eine Tiefe, die weit über das hinausgeht, was der Auftaktband angedeutet hat. Jacka gelingt es, eine Balance zwischen actionreichen Momenten, cleverem Intrigenspiel und ruhigen Szenen zu halten, in denen Charakterentwicklung und Atmosphäre im Mittelpunkt stehen. Dabei wird klar, dass Alex Verus längst mehr ist als nur eine Figur im Schatten bekannter Genrehelden: Er ist eine Art Antiheld, der durch Vorsicht, Intelligenz und eine gesunde Portion Skepsis überlebt - und dessen ruhige, reflektierte Art eine angenehme Abwechslung zu allzu überzeichneten Fantasyhelden darstellt.Natürlich bleibt nicht alles makellos. Manche Nebenhandlungen hätten mehr Tiefe vertragen können, und einige Figuren entwickeln sich etwas sprunghaft. Dennoch überwiegt der Eindruck, dass Jacka hier einen wichtigen Schritt gemacht hat: "Das Ritual von London" fühlt sich nicht wie ein typischer Mittelband an, sondern wie eine bewusste Weiterentwicklung, die Lust auf mehr macht. Wer nach dem ersten Teil noch unsicher war, ob sich das Weiterlesen lohnt, findet hier eine überzeugende Antwort. Jacka beweist mit diesem Buch, dass er nicht nur die Regeln der Urban Fantasy kennt, sondern sie für seine eigenen Geschichten zu nutzen weiß - und dabei eine düstere, eigenständige Reihe geschaffen hat, die sich mit jedem Band weiter entfaltet.