Wow. Dies ist mal ein Buch, dass es verdient hat, in Schulen gelesen zu werden. Nicht nur, weil es ein unglaublich brisantes und allgegenwärtiges Thema in den Fokus stellt, sondern weil es zur Abwechslung auch so geschrieben ist, dass man als Jugendlicher Spaß am Lesen bekommt. Bevor ein falscher Eindruck entsteht: Werke von Goethe, Schiller und Co sollten und müssen in der Schule behandelt und gelesen werden, aber ehrlicherweise regt es die meisten Schüler nicht an, nach der Lektüre eine Bibliothek oder Buchhandlung aufzusuchen. Bei Carolin Wahls "Staat X" könnte das meiner Meinung nach anders sein. Es ist eine locker geschriebene Geschichte, die trotzdem den Ernst des Themas nicht verfehlt. Das ist ein großes Talent! Das Projekt, einen Staat in der Schule nachzustellen, wird wohl durchdacht und komplex erzählt, was jedoch nicht anstrengend auf den Leser wirkt. Das erfordert viel Arbeit! Auch die Figuren sind sehr gelungen. Es gefällt mir, dass die Autorin vier so unterschiedliche Charaktere gewählt hat, ihnen den Raum gibt, sich zu entfalten und ihre Perspektive auf den "Staat" darzulegen. Ich hätte es auch super gefunden, wenn noch weitere 100 Seiten drin gewesen wären, um Melinas und Adrians sowie Vincents und Laras Geschichte etwas weiter auszuformulieren. Auch hätte ich mir am Ende ein wenig mehr Raum für die Aufarbeitung dessen gewünscht, was bei dem Projekt alles geschehen ist. Neben dem Projekt werden auch andere Themen wie Leistungsdruck, Verlust und sexueller Missbrauch angesprochen, die gut verpackt in dem Schreibstil der jungen Autorin zum Tragen kommen. Das Umgehen mit Worten von Carolin Wahl möchte ich übrigens noch einmal besonders hervorheben: Ich liebe ihr Spiel mit Metaphern und ihren Wortwitz. Auch die Querverweise auf Harry Potter, Marvel und Co. haben mir das Lesen versüßt. Alles in allem würde ich mir wünschen, dass dieses Buch die Schulen dieses Landes erobert und Schülern beweist, wie cool, spannend und modern ernsthafte Literatur sein kann.