In Band 2 aus der Serie "Aus meiner Kanzlei" erzählt der Jurist und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach von 15 Kriminalfällen aus seinem reichen Berufsleben als Anwalt.So unterschiedlich sie auch sind, so erschütternd und dann wieder komisch, vereint die Kriminalkurzgeschichten die Frage nach der Schuld, wobei der Begriff weit über die strafrechtliche Bedeutung hinausreicht und eigentlich im moralisch und psychologisch Bereich nach Antworten oder Erklärungen sucht. Und wir alle in dem kühlen Verhandlungszimmer wussten, dass das Verfahren hier enden würde und dass Schuld eine ganz andere Sache war.Meine persönlichen LeseeindrückeFerdinand von Schirach ist eine Persönlichkeit, ein renommierter Strafverteidiger von großem Format, ein Mann, der sich mit dem Menschen und seinen Werten und den moralisch und psychologisch Vorgängen, dem Gewissen, das Funktionieren von Werten oder Regeln und das damit verbundene Schuldgefühl beschäftigt. "Verteidigung ist Kampf, Kampf um die Rechte des Beschuldigten"Zudem ist er ein brillanter Autor, dessen Fähigkeit darin liegt, selbst komplexe Sachverhalte allgemein verständlich und objektiv darzustellen, damit ich als Leserin einen Tatbestand und seine Geschichte ohne Beeinflussung aufnehmen kann und .... Das macht dann etwas mit einem, jedenfalls mit mir. Ich versuche nicht nur die Komplexität zu verstehen, sondern es wird mir bewusst, wie schwer es ist, Recht zu sprechen, Gerechtigkeit zu finden und Genugtuung zu verschaffen. Mit diesem Erzählband "Schuld" fokussiert von Schirach einen weiteren wichtigen Aspekt, der oft in den Hintergrund gerät: es ist die Frage nach der Schuld, und zwar nicht beschränkt auf die strafrechtliche Bedeutung.Wie Benjamin von Stuckrad-Barre in der Welt am Sonntag (siehe Klappentext) schrieb: .... da sitzt jedes Wort, da ist alles an seinem Platz, Poesie durch Klarheit, im Leserkopf entsteht ein soghafter - man kann es nicht anders sagen - Film: die Figuren und ihre Geschichten in einer zwar warmherzigen Menschenkenntnis verwickelt, zugleich jedoch weht durch die Zeilen ein kühlklares Lüftchen der Vergeblichkeit, der Unausweichlichkeit menschengemachter Katastrophen.Die Kunst liegt darin, selbst ungeheuerliche, juristisch komplexe, kompliziert und multifaktorielle Sachverhalte leicht verständlich zu erzählen, ohne den Leser zu beeinflussen, geradeso als könnte man sich der Sache selbst ohne jegliche fachkundige Ausbildung annehmen können. Denn es geht in "Schuld" nicht um juristische Spitzfindigkeit, sondern um das Menschliche, den Spürsinn für das, was richtig ist und worin die Schuld liegt, frei von Moral oder Ethik, auf Basis eines Grundempfindens, das jedem Menschen innewohnt. Die Suche nach der Schuld ist ein schwieriges Unterfangen; die Dinge sind niemals einfach.FazitLiterarisch hochwertige Kriminalkurzgeschichten in brillantem Schreibstil verfasst, die klar im Sachkontext, professionell objektiv und gleichzeitig unterhaltend sind, und in denen selbst die wenig persönlichen Äußerungen des Anwalts einen besonderen Charakter einnehmen.