Keine leichte Kost
Kairos ist der Name des griechischen Gottes (und auch der griechische Begriff) für eine günstige Gelegenheit und Entscheidung. Katharina erhält 2 große Kartons nach dem Tod ihres ehemaligen Liebhabers Hans. Nachdem sie sich bereit dafür fühlt, nimmt sie die Kartons und die eigenen Aufzeichnungen und erinnert sich an ihre Geschichte. Ende der 1980er Jahre in der DDR lernen sich die 19jährige Katharina und der fast 40 Jahre ältere verheiratete Hans kennen und beginnen eine Affäre, die mehrere Jahre dauern wird. Der Schreibstil ist ungewöhnlich, man muss sich beim Lesen sehr konzentrieren, um zu wissen, aus wessen Perspektive wir gerade lesen, es gibt keine Satzzeichen für wörtliche Rede, Erinnerungen und Gedanken mischen sich mit Gesprächen und dem Fluss der Geschichte, sowie (später) mit Auszügen aus Hans? Texten, die er für Katharina auf Tonbandkassetten spricht, Die Liebesgeschichte der beiden Protagonisten hat mich von Anfang an vor Probleme beim Einfühlen gestellt. Zu keiner Zeit im Roman konnte ich positive Gefühle spüren, die für mich das Wesen der Liebe ausmachen, auch und vor allem in der Literatur. Selbst zu den "guten Zeiten" der beiden habe ich es nicht gefühlt, und noch viel weniger in den langen Strecken, als Hans sich als mehr als problematisch in seinem Verhalten Katharina gegenüber zeigt. Aber - ich denke, der Roman ist KEINE Liebesgeschichte. Dass die beiden Protagonisten nicht zusammen passen, nicht gut zu- und füreinander sind, das ist schnell und dann die ganze Zeit hindurch klar. Manche Stellen waren mir hier etwas zu lang(atmig) geschildert und einiges widerte mich wirklich an, vor allem, die Tonbandkassetten und im Grunde die gesamte Person des Hans. Katharina ist ebenfalls leider keine Protagonistin nach meinem Geschmack, viel zu duldsam, passiv und fast märtyrerhaft ist sie und bleibt es - und das ist keinesfalls nur der Fall, weil sie noch so jung ist. Es wirkt fast, als suhle sie sich in ihrem Elend und als wolle sie gar nicht die anderen Möglichkeiten annehmen, die sich ihr bieten. Ich vergebe dem Roman dennoch eine (leicht eingeschränkte) Leseempfehlung, denn der Schluss hat mich vor allem mit dem Rest mehr als versöhnt. Die Einbettung in die Wendejahre, wie es jetzt heißt, ist sehr gut geglückt und bringt dem Lesenden ein Gefühl rüber, das wichtig ist, zu verstehen, auch heute, 35 Jahre später noch und auch, wenn man wie ich im Westen geboren und aufgewachsen ist. Keine leichte Kost, aber es lohnt sich durchaus!