Eine spannende und temporeiche Geschichte mit kleinen Schwächen über ein richtig interessantes Thema.
Inhalt:Für Steve bricht eine Welt zusammen als er wegen eines Verbrechens angeklagt wird, das er nicht begangen hat. Er kann sich nicht erklären wie seine DNA an den Tatort gelangt ist. Es gibt nur eine Person, die ihm jetzt noch helfen kann: Die Wissenschaftlerin Jeannie, die er im Rahmen eines Forschungsprojektes kennengelernt hat, hat herausgefunden, dass er (ohne es zu wissen) einen Zwillingsbruder hat. Gemeinsam machen sich Jeannie und Steve daran mehr über Steves Herkunft herauszufinden und seinen kriminellen Zwillingsbruder ausfindig zu machen. Dabei kommen die beiden einem streng geheimen wissenschaftlichen Forschungsprojekt des Militärs auf die Spur und gelangen ins Visier von ebenso skrupellosen wie gefährlichen Personen, die gewillt sind alles zu tun um ihr Geheimnis zu bewahren..."Die Frage der Vererbung von Kriminalität ist ein faszinierendes wissenschaftliches Problem", erwiderte sie ausweichend. "Jeder interessiert sich für Verbrechen." (S. 209)Was ich mochte:Eines vorweg: Ich habe schon einige andere Bücher von Ken Follett gelesen. Besonders gerne gelesen habe ichDie Säulen der Erde, Die NadelundSturz der Titanen(sowie die Folgebände). Deswegen habe ich mich auf dieses Buch gefreut.Obwohl der Titel des Buches bereits verrät, dass Steve unwissentlich genetisch identische Doppelgänger hat, tut dies der Spannung keinen Abbruch. Es verstärkt vielmehr gleich zu Beginn der Geschichte das Drama. Steve landet in Untersuchungshaft obwohl man als Leser weiß, dass er unschuldig ist und sein Zwillingsbruder der wahre Täter ist. Deswegen leidet man sehr mit ihm und hofft, dass es gelingt die Wahrheit ans Licht zu bringen. Steve ist ein toller Protagonist, den ich schnell ins Herz geschlossen. Es war mir sogar noch sympathischer als Jeannie (Gründe siehe untenstehender Abschnitt "Kritikpunkte"). Was mir aber an Jeannie gefallen hat sind ihre kämpferische Art, ihr Mut und ihr Engagement. Es ist auch interessant inwieweit sie durch ihren familiären Hintergrund in besonderem Maße daran interessiert ist das Thema "Vererbung von Kriminalität" zu untersuchen. Jeannie und Steve bilden ein tolles Team und die Dynamik zwischen den beiden hat mir sehr gefallen. Es ist schön zu verfolgen wie sich die beiden gegenseitig unterstützen, wie sich allmählich Vertrauen entwickelt, sie Freunde werden und schließlich die Liebe wächst. Jeannie und Steve tun alles dafür, dass die Wahrheit ans Licht kommt und die Täter bestraft werden. Man wünscht ihnen bei ihrem Vorhaben von Herzen Erfolg.Das Thema "Was macht einen Menschen zu Verbrecher" ist richtig interessant und spannend. Es geht darum inwieweit eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur und bestimmte ererbte Eigenschaften es wahrscheinlicher machen, dass eine Person kriminelles Verhalten zeigt. Personen, die sehr impulsiv, wagemutig und hyperaktiv sind, eine geringe Frustrationstoleranz haben und zu Aggressivität neigen sind stärker gefährdet zum Verbrecher zu werden als andere Menschen. Um dies zu untersuchen kann man voneinander getrennt aufgewachsene Zwillinge untersuchen von denen nur einer kriminell geworden ist. Auf diese Weise kann man herausfinden welche äußeren Einflüsse (Umwelt, Erziehung, Erfahrungen etc.) einen Unterschied machen können:"Die Gene lenken uns gewissermaßen zu bestimmten äußeren Erfahrungen hin und leiten uns von anderen fort. Babys mit unterschiedlichen Temperament veranlassen die Eltern, sie unterschiedlich zu behandeln. Zurückhaltende, stille Kleinkinder haben andere Erfahrungen als aktive, extrovertierte." (S. 107)Es entfaltet sich eine spannende und temporeiche Geschichte, die ich gerne gelesen habe. Es ist dem Autor gelungen das Thema Genforschung in einen mitreißenden Thriller einzubetten. Der Gedanke, dass versucht werden könnte Genforschung militärisch zu nutzten ist leider naheliegend und zugleich wirklich erschreckend. Es wird im Rahmen des Buches thematisiert ob und inwieweit es möglich sein könnte perfekte Soldaten zu züchten. Für Gänsehaut sorgt in diesem Zusammenhang besonders die Verwechslungsgefahr, die sich ergibt wenn mehrere genetisch identische Personen herumlaufen von denen manche eine hohe kriminelle Energie besitzen und eine Gefahr für ihre Mitmenschen darstellen. Was das angeht ist mir besonders eine bestimmte Szene aus dem Buch in Erinnerung geblieben: Jeannie trifft Steve ohne zu ahnen, dass es sich in Wahrheit gar nicht um ihn sondern um dessen Zwillingsbruder handelt, der gefährliche Absichten hegt. Das Buch spricht nebenbei auch noch einige wichtige und ernste Themen an, die nachdenklich stimmen: So wird beispielsweise deutlich, dass es bei der Befragung von Opfern sexueller Gewalt dafür speziell geschulter Polizisten bedarf. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Opfer unnötig leidet oder sogar auf eine Anzeige verzichtet um damit den forschen und unsensiblen Nachfragen zu entgehen. Darüber hinaus wird Polizeigewalt thematisiert: Steve ist (obwohl er nur in Untersuchungshaft ist) extrem hohem psychischen Druck und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt mit denen ein Geständnis erzwungen werden soll.Das Buch vermittelt eine schöne und versöhnliche Botschaft: Es ist falsch jemanden ausschließlich auf seine Gene zu reduzieren, weil wir Menschen mehr sind als die Summe unserer Teile. Außerdem ist Familie so viel mehr als nur genetische Verwandtschaft.Trotz all dieser Vorzüge habe ich leider aber auch einige Kritikpunkte:Jeannies Verhalten finde ich an einigen Stellen merkwürdig, befremdlich und problematisch. Ein Beispiel dafür ist Jeannies Verhalten nachdem ihre beste Freundin vergewaltigt wurde. Um die Freundin nach diesem traumatischen Erlebnis abzulenken spricht sie mit ihr ausgerechnet über Dating und darüber wieder auf Männerfang zu gehen. Das finde ich sehr unpassend und unsensibel. Später wird es dann sogar noch schlimmer: Jeannie sagt ihrer Freundin ins Gesicht, dass der von ihr als Vergewaltiger identifizierte Mann keinesfalls der Täter sein könne und sie sich irren müsse. Jeannie hat den Verdächtigen nämlich einem kurzen psychologischen Test unterzogen und diesen Ergebnissen glaubt sie viel mehr als ihrer Freundin, obwohl diese den Verdächtigen ohne das geringste Zweifeln und mit 100%-iger Sicherheit identifiziert hat. Selbst wenn Jeannie Zweifel hat finde ich nicht, dass sie das dem Opfer kurz nach der Tat so direkt auf den Kopf zusagen muss.Es gibt noch weitere Stellen an denen Jeannie mir etwas unsympathisch war. So ist Jeannie Polizisten gegenüber grundsätzlich ein wenig "feindlich" eingestellt, weil diese gegen Drogenkonsum vorgehen. Jeannie findet das nicht in Ordnung, denn sie hat früher ab und zu "harmlosere" Drogen konsumiert und will sich das nicht verbieten lassen. Außerdem wird mehrmals deutlich, dass Jeannie auf Frauen herabblickt, die beruflich nicht so erfolgreich sind wie sie selbst. Am schlimmsten finde ich aber die Art und Weise wie Jeannie über ihre an Demenz erkrankte Mutter spricht. Als sie über die Zeit vor der Erkrankung spricht tut sie das mit folgenden Worten:"(...) bevor sie gaga wurde." (S. 479)Wer spricht so über die Demenzerkrankung der eigenen Mutter? Das finde ich wirklich schrecklich - vor allem zumal Jeannie ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hat.Ein weiterer Kritikpunkt ist die Tatsache, dass es jemandem gelingt sich unbefugt Zugang zu einer Datenbank im Pentagon zu verschaffen. Ich finde es ziemlich unglaubwürdig, dass ein Besucherausweis genügt um im Pentagon herumzuspazieren und sich dort widerrechtlichen Zugang zu vertraulichen Daten zu verschaffen. Zu allem Überfluss gelingt es sogar noch die besagten Daten unbemerkt auf eine mitgebrachte Diskette zu kopieren. Auch wenn das Buch in den 1990er-Jahren spielt glaube ich nicht, dass die Sicherheitsvorkehrungen damals so lasch waren.Ein kleines Problem hatte ich auch damit, dass unsere Protagonisten zu fragwürdigen Methoden greifen um den Bösewichten das Handwerk zu legen. Sie wollen die Angelegenheit lieber selbst regeln und sich nicht auf die Unterstützung der Polizei verlassen und das geht dann nur mit Freiheitsberaubung und Entführung. Klar, der Bösewicht hat das schon irgendwie verdient, aber es ist dennoch ein wenig befremdlich, dass das später keinerlei strafrechtlichen Konsequenzen zu haben scheint, weil sie nun mal die Guten sind.Abschließend ist noch zu sagen, dass mir die Bösewichte ein wenig zu klischeehaft geraten sind und man sie ruhig etwas vielschichtiger hätte charakterisieren können.Fazit:Wenn man über die eine oder andere Schwäche hinwegsehen kann wird man mit einer spannenden und temporeichen Geschichte über ein interessantes Thema belohnt. Es ist für mich nicht Ken Folletts bestes Buch, aber ich habe es dennoch gerne gelesen.