Gibt es in dieser Welt für jeden Menschen genau einen anderen, der nur ihm "ein Gefühl der Unmittelbarkeit, der Heimat" vermittelt, wie es der Autor nennt? Und was passiert, wenn sich zwei solche Menschen begegnen, ihre Körperintelligenz die einzigartige Situation versteht, der Verstand aber nicht folgen kann oder die Umstände die seelische und körperliche Vereinigung nicht dauerhaft zulassen?Zwischen Lea und Hannes entsteht eine solche Unmittelbarkeit. Er tritt in Leas Blumenladen, und sie nimmt ihn unter einem Vorwand mit zu sich. Doch die Wege, die sich hier so intim kreuzen, haben eine völlig unterschiedliche Geschichte.Lea lässt sich mit vielen Männern ein, und Hannes hat erst kürzlich begriffen, dass er jahrelang völlig ahnungslos nur einer von zwei Männern seiner Freundin war, die sich nun für den anderen entschieden hat. Verwundert es da, dass Hannes die geheimnisvolle Vergangenheit Leas ergründen will? Ist es Eifersucht, wenn er diesmal sicher sein möchte, der Einzige zu sein? Es ist doch jeder auf der Suche nach diesem einzigartigen und unteilbaren Gefühl von Heimat und Unmittelbarkeit, das Hannes bei Lea so plötzlich und unerwartet gefunden hat.Während er Leas geheimnisvolle Vergangenheit zu ergründen versucht, kommt diese in einem zweiten Erzählstrang direkt zu ihr. Lea stammt von einer dieser unwirtlichen kalten und baumlosen Hebrideninseln, wo noch jeder jeden kennt und wo Regeln gelten, die andernorts längst in der Anonymität verschwunden sind.Zwei Männer aus Leas schottischer Vergangenheit suchen sie, weil sie unbedingt etwas von ihr zurückhaben wollen. Als Lea von ihrer eigenen Geschichte eingeholt wird, gerät Hannes noch mehr in den Strudel der Ereignisse um die Geheimnisse einer Frau, die ihm ein Gefühl schenkt, das er so noch nie empfunden hatte.Egal, in welche Kategorie kluge Menschen dieses Buch nun unbedingt stecken müssen - es ist von einer faszinierenden Intensität und Dichte, weil der Autor offenbar über etwas schreibt, was er, in welcher Form auch immer, selbst erlebt und mit seiner eigenen Körperintelligenz verstanden haben muss.Glücklicherweise verfügt er dann auch noch über außergewöhnliche erzählerische Fähigkeiten. Reichlin baut seine Geschichte so geschickt auf, dass die langsam erzeugte Grundspannung, die nicht aus einer dem Leser offenbarten Tat, sondern aus einem Geheimnis entsteht, sich stetig steigernd bis zum Ende erhalten bleibt.Wie nebenbei und fast unbemerkt schildert Reichlin, während sich die Erzählstränge aufeinanderzubewegen, die ganze Bandbreite der Beziehungen zwischen Mann und Frau. Lea ist auf der Suche nach einem Zustand, den sie einst kurz kennengelernt hatte und danach nicht wieder finden konnte. Hannes wurde tief verletzt, weil er sich durch seine geflüchtete Freundin um das Gefühl von Intimität betrogen sieht. Und dazwischen erleben wir bei anderen Beziehungen Langeweile, Frust oder Hass, weil in ihnen nicht das wahr wurde, was jeder sucht und was so selten funktioniert, wenn man nicht auf seinen Gegenpart traf, sondern auf einen Menschen, der einem immer irgendwie fremd bleiben wird.Fazit.Ein Buch, das von einer eigenartigen Faszination ist, die sich erst langsam ergibt, aber dann sich steigernd bleibt. Kein Kriminalroman im engeren Sinne, auch keine Liebesgeschichte, sondern eine spannende Erzählung über die Suche nach dem einen Menschen, der genau in die Form passt, die wir selber sind. Wunderbar geschrieben und sehr geschickt aufgebaut.