Kommissar Lennart Ipsen wollte eigentlich eine entspannte Auszeit auf Bornholm genießen. Doch kaum sitzt er im Restaurant seiner Freundin Maren, stirbt ein prominenter TV-Koch nach einem geheimnisvollen Abendessen an einer seltenen Vergiftung. Ausgerechnet Maren gerät in Verdacht, und Ipsen wird von der offiziellen Ermittlung ausgeschlossen, um Befangenheit zu vermeiden. Heimlich versucht er trotzdem herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Zwischen den Dünen, den endlosen Stränden und der touristischen Idylle verbirgt sich ein Netz aus Lügen, verletzten Gefühlen und einem Verbrechen, das tiefer reicht, als es zunächst scheint.Der Roman ist Teil der Bornholm-Krimireihe, doch auch ohne die Vorgänger zu kennen, erschließt sich die Geschichte mühelos. Ich finde es spannend, wie Kobr das Urlaubssetting mit einer unterschwelligen Bedrohung auflädt. Die Insel wird atmosphärisch dicht beschrieben, fast schmeckt man den salzigen Wind, während sich in den Küchen das Gift mischt. Die Spannung baut sich nicht durch laute Action auf, sondern durch psychologische Reibung: Lennarts Beziehung zu Maren ist zerbrechlich, Zweifel nagen an ihm, Eifersucht flammt auf, während er gleichzeitig als Polizist mit Loyalität und Integrität ringt. Dass er nicht offiziell ermitteln darf, erzeugt einen reizvollen Konflikt, weil es ihn zwingt, Grenzen zu überschreiten und seine eigenen Kollegen zu hintergehen. Besonders gelungen finde ich, wie die private Seite des Ermittlers mit dem Fall verwoben wird - seine Töchter, sein Vater, die angespannte Teamdynamik im Revier. Manchmal habe ich jedoch gespürt, dass der Krimiplot darüber etwas ins Stocken gerät, weil sich der Fokus zu lange auf Ipsens Innenleben richtet. Der Täter wird relativ früh angedeutet, was für mich einen Teil der Spannung genommen hat, auch wenn ich die Motivkonstruktion glaubwürdig fand. Der Schreibstil wirkt leichtfüßig, fast sommerlich, was zu Bornholm passt, bleibt dabei aber klar genug, um die Schwere der Situation nicht zu verwässern. Besonders die Dialoge zwischen Ipsen und Maren haben für mich eine glaubhafte Reibung - hier prallen Misstrauen und Zuneigung so realistisch aufeinander, dass ich ihm seine Zerrissenheit sofort abkaufe. Gegen Ende zieht das Tempo merklich an, doch das Finale hätte für meinen Geschmack noch etwas mehr Tiefe verdient. Trotz kleiner Schwächen bleibt für mich der Eindruck eines stimmungsvollen, charakterorientierten Krimis, der die Balance zwischen Urlaubsflair und psychologischem Druck hält.Schatten über Sømarken ist für alle, die ihre Krimis lieber mit leisen Tönen und menschlichen Abgründen mögen, statt mit brachialer Action. Bornholm dient dabei nicht nur als hübsche Kulisse, sondern als Gegenpol zu den Schatten, die sich in den Beziehungen der Figuren einnisten. Ich mag es, wie Kobr die Frage nach Vertrauen, Schuld und Loyalität in einem vermeintlich leichten Sommerkrimi verhandelt. Wer schon die Vorgänger mochte, wird Ipsens Entwicklung hier besonders spannend finden. Für mich funktioniert der Roman auch ohne Vorwissen, weil er genug Eigenständigkeit bietet. Am Ende bleibt Lust auf mehr - und auf die Frage, welche Schatten Bornholm noch verbirgt.