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Produktbild: Feuer der Freiheit | Wolfram Eilenberger
Produktbild: Feuer der Freiheit | Wolfram Eilenberger

Feuer der Freiheit

Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933-1943)

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eBook epub
10,99 €inkl. Mwst.
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Das abenteuerliche Leben vier außergewöhnlicher Frauen, die in finsterer Zeit für unsere Freiheit kämpften

Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Simone Weil und Ayn Rand: Mit großer Erzählkunst schildert Wolfram Eilenberger die dramatischen Lebenswege der einflussreichsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Inmitten der Wirren des Zweiten Weltkrieges legen sie als Flüchtlinge und Widerstandskämpferinnen, Verfemte und Erleuchtete das Fundament für eine wahrhaft freie, emanzipierte Gesellschaft.

Die Jahre 1933 bis 1943 markieren das schwärzeste Kapitel der europäischen Moderne. Im Angesicht der Katastrophe entwickeln vier Philosophinnen, Simone de Beauvoir, Simone Weil, Ayn Rand und Hannah Arendt, ihre visionären Ideen: zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, von Mann und Frau, von Sex und Gender, von Freiheit und Totalitarismus, von Gott und Mensch. Ihr abenteuerlicher Weg führt sie von Stalins Leningrad bis nach Hollywood, von Hitlers Berlin und dem besetzten Paris bis nach New York; vor allem aber zu revolutionären Gedanken, ohne die unsere Gegenwart - und Zukunft - nicht dieselbe wäre. Ihre Existenzen - als Geflüchtete, Aktivistinnen, Widerstandskämpferinnen - erweisen sich dabei als gelebte Philosophie und legen eindrucksvoll Zeugnis von der befreienden Kraft des Denkens ab.

Ein grandioses Buch über vier globale Ikonen, die am Abgrund des 20. Jahrhunderts beispielhaft und mit bis heute weltweiter Wirkung verkörperten, was es heißt, ein wahrhaft freies Leben zu führen.
»Ein Buch, das unter jeden Weihnachtsbaum gehört. «

Denis Scheck, Druckfrisch, Dezember 2020

»Gleichgültig, was man bisher über das Denken im 20. Jahrhundert wusste: Hier wird man auf aufregende Weise klüger. «

Elke Schmitter, Der Spiegel, Oktober 2020

Produktdetails

Erscheinungsdatum
12. September 2020
Sprache
deutsch
Auflage
Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes.
Seitenanzahl
400
Dateigröße
5,15 MB
Autor/Autorin
Wolfram Eilenberger
Verlag/Hersteller
Kopierschutz
mit Wasserzeichen versehen
Family Sharing
Ja
Produktart
EBOOK
Dateiformat
EPUB
ISBN
9783608120370

Portrait

Wolfram Eilenberger

Wolfram Eilenberger, geboren 1972, war langjähriger Chefredakteur des Philosophie Magazins, moderiert die »Sternstunde Philosophie« im Schweizer Fernsehen und ist Mitglied der Programmleitung der >phil. COLOGNE<. In zahlreichen Talkshowauftritten im Deutschen Fernsehen gibt er der Philosophie eine Stimme und ein Gesicht. Sein Buch »Zeit der Zauberer« stand monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste, wurde 2018 mit dem Bayerischen Buchpreis und 2019 mit dem in Frankreich renommierten Prix du Meilleur Livre Étranger ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Bestseller »Feuer der Freiheit«.

Pressestimmen

»Eilenberger hat hier nicht nur einen originellen und überzeugenden Zugriff. Er schreibt außerdem elegant, verständlich, humorvoll und hin und wieder bis zur Ergriffenheit empathisch. Gleichgültig, was man bisher über das Denken im 20. Jahrhundert wusste: Hier wird man auf aufregende Weise klüger. «Elke Schmitter, Der Spiegel, 10. Oktober 2020 Elke Schmitter, SPIEGEL

»Ein Buch, dass das Abenteuer denken nacherlebe macht. «Denis Scheck, Das Erste - Druckfrisch, 13. Dezember 2020 Denis Scheck, Das Erste druckfrisch

»Seine lebendige Art der Philosophiegeschichtsschreibung hat Eilenberger bereits in seinem Buch Zeit der Zauberer grandios bewiesen hier sind es die Frauen, die er in den Mittelpunkt stellt. Einmal mehr beweist der 1972 in Freiburg im Breisgau geborene Philosoph, dass sich tiefes Denken und lebendiges Beschreiben nicht ausschließen. «Denis Scheck, Druckfrisch, 13. Dezember 2020 Denis Scheck, Das Erste druckfrisch

»Ein Buch, das unter jeden Weihnachtsbaum gehört. «Denis Scheck, Das Erste - Druckfrisch, 13. Dezember 2020 Denis Scheck, Das Erste druckfrisch

»Eilenberger erzählt glänzend, argumentiert präzis und schreibt ein bedeutendes Kapitel der Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts, das so noch nicht geschrieben war. «Thomas Ribi, NZZ, 12. Oktober 2020 Thomas Ribi, Neue Zürcher Zeitung

»In his enjoyable book, Eilenberger manages to convey not only his characters' complicated lives but the convoluted flow of their endlessly agitated minds. «Caroline Moorehead, The Guardian, 26. Juli 2023 Caroline Moorehead, The Guardian

»[ ] Wolfram Eilenberger liefert atmosphärisch dichte Denkerinnenporträts. Scharfsinnig werden die ganz unterschiedlichen Freiheits- und Ideenkonzepte nachgezeichnet. « Alexander Kluy, Der Standard, 06. Februar 2021 Alexander Kluy, Der Standard

»Durch diese so verschiedenen Charaktere schafft es Eilenberger nicht nur einen Einblick in deren so unterschiedlichen philosophischen Werdegang zu geben, er zeichnet auch ein Gesamtbild einer Epoche, in der das Individuum unterzugehen schien. « Thomas Mahr, Lesart, Februar 2021 Thomas Mahr, Lesart

»Eilenberger gelingt es auf spannende Weise, mit der literarischen Form einer 'staunenden Selbstbefragung' der Frauen jeweils zeittypische Grundkonflikte ans Licht zu bringen. [ ] Im Kleinformat der jeweiligen Biografie kommen stets philosophische Kernfragen um Subjekt und Gesellschaft, um Freiheit und Macht, um Gerechtigkeit und Liebe in den Blick. Und deutlich wird, dass Philosophie nicht verstaubte Doktrin oder lebloser Gedanke ist, sondern mit Existenz und Überleben zu tun hat. « Gotthard Fuchs, Christ in der Gegenwart, 31. Januar 2021 Gotthard Fuchs, Christ in der Gegenwart

»Wolfram Eilenberger hat ein großes Buch über vier radikale Denkerinnen geschrieben. Sie alle eint: der Wille zur Welt. « Ronja Mira Dittrich / Maximilan Sippenauer, titel thesen temperamente, 29. November 2020 titel thesen temperamente

»Wolfram Eilenbergers Feuer der Freiheit ist ein Buch über Frauen, die sich mit ihren philosophischen Theorien freikämpfen mussten aus dem Schatten berühmter Männer, und das in einer Zeit, die ihnen, gelinde gesagt, nicht gewogen war. « Angela Gutzeit, Deutschlandfunk, 08. November 2020 Angela Gutzeit, Deutschlandfunk

»Wolfram Eilenberger schafft es [ ] Philosophie als ideengeschichtlichen Krimi zu erzählen und nebenbei den Frauen einen angemesseneren Platz in der Geistesgeschichte zu geben. « Welt am Sonntag, 11. Oktober 2020 Welt am Sonntag

»Das Buch zeigt, dass Philosophie wesentlich plural ist und dass sie im Anders-Denken besteht. Eilenberger lädt listig dazu ein, auf die befreiende Wirkung dieses Anders-Denkens zu vertrauen. « Wolfgang Schütz, Augsburger Allgemeine, 10. Oktober 2020 Wolfgang Schütz, Augsburger Allgemeine

»[ ] Spannend und [ ] kurzweilig erzählt. [ ] Ein sehr gutes Buch also. « Wolfgang Schütz, Augsburger Allgemeine, 10. Oktober 2020 Wolfgang Schütz, Augsburger Allgemeine

»Wolfram Eilenberger legt mit Feuer der Freiheit ein weiteres Meisterwerk vor. Das Buch [ ] ist nicht nur etwas für Philosophieexperten. Es ist geschrieben wie ein Roman, den man an drei oder vier Abenden durchliest und gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. « Thomas Sigmund, Handelsblatt, 02. Oktober 2020 Thomas Sigmund, Handelsblatt

»Eilenbergs Feuer der Freiheit beweist, dass Philosophie des 20. Jahrhunderts klug und dennoch sehr lebendig erzählt werden kann. « Jörg Schieke, mdr Kultur, 23. September 2020 Jörg Schieke, mdr Kultur

»Tatsächlich führt der Berliner Philosoph sein ungemein packendes Erzählen der schrittweisen Verfertigung der Gedanken besonderer Charaktere in bewegten Zeiten konsequent fort. In Zeit der Zauberer zeigt er, wie zwischen 1919 und 1929 die philosophischen Welten von Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger entstehen. Feuer der Freiheit nimmt das Jahrzehnt zwischen 1933 und 1943 ins Visier, die 'Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten'. Wer hätte gedacht, dass es Frauen waren, die das von alters her Männern obliegende 'Denken ohne Geländer' gerettet haben? . « Natascha Freundel, rbb, 21. September 2020 Natascha Freundel, rbb

»So ist Wolfram Eilenberger ein Denk-, Lese-, Geschichts- und Geschichtenbuch gelungen, das große Lust auf Philosophie weckt. « Hartmut Wilmes, Kölnische Rundschau, 18. September 2020 Hartmut Wilmes, Kölnische Rundschau

»Es gelingt Eilenberger, aufgrund seiner strahlenden Fabulierkunst, die Philosophie dieser vier Frauen darzustellen als Abenteuer des Denkens auf den Irrfahrten des Lebens, bei denen diese vier Philosophinnen sich selbst ein Kompass waren. « Thomas Böhm, RBB, 17. September 2020 Thomas Böhm, rbb

»Der hat wirklich literarische Talente. Diese Mischung aus Nuance und Klarheit. Diese Fähigkeit, persönliche Fragen zu stellen ohne jemals philosophische Ideen zu reduzieren. ( ) Sein Humor. Das ist einfach ein Genuss. (. . .) Es ist Philosophie getarnt als Philosophiegeschichte« Susan Neiman, SWR2 Lesenswert, September 2020 Susan Neiman, SWR2

»Aber trotzdem, ich meine, verdammt noch mal, die Bücher von deutschen Philosophieprofessoren, die taugten über Jahrzehnte hinweg lediglich, um Türen aufzuhalten, wackelnde Tische abzustützen; sie waren unlesbar. (. . .) Wir müssen über Eilenberger doch eines sagen: Wie süffig, wie fast boulevardesque er vermag, hier Philosophie zu beschreiben, und zwar auf Niveau, das möchte ihm erst einmal einer nachmachen. « Denis Scheck, SWR2 Lesenswert, September 2020 Denis Scheck, SWR2

»Ein mosaikhaftes Zeitpanorama [ ], das untergründig immer auch der Frage nachgeht, was Philosophie überhaupt ist und was es heißt, philosophisch zu leben und zu arbeiten. [ ] Das jederzeit lustvoll sichtbar werden zu lassen, macht Feuer der Freiheit zu einer anregenden, klugen und äußerst unterhaltsamen Lektüre. « Jörg Magenau, Philosophie-Magazin, 06/2020 Jörg Magenau, Philosophie Magazin

Besprechung vom 13.08.2025

Rilkes Schnupfen und Picassos Katzen

Von Florian Illies' "1913" bis Uwe Wittstocks "Marseille 1940": Seit mehr als einem Jahrzehnt reüssieren historische Sachbücher, die kleine Szenen aus dem Alltag von Dichtern und Denkern zu einem Zeitpanorama montieren. Ist das moderne Geschichtsschreibung oder Netflix für Bildungsbürger?

Rainer Maria Rilke hat Schnupfen." So lesen wir im Kapitel "März" von Florian Illies' Sachbuch "1913: Der Sommer des Jahrhunderts". Davor steht, durch Raute und Leerzeilen getrennt, ein kaum seitenlanger Abschnitt zum Selbsthass und Alkoholismus des Dichters Georg Trakl. Nach Rilkes Schnupfen und einem weiteren Trennungszeichen hören wir von der "schwer depressiven" Virginia Woolf, die ihr erstes Romanmanuskript zum Verleger schickt. Soll die Empfindlichkeit Rainer Maria Rilkes also mit den wirklichen Problemen anderer Schriftsteller kontrastiert werden? Solche Vergleiche werden ebenso dem Leser überlassen wie eine etwaige Verbindung von Rilkes Gesundheitszustand und seinem Werk.

Gerade weil die Bedeutung dieses Schnupfens in der Literaturgeschichte aber offenbleibt, ist seine Bedeutung in der Literaturgeschichtsschreibung umso erheblicher. Denn der eingangs zitierte Satz treibt, in seiner Alltäglichkeit und Unverbundenheit, Illies' Methode in "1913" auf die Spitze. Und mit dieser Methode, so heißt es heute im Klappentext, begründete das Buch "ein neues Genre der erzählenden Geschichtsschreibung".

Man kann das kaum als großspurige Eigenwerbung des Verlags abtun. Erschienen 2012 und damit überpünktlich zum Jubiläum (wenn man bei einer bloßen Jahreszahl von einem Jubiläum sprechen kann), ist "1913" zu einem der erfolgreichsten deutschen Sachbücher des einundzwanzigsten Jahrhunderts avanciert. Während Verlage in der Regel schon mit ein paar Tausend verkauften Exemplaren zufrieden sind und deutsche Autoren sich im Ausland eher schwertun, stand "1913" achtzehn Wochen lang auf Platz eins der "Spiegel"-Bestsellerliste, verkaufte sich rund eine Million Mal und wurde in 27 Sprachen übersetzt.

Rasch fand Illies' Erfolgsmodell fast ebenso erfolgreiche Nachahmer. Volker Weidermann mit "Ostende 1936" und "Träumer", Wolfram Eilenberger mit "Zeit der Zauberer" und "Feuer der Freiheit", Uwe Wittstock mit "Februar 33" und "Marseille 1940", Illies mit seinen eigenen Sequels "1913: Was ich unbedingt noch erzählen wollte" und "Liebe in Zeiten des Hasses": Sie alle schreiben über große Schriftsteller, Künstler und Philosophen, bevorzugt der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie alle montieren kurze Szenen aus dem Alltag dieser Intellektuellen zu einem Panorama ihres Lebens und ihrer Zeit. Und sie alle zählen damit zu den gegenwärtig meistverkauften Autoren ihrer durchweg sehr renommierten Verlage, ja zu den meistverkauften Sachbuchautoren überhaupt. Was ist es, das ihre Werke neu, aufregend und erfolgreich macht? Und was geht dabei womöglich verloren?

Traditionell gelten Sachbücher, zumal historische, als anstrengend und schwer. Wenn Texte, frei nach Horaz, entweder nützen oder erfreuen sollen, steht hier eindeutig der Nutzen, im Sinne des Wissenszuwachs, im Vordergrund. Für diesen Wissenszuwachs, so häufig die stillschweigende Annahme, muss der Leser die ein oder andere Strapaze auf sich nehmen, etwa abstrakte Gedankengänge nachvollziehen oder mit fremden Begriffen hantieren lernen.

Die Sachbücher von Illies und seinen Nachfolgern sind dagegen alles andere als anstrengend und schwer. Das beginnt bei der Länge der Texteinheiten. Während sich traditionelle Kapitel über Dutzende Seiten ziehen, sind die Abschnitte hier oft nur ein paar Zeilen, selten mehr als ein oder zwei Seiten lang, durch Asteriske oder andere Sonderzeichen getrennt und auch inhaltlich kaum verbunden. Gerade noch sahen wir Thomas Mann sein neues Grundstück besichtigen, jetzt hören wir von Picassos drei Siamkatzen, gleich blicken wir Kafka bei seinen selbstbezichtigenden Liebesbriefen an Felice Bauer über die Schulter: alles innerhalb von einer Minuten Lesezeit. So fühlt sich auch ein Leser mit geringer Aufmerksamkeitsspanne hinreichend unterhalten, kann jederzeit aus- und einsteigen. Fast ist es, als scrolle man durch den Feed eines Social-Media-Accounts im Jahr 1913 oder 1933.

Wie in vielen Medienformaten der Gegenwart wird zudem einiges getan, um das Geschehen so nah wie möglich an den Betrachter heranzuholen. Der fast durchgehende Gebrauch des Präsens hilft, die historische Distanz zu überbrücken. Äußere Beschreibungen wie Angaben zum Wetter erzeugen eine realistische Atmosphäre, lassen den Leser mitsehen und mitfühlen: "Berlin friert schon seit Wochen", beginnt Wittstocks "Februar 33"; "die bunten Badehäuser leuchten in der Sonne", hebt Weidermanns "Ostende 1936" an. Man erkennt, dass die Autoren Feuilletonisten sind, und nicht Wissenschaftler, wie sonst bei historischen Sachbüchern üblich. Bisweilen überschreiten sie gar die Grenze zur Fiktion: Während Wittstock betont, dass kein noch so kleines Detail bei ihm erfunden sei, hat man Illies' allwissendem Erzähler einige Sachfehler nachgewiesen. Weidermann wiederum setzt so stark auf eine anschauliche Außen- und psychologisierende Innensicht, dass sich mancher Rezensent fragte, ob "Ostende 1936" noch ein erzählendes Sachbuch oder nicht eher ein auf Tatsachen beruhender Roman sei.

Vor allem aber sorgt für Nahbarkeit, dass die großen Geister der Vergangenheit nicht in ihrem Denken, sondern in ihrem Alltag präsentiert werden: in dem Bereich also, den sie mit uns teilen und den wir deshalb am besten nachvollziehen können. Das gilt selbst dann, wenn sie sich darin - wie man es von Genies fast schon erwartet - vollkommen außergewöhnlich verhalten: Kaum jemand würde, wie Ludwig Wittgenstein, auf ein Millionenerbe verzichten, um Volksschullehrer zu werden; dennoch sind uns Fragen von Erbe und Berufswahl näher als Probleme der analytischen Sprachphilosophie. Die "Duineser Elegien" konnte nur Rilke schreiben, Schnupfen aber hatte jeder schon einmal.

Nun sind Illies und seine Nachfolger nicht die Ersten, die die Großen der Geschichte im Kleinen darstellen wollen. Schon im ersten Jahrhundert nach Christus provozierte der griechische Biograph Plutarch die traditionell kriegsversessenen Historiker der Antike mit der These, "eine kleine Sache, ein Wort oder ein Witz" sage mehr über den Charakter eines Menschen aus als "Schlachten mit Tausenden von Toten". Der ebenso rebellisch gestimmte Friedrich Nietzsche plädierte in seiner Frühschrift "Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen" für dezidierte Unvollständigkeit: "Aus drei Anekdoten ist es möglich, das Bild eines Menschen zu geben". Egon Friedell schließlich, Sprössling der Wiener Moderne und Autor einer bis heute viel gelesenen "Kulturgeschichte der Neuzeit", hielt die Anekdote gar für die "einzig berechtigte Kunstform der Kulturgeschichtsschreibung".

Der Sinn des Kleinen liegt nach solcher Auffassung darin, pars pro toto auf etwas Größeres zu verweisen: auf den Charakter eines Herrschers, die Eigenheiten eines Denkers oder die Merkmale einer Epoche. Doch was die Werke von Plutarch oder Friedell zu Klassikern gemacht hat, ist bei Illies und Co. deutlich schwerer zu entdecken. Auf welches Größere verweisen Kafkas Liebesnöte oder Picassos Katzen? Mit anderen Worten: Was wollen uns die Erfolgsbücher der vergangenen Jahre eigentlich sagen?

Wolfram Eilenbergers Bestseller "Zeit der Zauberer", "Feuer der Freiheit" und "Geister der Gegenwart" lassen sich noch am ehesten als Einführung in Leben und Werk der behandelten Figuren begreifen, als popularisierende Philosophiegeschichte. Zu Wittgensteins "Tractatus logico- philosophicus" zum Beispiel schreibt Illies nur, dieser sei "so komplex, dass selbst Russell, als er brieflich darum gebeten wird, Korrektur zu lesen, sich noch einmal seine eigenen Fragen schicken lassen muss, um Wittgensteins Antworten zu verstehen". Eilenberger dagegen zitiert immer wieder aus dem Werk, fasst dessen Grundgedanken zusammen und setzt die Entstehung mit Wittgensteins Kriegserlebnissen in Beziehung. Es hilft zweifellos, dass er sich auf je vier Protagonisten konzentriert, und sich die Schriften von Philosophen leichter auf ein paar Thesen bringen lassen als die Romane der von Illies, Wittstock und Weidermann vorrangig behandelten Dichter.

Bei Wittstock und Weidermann steht meist ein dramatischer historischer Augenblick im Mittelpunkt: die Münchner Räterepublik 1918/19 ("Träumer"), die ersten Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ("Februar 33") oder der deutsche Frankreichfeldzug mit seinen Folgen für literarische Emigranten ("Marseille 1940"). Wittstock formuliert sogar so etwas wie ein historiographisches Programm. Angesichts erschreckender Parallelen zur Gegenwart wolle er zeigen, "was nach einer fatalen politischen Fehlentscheidung mit einer Demokratie geschehen kann", schreibt er im Vorwort zu "Februar 33". Und im Nachwort zu "Marseille 1940" beklagt er, dass Varian Fry, der Protagonist seines Buchs und wichtigste Fluchthelfer deutscher Emigranten, bislang nicht die Anerkennung gefunden habe, die er verdiene.

Am schwersten ist eine Aussageabsicht beim erfolgreichsten der Autoren, bei Florian Illies, zu identifizieren. Die Hunderte Szenen in den beiden Büchern zu "1913" verbindet wenig mehr als ihre bloße Gleichzeitigkeit. Zwar entdeckt man bei manchen Figuren über die insgesamt 600 Seiten gewisse Verhaltensmuster, die gelegentlich auch zu einem Charakterbild verdichtet werden. So, wenn Illies Kafka kommentiert: ",Noch immer unentschieden. Franz'. Vier Wörter, eine Autobiographie." Doch sind die behandelten Figuren ja nicht durch ihre Persönlichkeit, sondern durch ihre Werke in die Geschichte eingegangen - und Letztere sind für Illies meist nur als Kuriositäten interessant. Auch in der Verlagsankündigung zu seinem nächsten Buch, das im Oktober erscheinen und die "Familie Mann in Sanary" behandeln soll, ist von Literatur keine Rede.

Man wird Wittstock, Weidermann und Illies vermutlich am ehesten gerecht, wenn man ihre Bücher nicht als Geistes-, sondern als Zeitgeschichte betrachtet und daran bemisst. Das Größere, auf das die vielen Anekdoten verweisen, ist vielleicht einfach die Summe seiner Teile: ein historisches Panorama. Der Wert ihrer Bücher liegt dann nicht primär darin, die Dichter und Denker von ihren Denkmälern ins Alltagsleben zu holen. Ihr Wert liegt vor allem darin, in diesem Alltagsleben eine vergangene Epoche erfahrbar zu machen - wozu Schnupfen ebenso gehören kann wie Emigration. Das hohe Erzähltempo und der häufige Perspektivwechsel erhöhen die immersive Anziehungskraft zusätzlich. Nach mehreren Stunden binge reading von "1913" glaubt man sich womöglich wirklich ins Jahr 1913 zurückversetzt.

Wie bei vielen Netflix-Serien oder Social-Media-Formaten hat die unmittelbare Anschaulichkeit der Darstellung freilich auch ihre Schattenseiten. Denn so sehr Nahbarkeit und Einfühlung dazu beitragen, den Betrachter ins Geschehen hineinzuziehen, braucht es zur Erkenntnis doch Abstand und Reflexion. Die besten historischen Sachbücher wechseln daher Passagen lebhafter Erzählung mit Passagen betrachtender Analyse ab. Letztere fehlen bei Illies und Co. Die einzelnen Szenen folgen in einem solchen Tempo aufeinander, dass dem Leser keine Zeit bleibt, über Zusammenhänge und Kausalitäten nachzudenken - geschweige denn dass die Texte selbst darüber reflektierten. Hätte die Moderne auch ohne den Ersten Weltkrieg ihren gesellschaftlichen Durchbruch erlebt? Inwiefern trugen deutsche Intellektuelle zur geistigen Atmosphäre bei, die den Nationalsozialismus erst ermöglichte? Antworten auf solche Fragen sucht man vergebens. Der Wissenszuwachs bleibt begrenzt.

So hängt die Bewertung der jüngsten Erfolgsbücher auch von der eigenen Sicht auf die Gegenwart ab, der eigenen Haltung zu Geistesdemokratismus respektive Kulturkritik. Entweder man freut sich, dass Illies und andere eine Form gefunden haben, mit der sich auch im 21. Jahrhundert ein breites Publikum für die Geschichte und Kultur der Klassischen Moderne interessieren lässt. Oder aber man bedauert die Vereinfachungen und Verrenkungen, die dafür offenbar nötig sind. Wie jedes Geschichtswerk ist auch das historische Sachbuch der Gegenwart ein Kind seiner Zeit. JANNIS KOLTERMANN

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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LovelyBooks-BewertungVon Luthien_Tinuviel am 30.03.2022
Eine interessante Darstellung der Leben und Ideen von vier Philosophinnen- erzählerisch gut dargestellt, aber geistig herausfordernd.
LovelyBooks-BewertungVon ulrikerabe am 25.03.2022
Vier Vordenkerinnen, deren Philosophie bis heute wirkt. Informative und fordernde Lektüre. Simone de Beauvoir, Simone Weil, Hannah Arendt, Ayn Rand: vier Frauen, vier Philosophinnen, vier VordenkerinnenDer deutsche Sachbuchautor, Publizist und Philosoph Wolfram Eilenberger porträtiert diese vier Frauen in seinem Werk "Feuer der Freiheit", zeigt deren Lebensgeschichten und Denkansätze zwischen den Jahren 1933 bis 1943.Es sind dunkle Zeiten. Ein ideologischer Riss geht durch die Gesellschaft, zunehmende Radikalisierung auf wirtschaftlicher und politischer Seite führen zum zweiten Weltkrieg.Trotz schwierigen, belastenden und gefährlichen Lebensumständen behalten sich de Beauvoir, Weil, Arendt und Rand die Freiheit des Denkens bei.Eilenberger verzahnt die Lebenswege quer durch Europa bis in die Vereinigten Staaten, zeigt was die Frauen eint und geht auch auf ihre Gegensätzlichkeiten ein.Es ist äußerst informative und zu gleich fordernde Lektüre über existenzielle Fragen des Menschseins, über Gesellschaft und Individuum, eingebettet in einen zeitgeschichtlichen und biografischen Rahmen. Das Denken dieser Frauen - was es bedeutet ein freier Mensch zu sein -  wirkt bis heute nach.