Thomas Kilian untersucht die Ausdifferenzierung von Wissenssystemen in der modernen Gesellschaft. Die Analyse schließt an die soziologische Systemtheorie an und verfolgt gleichzeitig eine kritische Perspektive auf die Entstehung von Wissen.
Bildungsexplosion und gesellschaftliche Risiken von Umweltkatastrophen bis zur Pandemie verlangen einerseits nach mehr Wissen, erzeugen aber auch mehr Unsicherheit und Zweifel. Es kommt eine Wissensgesellschaft hervor, die sich durch weniger Einigkeit ü ber die relevanten Wahrheiten auszeichnet. Die Wissenssysteme - Wissenschaft, Bildung, Journalismus und Medizin - werden von der Legitimation des Publikums abhä ngig. Die Regulation der sich differenzierenden Gesellschaft ist wieder in erheblicher Weise offen. Sowohl eine Ausweitung der Partizipation ist mö glich, als auch eine Diktatur der Intelligenz - oder ein Rü ckfall in eine hierarchische Kriegerkultur.
Noch scheint es unmö glich, eine bestimmte Form der Wissensgesellschaft anzustreben, aber manche Gefahren, Mö glichkeiten und Herausforderungen zeichnen sich ab. Vor allem wird die Verberuflichung von Wissensberufen fragwü rdig. Stattdessen verwirklicht der allseitig gebildete Mensch sein verschiedenartiges Kö nnen, indem er neben der Geistesarbeit auch den Erwerb, die politische Partizipation und die Kultur wertschä tzt - am besten, indem er die grundlegenden Fä higkeiten eines universellen Menschen abwechselnd ausü bt. Eine Wissensgesellschaft, die auf eine rein intellektuelle Elite abzielt, gleicht dagegen dem Faschismus oder dem real existierenden Sozialismus, die allein der politischen Steuerung vertrauten. Die Wissensgesellschaft ist eben keine universelle Lö sung, sie reagiert auch nicht nur auf Risiken, vielmehr ist sie selbst ein riskantes Unterfangen.
Thomas Kilian, (Diplom-)Soziologe, geboren 1966. Freier Wissenschaftler, Journalist und Autor in Berlin. Er vereint den kaufmä nnischen Hintergrund seiner Familie mit politischem Engagement in der Stadtteilpolitik und einem wachen Forscherdrang, begann schon als Schü ler in seinem frä nkischen Geburtsort fü r die Lokalzeitung zu schreiben und fü hrt ein Leben mit vielen Facetten und Perspektiven. Nach empirischen Arbeiten vor allem zur DDR-Justiz und zur Stadtteilforschung, machte er sich in der bei ATHENA erschienenen Studie » Gesellschaftsbild und Entfremdung« auf die Suche an einem angemessenen Gesellschaftsbild. » Die Wahrheit der Systeme« nimmt den Ü bergang zur Wissensgesellschaft unter die Lupe.